Gais. Anthony Losilla (36) spricht im Interview über die Zeit nach seiner Profi-Karriere. Eine Aufgabe reizt ihn dabei besonders.

Nach 18 Jahren im Profifußball hat Anthony Losilla einige Trainingslager mitgemacht. Nicht viele davon aber dürften für den defensiven Mittelfeldspieler mit einem selbst erzielten Tor geendet haben. Am Sonntag ist der Bundesligist aus Südtirol abgereist, zuvor traf der Kapitän des VfL Bochum noch beim 2:1-Testspielsieg gegen den italienischen Erstligisten Spezia Calcio. Zur Halbzeit der Saisonvorbereitung zieht der 36 Jahre alte Franzose im Interview eine Zwischenbilanz. Er erzählt, warum er im hohen Fußball-Alter immer besser zu werden scheint, und verrät, was er für die Zeit nach seiner Karriere plant.

Hand aufs Herz, Herr Losilla, es muss doch am guten französischen Rotwein liegen, dass Sie im Alter von 35 in die Bundesliga kommen und so spielen, als hätten Sie nie etwas anderes gemacht?

Anthony Losilla: (lacht) Nein, ab und zu trinke ich zwar mal ein Glas, wenn ich mit Freunden zusammen bin, aber das muss andere Gründe haben. Woran es genau liegt, kann ich gar nicht sagen. Ich glaube, dass es mit der Genetik zusammenhängt. Mein Körper kann sich gut regenerieren. Außerdem ist meine Spielweise nicht so abhängig von den Qualitäten, die man mit dem Alter verliert, also Geschwindigkeit oder Beweglichkeit – das waren nie meine Stärken. Ich kompensiere das durch mein Stellungsspiel.

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Hat es Sie nicht selbst überrascht, dass Sie gleich so eine starke Debüt-Saison hinlegen konnten? Und ärgert Sie, dass Sie es nicht mal früher mit der Ersten Liga versucht haben?

Ich bin schon ein bisschen enttäuscht, dass es mit der Bundesliga erst so spät geklappt hat. Dass ich allerdings überhaupt dahin gekommen bin, sehe ich als Belohnung für meine Arbeit. Überrascht darüber war ich nicht. Ich habe mich immer dem Niveau anpassen können. Ich habe in der Dritten Liga angefangen, bin dann in die Zweite Liga gekommen und konnte dort sofort meine Leistung bringen. Genauso lief es mit der Bundesliga. Ich bin ein Typ, der gerne die Herausforderung sucht. Ich wusste, dass ich die Qualität dazu habe.

Stichwort Herausforderung. Für den VfL Bochum geht es wieder um den Klassenerhalt. Viele sagen, dass das zweite Jahr in der Bundesliga das schwierigere sei. Wie ist Ihr Gefühl zur Halbzeit der Vorbereitung?

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Viele Spieler sind aufgrund der Länderspiele später gekommen. Natürlich war das bislang nicht optimal. Wir sind noch nicht auf Top-Niveau, aber kommen dahin. Bis zum ersten Pflichtspiel ist noch Zeit.

Was macht Sie optimistisch, dass es trotz aller Widrigkeiten zum Klassenerhalt reicht?

Warum sollen wir es nicht wieder schaffen? Klar, wir müssen viele neue Spieler integrieren, müssen die Zugänge schnell in unsere Spielart integrieren. Mit unserer Leidenschaft und Laufbereitschaft haben wir in der vergangenen Saison gezeigt, dass wir in der Liga mithalten können.

Auch für Ihre Position im defensiven Mittelfeld hat sich der VfL mit dem polnischen Nationalspieler Jacek Goralski verstärkt. Freuen Sie sich auf den Konkurrenzkampf?

Den gab es in jeder Saison. Vergangenes Jahr war auch noch Robert Tesche hier, der zuvor eine überragende Saison gespielt hatte. Am Ende ist es besser für die Mannschaft, wenn jeder den anderen pusht, sein Bestes zu geben.

Anthony Losilla, Kapitän des VfL Bochum, geht in seine zweite Bundesliga-Saison beim VfL.
Anthony Losilla, Kapitän des VfL Bochum, geht in seine zweite Bundesliga-Saison beim VfL. © ffs

Also keine Angst um Ihren Stammplatz?

Auf gar keinen Fall. Ich werde wie immer alles geben und mich freuen, wenn es reicht.

Sie sind als Kapitän auch als Führungsspieler gefragt und anerkannt. Ist das eine Rolle, in die Sie nach und nach hineingewachsen sind?

Als ich meine Karriere begonnen habe, habe ich immer den älteren Spielern zugehört. Wir haben eine Vorbildfunktion in allen Bereichen. Ich gehe gerne voran. Wenn ich dem einen oder anderen jungen Spieler etwas mitgeben kann, würde mich das sehr stolz machen.

Sie spielen inzwischen schon seit acht Jahren für den VfL Bochum.

Jeder weiß, dass es im Fußball sehr selten solche Geschichten gibt. Es ist ja so: Spieler bleiben zwei, drei Jahre bei einem Verein und wechseln dann – so läuft das Geschäft. Vor meiner Zeit in Bochum war das auch bei mir so. Von daher bin ich davon ausgegangen, dass ich alsbald weiterziehe. Am Ende ist es diese tolle Geschichte zwischen dem VfL Bochum und mir geworden. Ich kann mich voll mit dem Verein und der Stadt identifizieren. Sie verkörpern die Werte, die ich schätze. Ich habe mich hier von Anfang an wohlgefühlt.

Anthony Losilla (l.) ist beim VfL Bochum die rechte Hand von Trainer Thomas Reis.
Anthony Losilla (l.) ist beim VfL Bochum die rechte Hand von Trainer Thomas Reis. © ffs | Dennis Ewert

Liegt das auch daran, dass Sie aus Saint-Etienne in Frankreich stammen? Ebenfalls eine Arbeiterstadt.

Das stimmt, sie ist ähnlich wie Bochum. Dort gibt es viele Malocher – und die Stadt sieht vielleicht nicht so schön aus (lacht). Aber die Menschen sind offen und ehrlich. Deswegen passt es für mich auch so gut hier mit Bochum. Außerdem hat der Verein mir immer das Vertrauen geschenkt. Ich hoffe, dass die nächste nicht die letzte Saison sein wird.

Gab es denn schon Gespräche mit dem VfL?

Noch nicht. Ich habe noch ein Jahr Vertrag und weiß auch, dass ich in einem Alter bin, in dem man als Verein abwartet, wie die Saison läuft. Das verstehe ich vollkommen. Bisher macht mein Körper immer noch mit. So lange will ich gerne weitermachen. Wenn ich noch einmal eine Saison wie letztes Jahr schaffe, warum sollte ich nicht noch ein weiteres Jahr dranhängen?

Und was ist danach geplant?

Trainer zu werden, ist eine Möglichkeit, die ich im Kopf habe. Schon in Frankreich habe ich mit dem Trainerschein begonnen. Momentan aber sehe ich mich mehr im Jugendbereich. Mit Thomas Reis habe ich mich darüber schon ausgetauscht. Er hat mir empfohlen, viel auszuprobieren: Co-Trainer, in der Jugend arbeiten. Ich solle einfach herausfinden, was zu mir passt.

Bleiben Sie nach der Profi-Karriere in Bochum?

Das ist eine Möglichkeit, es gibt aber auch die Option nach Frankreich zurückzukehren, wo meine ältere Tochter mit ihrer Mutter wohnt. Wenn die Zeit kommt, muss ich mich mit meiner Familie zusammensetzen und die Entscheidung treffen. Natürlich kann ich mir auch gut vorstellen, in Bochum zu bleiben. Hier fühlen wir uns wohl. Im August wird meine andere Tochter eingeschult, mein Sohn geht hier zur Schule. Die beiden kennen in ihrem Leben nur Bochum.

Noch ist es nicht so weit. Ihre Karriere wird schließlich auch immer wieder mit dem Film „Das Leben des Benjamin Button“ verglichen. Er handelt von einem Kind, das im Körper eines alten Mannes geboren wurde. Während der Körper immer jünger wird, altert der Geist. Wenn man ihre Laufbahn verfilmt, Herr Losilla, würde dann auch Brad Pitt die Hauptrolle spielen?

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Das wäre schon arrogant (lacht). Ein französischer Schauspieler vielleicht, Jean Dujardin aus „The Artist“.

Ein Oscar-Gewinner.

Genau. Jemand mit viel Charisma und Charme. Das passt doch eins zu eins, oder?

Zur Person

Anthony Losilla begann seine Profi-Karriere vor 18 Jahren in der zweiten Mannschaft von AS Saint-Etienne. Nach Stationen bei AS Cannes, Paris FC und Stade Laval wechselte der heute 36-Jährige zur Saison 2012/2013 zum Zweitligisten Dynamo Dresden. Nach dem Dresdener Abstieg 2014 schloss er sich dem VfL Bochum an. Seit der Saison 2019/2020 führt der defensive Mittelfeldspieler die Mannschaft als Kapitän an.