Bochum/Mönchengladbach. Friedhelm Funkel, früherer Trainer des VfL Bochum, spricht über den Abstiegskampf, die Relegation 2011 und das Spiel in Gladbach am Samstag.
Früher besuchte Friedhelm Funkel regelmäßig die Spiele im Stadion am Bökelberg. In seiner Kindheit war der Rheinländer noch Anhänger von Borussia Mönchengladbach. Als Trainer scheiterte er dann 2011 mit dem VfL Bochum in der Relegation an seiner Jugendliebe. Am Samstag (15.30 Uhr/Sky) treffen die beiden Klubs wieder im Borussia-Park aufeinander – für den heute 69-jährigen Funkel ein besonderes Duell.
Herr Funkel, sympathisieren Sie heute noch mit Gladbach?
Friedhelm Funkel: (lacht) Bevor ich Profi wurde, war ich Gladbach-Fan. Dann war ich neutral. Mit dem VfL habe ich als Trainer auch keine guten Erinnerungen an Gladbach.
Sie meinen die beiden Relegationsspiele vor zwölf Jahren. Wie blicken Sie heute darauf zurück?
Ich glaube, dass wir in beiden Spielen die bessere Mannschaft waren und sehr, sehr unglücklich den Aufstieg nicht geschafft haben. Gladbach hat das Hinspiel glücklich 1:0 gewonnen. Eigentlich war die Partie ja schon längst vorbei.
Doch Igor de Camargo hat noch spät getroffen.
Genau, in der 93. Minute. Dabei hatte der Schiedsrichter gar keinen Grund nachzuspielen – immer aus der Sicht des VfL Bochum gesprochen, natürlich (lacht). Im Rückspiel haben wir es gut gemacht, aber dann hat Marco Reus noch den Ausgleich erzielt. So ist Gladbach dringeblieben und wir sind leider nicht aufgestiegen.
Wie haben Sie und die Mannschaft sich danach gefühlt?
Nach dem Hinspiel war der Frust groß, weil wir uns benachteiligt gefühlt haben. Wir haben uns aber auch darüber geärgert, dass es uns im Rückspiel nicht gelungen ist, den Rückstand aufzuholen. Wir waren enttäuscht, dass wir in der Zweiten Liga geblieben sind, und danach sind ja auch wirklich sehr schwere Jahre für den VfL Bochum gekommen. Für Borussia Mönchengladbach ging es hingegen anschließend bis vor zwei Jahren stetig nach oben.
Worauf kommt es in Relegationsspielen an?
Es kommt darauf an, dass du versuchst, den Spielern die Nervosität zu nehmen, dass du gute Stimmung in die Mannschaft hineinbringst. Das musst du auch vorleben. Und du musst daran glauben, dass du es schaffen kannst. Zudem dürfen keine Leistungsträger verletzt sein. Dann kannst du eine Relegation erfolgreich überstehen. In den vergangenen zehn Jahren hat es allerdings nur ein Zweitligist geschafft, über die Relegation aufzusteigen.
Woran liegt das?
Die Bundesligisten sind individuell besser besetzt. Und wenn die Spieler ihre Nerven in den Griff kriegen, dann ist der Erstligist Favorit. Das haben die letzten beiden Jahre gezeigt. Obwohl der Zweitligist das Hinspiel gewonnen hatte, hat sich der Erstligist am Ende durchgesetzt, 2021 war es der 1. FC Köln, 2022 Hertha BSC.
Also auch zwei Ihrer ehemaligen Klubs. Aktuell belegt Bochum den Relegationsrang. Wie wird diese Saison im Abstiegskampf enden?
Ich habe mir die letzten Spiele alle angeschaut. Ich glaube, dass der VfL Bochum und der VfB Stuttgart um den Relegationsplatz kämpfen. Ich denke nicht, dass einer von beiden direkt absteigen wird, weil Hertha BSC sehr weit zurückliegt und Schalke 04 ein unheimlich schweres Restprogramm hat.
Die Schalker haben auch noch drei Auswärtsspiele.
Und sie sind nicht gerade dafür bekannt, auswärts sehr stark zu sein. Von den vergangenen 42 Auswärtsspielen hat Schalke nur eines gewonnen – und zwar in Bochum.
Wie schätzen Sie die Chancen des VfL im Saisonfinale ein?
Der VfL Bochum hat im Saisonfinale gute Chancen. Thomas Letsch hat bisher dort sehr gute Arbeit geleistet. Die Mannschaft war ja schon ein bisschen abgeschlagen, das hat er wirklich super hinbekommen. Die Mannschaft steckt Rückschläge gut weg, hat zuletzt auch gegen Borussia Dortmund gepunktet. Warum sollte Bochum in Gladbach nicht gewinnen? Gladbach ist überhaupt nicht stabil.
Wo sehen Sie die Gründe dafür?
Das ist das Problem der Trainer ja schon seit zwei, drei Jahren. Unter Marco Rose war es am Ende nicht mehr berauschend. Auch Adi Hütter hat im letzten Jahr keine keine gute Saison hingelegt, Daniel Farke ist ebenfalls sehr glücklos. Das sind drei Trainer, die in ihrer Karriere schon außergewöhnlich Gutes geleistet haben. Es gilt also, den Kader zu hinterfragen, was die Verantwortlichen jetzt auch wohl machen. Im Sommer findet ein Umbruch statt, der vielleicht ganz dringend notwendig ist. Das Verhältnis zwischen Fans und Mannschaft droht zu kippen. Wenn sie am Samstag am Samstag verlieren, brennt in Gladbach der Baum.
Warum haben die Bochumer Ihrer Meinung nach in Gladbach eine gute Chance?
Weil sie einen gefestigten Eindruck machen und gegen Dortmund gut gespielt haben. Natürlich hatten sie auch das Quäntchen Glück, das man braucht. Manuel Riemann hat unfassbare Bälle gehalten. In der Mannschaft stimmt es einfach. Sie haben wichtige Leistungsträger, die zurzeit – so sehe ich das jedenfalls aus der Entfernung – gut in Form sind. Philipp Hofmann ist vorne immer für ein Tor gut mit seiner Robustheit, Körperlichkeit und Kopfballstärke. Kevin Stöger ist einer der besten Mittelfeldspieler der Bundesliga. Er hat einen unfassbar starken linken Fuß. Er kann die Flügelstürmer in Szene setzen, ist kaltschnäuzig bei Elfmetern. Er ist also ein ganz wichtiger, starker Spieler beim VfL Bochum. Kapitän Anthony Losilla läuft mit seinen 37 Jahren in jedem Spiel noch zwölf Kilometer. Bochum kann in Gladbach gewinnen.
Und Bochum spielt auch noch bei Ihrem Ex-Klub Hertha. Drücken Sie den Berlinern noch die Daumen?
Das nützt nichts mehr. Die steigen sicher ab. Wie wollen sie sich retten? Ich wünsche es den Bochumern, dass sie drinbleiben. Der VfL Bochum ist ein ganz toller Verein, aus dem Trainerteam kenne ich noch den einen oder anderen. Ich drücke dem VfL Bochum ganz fest die Daumen.
Welche Rolle können die Bochumer Fans spielen, wenn Sie an Ihre Zeit beim VfL zurückdenken?
Es herrschte immer eine tolle Atmosphäre. Die Mannschaft ist immer unterstützt worden. Wir mussten eine sehr große Aufholjagd starten, um nach dem Abstieg noch Dritter zu werden. Wir haben es damals geschafft, indem wir 17 Spiele in Serie nicht verloren haben. Die Zuschauer waren ein ganz wichtiger Bestandteil dieser Erfolgsserie. Alle gemeinsam können es wieder schaffen, in der Liga zu bleiben. Und wenn es sein muss, dann über eine glücklichere Relegation als 2011.