Bochum. Das Adjektiv ablösefrei gehört beim VfL Bochum bei Transfers dazu. Der scheidende Sportchef Schindzielorz hat es etabliert. Das ist seine Bilanz.

Ablösefrei. Dieses Adjektiv beschreibt nicht Sebastian Schindzielorz, aber seine Arbeit. Seit Februar 2018 ist er Geschäftsführer Sport beim VfL Bochum. 48 Zu- und 46 Abgänge hatte und hat er seitdem zu verantworten. Bei nur wenigen Spielern, die zum VfL kamen oder den VfL verließen, ist überhaupt nur eine Ablöse gezahlt worden. Ansonsten kamen – und gingen – die Spieler: ablösefrei. Oder auf Leihbasis.

Die bevorzugte Null-Euro-Herangehensweise von Schindzielorz an Transfers ist in erster Linie darin begründet, dass der VfL für Verpflichtungen nicht viel, beziehungsweise eben gar kein Geld ausgeben kann. In Verbindung mit dem Meistertitel in der 2. Bundesliga und nun dem Klassenerhalt in der Bundesliga schreibt Schindzielorz gerade deshalb eine ungewöhnliche Erfolgsgeschichte.

Er hat aus der (Finanz-)Not eine (Einkaufs-)Tugend gemacht. Dabei hat ihm das Image des VfL Bochum durchaus geholfen. Das ist so ähnlich, wie es Politiker Klaus Wowereit vor nunmehr fast 20 Jahren über Berlin sagte. Die Stadt sei „arm, aber sexy“.

Schindzielorz hat sich für andere Vereine interessant gemacht

In der Meldung, dass er seinen Vertrag beim VfL nicht verlängern werde, wird Schindzielorz zwar damit zitiert, dass er keinerlei Vertragsgespräche mit anderen Clubs geführt und sich an keinen neuen Club gebunden habe. Ein Wechsel habe daher bei der Entscheidung keine Rolle gespielt.

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Klar aber ist auch, dass der Weg, den er mit und beim VfL Bochum gegangen ist, auffällig gut war. Dass er sich dadurch für andere Vereine interessant gemacht hat, dass das für An- und Nachfragen sorgt, ist verständlich. Für wenig oder gar kein Geld Spieler zu holen, die sofort helfen, die Saisonziele zu erreichen, das ist eine Fähigkeit, die jeder Geschäftsführer Sport gerne hat.

Spätestens zum Ende des Jahres wird Schindzielorz gehen. Die aktuelle Transferperiode wird daher die wohl letzte sein, die er beim VfL hauptverantwortlich gestaltet. Spannend wird zu sehen sein, ob er es erneut schafft, den VfL Bochum nach dem Aufstieg in die Bundesliga und dem nun geschafften Klassenerhalt zur nächsten Saison erneut personell so aufzustellen, dass er wettbewerbsfähig ist und das Ziel Klassenerhalt ein realistisches bleibt.

Die wichtigste Verpflichtung bleibt: Thomas Reis

Die vielleicht wichtigste Verpflichtung von Schindzielorz war, ist und bleibt ohnehin Thomas Reis. Schindzielorz holte ihn im September 2019 zum VfL Bochum zurück. Der Vertrag mit Robin Dutt als Trainer beim VfL Bochum war gerade aufgelöst worden, Reis war zu dem Zeitpunkt Trainer der U19 des VfL Wolfsburg. Mit der Rückkehr von Reis zum VfL, mit dem Vertrauen, das Schindzielorz in seinen ehemaligen Mitspieler hatte, nahm die Erfolgsgeschichte endgültig Fahrt auf.

Reis übernahm erstmals ein Profiteam. Er führte es im ersten Jahr zum Klassenerhalt, im zweiten Jahr zum Aufstieg, nun wieder zum Klassenerhalt. Der bleibt vorerst das Ziel des VfL Bochum.

Die Erfolgsgeschichte hatte aber dennoch bereits vor der Verpflichtung von Reis begonnen. Im Rückblick lassen sich gerade Personalentscheidungen glänzend bewerten. Zu den Spielern, die Schindzielorz bereits vor der Reis-Rückholaktion verpflichtet hatte, gehören aber eben auch Simon Zoller, Robert Tesche oder Milos Pantovic, sie alle kamen zur Saison 2018/2019, sowie Danny Blum, Cristian Gamboa oder Robert Zulj, die ein Jahr später beim VfL unterschrieben.

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Schindzielorz hat es geschafft, den Vertrag mit Soares zu verlängern

Unter Schindzielorz als Geschäftsführer Sport bekam zum Beispiel auch Armel Bella Kotchap seinen ersten Profivertrag. Mit Danilo Soares verlängerte Schindzielorz vor der Saison 2020/2021, als viele dachten, dass der brasilianische Außenverteidiger den Verein auf jeden Fall verlassen würde.

Zu den Transfers, die Schindzielorz zu verantworten hatte und hat, gehören natürlich auch etliche Akteure, die sich nicht so nachhaltig in Erinnerung gebracht oder beim VfL Spuren hinterlassen haben wie die gerade zuvor genannten. Da gibt es auch Sebastian Maier oder Dominik Baumgartner, Saulo Decarli oder Raman Chibsah, natürlich auch Silvere Ganvoula.

Der schien die damaligen Sturmprobleme des VfL lösen zu können. Ihn zur Saison zur Saison 2019/2020 für eine kolportierte Summe von 400.000 Euro fest zu verpflichten, machte zum damaligen Zeitpunkt Sinn. Inzwischen wären sie beim VfL Bochum wohl froh, wenn es für den Angreifer eine ernsthafte Anfrage geben würde. Im Winter war er zum belgischen Erstligisten Cercle Brügge ausgeliehen worden. Nun kehrt zurück und startet voraussichtlich am 20. Juni mit in die Vorbereitung.

Transfererlöse von voraussichtlich 6,55 Millionen Euro

Es wird auch für spannend zu sehen sein, wer dann so alles das Trikot des VfL Bochum tragen wird. Klar ist derzeit nur, dass Philipp Hofmann dann am Start sein wird und dagegen Maxim Leitsch und sehr wahrscheinlich auch Sebastian Polter nicht dabei sein werden. Leitsch ist zum FSV Mainz 05 gewechselt, Polters Wechsel zu Eintracht Frankfurt hängt nur noch an der Höhe der Ablöse.

Als mögliche Zugänge gehandelt werden derzeit – mehr oder weniger heiß – Tom Krauß (24, Mittelfeld, RB Leipzig), Keanan Bennets (20, Mittelfeld, Mönchengladbach), Koni de Winter (19, Innenverteidiger, Juventus Turin), Kevin Stöger (28, Mittelfeld, Mainz 05) und Marcel Hoffmeier (22, Innenverteidiger, Preußen Münster).

Die Ablöse für Polter wird im höchsten Fall 2 Millionen Euro betragen. Seit der Saison 2018/2019 hätte der VfL damit in Summe Transfererlöse in Höhe von 6,55 Millionen Euro erzielt. Dem gegenüber stehen 1,4 Millionen Euro als Ausgaben für Transfers. Es ist, verbunden mit den sportlichen Ergebnissen, eine Bilanz, die sich sehen lassen kann.