Bochum. Dass der FC Bayern den VfL Bochum unterschätzt, darauf kann der VfL nicht hoffen. Aber es gibt Mittel, den Bayern weh zu tun, sagt Stürmer Polter.
Es gibt viele, sehr viele Zahlen, die die Dominanz des FC Bayern gegenüber dem VfL Bochum eindrucksvoll belegen. Der VfL hat, da sind sich zweifellos alle einig, beim ersten Bundesliga-Heimspiel gegen die Bayern nach über elf Jahren nur eine Chance, wenn alles perfekt zusammenläuft auf der einen Seite – und ein bisschen weniger zusammenläuft als üblich auf der anderen Seite. Als etwa beim Münchener 7:0 im Hinspiel. Oder zuletzt beim hochklassigen 3:2-Sieg des FCB gegen den starken Gegner RB Leipzig.
Eine Hoffnung, die ein Außenseiter dann immer hat: Vielleicht lässt es der turmhohe Favorit mal ein bisschen lockerer angehen. Bayern führt die Tabelle souverän an, selbst bei einer Niederlage müsste niemand die Meisterfrage neu stellen, und kommende Woche Mittwoch steht für den FCB das Hinspiel im Champions-League-Achtelfinale an. Bochum vor der Brust - RB Salzburg im Kopf?
24 Spiele gegen Aufsteiger - 23 Bayern-Siege!
Es gib eine Zahl, die diese Hoffnung des Laissez-Faire ziemlich zunichte macht, zumindest im nackten Ergebnis, gemessen an der Punkteausbeute. Von den letzten 24 Bundesliga-Spielen gegen einen Bundesliga-Aufsteiger hat der FC Bayern 23 Spiele gewonnen. Einmal gab es ein Remis. Keine Niederlage. Keine Schmach. „Der Gegner wird uns alles abfordern, weil er sich körperlich und emotional sehr stabilisiert hat“, sagte Julian Nagelsmann, der Bayern-Trainer, am Freitag auf der Pressekonferenz des Rekordmeisters. Alles abfordern: Als ginge es für sein Starensemble gegen den FC Liverpool.
In Bayern ist verlieren verboten, egal gegen wen. Thema erledigt.
Pantovic: 0:7 in München als Knackpunkt der Saison auch im positiven Sinn
Bleibt die Hoffnung auf Faktor zwei, damit nicht nur ein achtbares Ergebnis, sondern sogar eine Überraschung in den Bereich des Möglichen rückt. Die Hoffnung auf einen eigenen, perfekten Tag, sowohl individuell als auch in der mannschaftlichen Geschlossenheit. Milos Pantovic, elf Jahre lang in der Jugend des FC Bayern ausgebildet, sagt: „Wir brauchen einen sehr guten Tag, Bayern darf keinen so guten Tag erwischen.“ Und ein bisschen Matchglück wie beim 1:1 gegen Borussia Dortmund im Dezember müsste wohl auch hinzukommen.
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Ein 0:7 wie in München soll es nicht mehr geben, dafür gibt es auch keine Anzeichen. „Das Spiel war auch ein Knackpunkt im positiven Sinne, es hat uns wachgerüttelt“, meint Pantovic rückblickend. Weniger Schnörkel, mehr Kompromissbereitschaft, unterm Strich mehr defensive Stabilität von vorne bis hinten hat den VfL Bochum seitdem - meistens - ausgezeichnet.
Auch das belegen Zahlen. Nur 14 Gegentore kassierte Bochum in den letzten 14 Partien, nur die Bayern sind hier auf Augenhöhe. Und mit acht Gegentoren in Heimspielen ist Bochum hinter Mainz die Nummer zwei in der Liga. „Bochum hat sich gut stabilisiert, gerade zuhause, Bochum hat klare Abläufe“, sagt Bayerns Julian Nagelsmann.
Entlastung: Auf die schnellen Holtmann und Asano kommt es an
Eine klare Ordnung und Positionierung, ein engmaschiger Defensivverbund, der den Bayern so wenig Räume wie möglich lässt für ihre technisch saubere Hochgeschwindigkeits-Spielkunst, energische Zweikämpfe sind ein Teil des Matchplans. Mut zu eigenen Aktionen ist der andere Teil. Noch einmal wird Bochum wohl kaum einen Punkt holen, wenn er, wie in der zweiten Halbzeit gegen den BVB, die eigene Spielhälfte nicht verlässt. Und sei es mit gezielten, hohen Bällen über das Zentrum hinweg – idealerweise in den Lauf der Außen. Dass Torwart Riemann, der diese Bälle punktgenau spielen kann, fehlt (Covid-19), ist zwar ein Manko, ändert aber wohl nichts an dieser Ausrichtung.
Die schnellen Außenstürmer Gerrit Holtmann und Takuma Asano sind folglich gefragt, nicht nur ihre defensiven Aufgaben zu erfüllen, sondern auch offensiv Akzente zu setzen. „Es wird auf eine gute Balance ankommen“, sagt Trainer Thomas Reis. „Wir wissen, dass Bayern hochsteht und sehr aktiv verteidigt. Dadurch könnten sich Räume ergeben, die wir nutzen wollen.“
Bayern-Trainer Nagelsmann rechnet mit Bällen hinter die Kette
So erwartet es auch sein Kollege vom FC Bayern. „Die Bochumer haben extrem viel Tempo auf den Flügeln. Sie werden wahrscheinlich versuchen, Bälle hinter die Kette zu spielen“, ahnt Julian Nagelsmann. Bochum habe zudem „eine Mannschaft, die körperlich spielt und über die Emotionen kommt.“
Dabei wird der VfL sicherlich etwas tiefer als gegen schwächere Gegner aufgestellt sein, um anders als im Hinspiel nicht gnadenlos hergespielt zu werden in der gefährlichen Zone.
Der Auftrag, die Bayern nicht nur zu nerven im Spielaufbau, sondern auch für Entlastung zu sorgen, gilt positionsgetreu natürlich auch für Jürgen Locadia oder Sebastian Polter im Angriffszentrum. Letzterer überzeugte zuletzt als Joker und ist nach Bayerns Serge Gnabry (10 Tore) sogar der zweitbeste deutsche Torjäger der Bundesliga mit sieben Treffern. Gemeinsam mit Bayerns Thomas Müller sowie Jonathan Burkardt (Mainz) und Jonas Hofmann (Mönchengladbach).
Polter setzt auf Überzeugung und lebt diese vor
Ob Polter von Beginn an spielt oder, was wahrscheinlicher erscheint, wieder nur von der Bank kommt, wird sich zeigen. Selbstbewusst und bereit ist der 30-Jährige jedenfalls – und diese Tugend, mentale Stärke und der Glaube an sich selbst, ist ebenfalls Voraussetzung für eine Überraschung.
„Wir können uns mit den Besten messen, das ist positiv für uns. Es gibt Mittel und Wege, Bayern weh zu tun, das wollen wir umsetzen“, sagt Polter. „Wir wollen auf den Patz gehen mit der Überzeugung, das, was wir in den letzten Spielen gut gemacht haben, auf den Platz zu kriegen. Dann haben wir auch Waffen, mit denen wir Bayern weh tun können. Diese Überzeugung müssen wir haben.“
8.500 Fans sollen für einen „Hexenkessel“ sorgen
Überzeugung, ein perfekter Tag, etwas Glück – und dazu die Unterstützung der Fans, so könnte es klappen. „Wir können es nur mit einer geballten Energie schaffen, da gehören die Zuschauer mit dazu“, sagt Reis. „Wir sind froh, jetzt zumindest mit 8.500 Fans das Spiel bestreiten zu können. Ich gehe davon aus, dass wir wieder einen Hexenkessel haben werden.“