Bochum. Als “Zaubermaus“ prägte Dariusz Wosz vor rund 20 Jahren das Spiel des VfL Bochum. Von der Spielweise der aktuellen Truppe ist er begeistert.

Dariusz Wosz beobachtet gerne die Art, wie Mannschaften Fußball spielen. Den FC Bayern zum Beispiel unter Hansi Flick. Oder den FC Barcelona. Er findet, wenn Messi mehr defensiv arbeiten würde, wäre der Klub erfolgreicher. Im Moment beobachtet der frühere Mittelfeldspieler des VfL Bochum allerdings auch mit großer Lust die Fußballer seines Vereins. „Die Art und Weise, wie sie spielen, gefällt mir“, sagt das Bochumer Idol. Vieles erinnere ihn an die erfolgreichen Jahre unter Klaus Toppmöller, als der VfL mit Nationalspieler Wosz im Uefa-Cup 1997 gegen Amsterdam und Brügge spielte. Und mit Linksverteidiger Thomas Reis. „Die Spielweise hat er schon unter Klaus Toppmöller kennengelernt. Keine langen Bälle, schnell nach vorne spielen.“

Damals wie heute erfolgreich. In dieser Woche kann der VfL Bochum mit Trainer Reis den Aufstieg nach elf Jahren Zweitklassigkeit unter Dach und Fach bringen. Auch Wosz, der die Fußballschule des Vereins leitet, atmet dann auf. „Ich hatte kaum noch daran geglaubt. Andere Mannschaften wie Paderborn, Fürth oder Freiburg haben es geschafft. Bochum nicht.“

VfL Bochum: Dariusz Wosz lobt Trainer Thomas Reis

In dieser Saison stimmt es beim VfL. „Die Mannschaft ist im Großen und Ganzen zusammengeblieben. Sie hat von allem etwas“, sagt der 51-Jährige. Einen Trainer, der „sein Ding durchzieht“. Profis, die nicht nur fußballerisch diszipliniert bleiben. Und eine Spielweise, die keinem Geringeren als Dariusz Wosz gefällt.

Glorreiche Zeiten: Dariusz Wosz (links) beim 4:1 im Uefa-Cup 1997 gegen den FC Brügge. Die Trikots sind heute sehr beliebt.
Glorreiche Zeiten: Dariusz Wosz (links) beim 4:1 im Uefa-Cup 1997 gegen den FC Brügge. Die Trikots sind heute sehr beliebt. © Imago

Man könnte das als Ritterschlag bezeichnen, schließlich prägte Dariusz Wosz die erfolgreichsten Jahre beim VfL. Aber Ritter, Adel und Hofstaat, das passt nicht zu Bochum, und nicht zu Wosz.

Für seine Freistöße wurde er verehrt, für seine spielerische Klasse bekam er den Beinamen „Zaubermaus“. Hinter der Magie verbarg sich allerdings ein Leben, das ohne Zauber anfing. Dariusz Wosz lernte das Fußballspielen auf Kartoffelfeldern in Katowice. Wenn er nicht Fußball spielte, packte er mit an. „Ich habe meinem Vater immer in der Gärtnerei geholfen. Umgraben, Gestecke binden, das ganze Programm. Ich habe hart gearbeitet“, sagt er. Als er elf war, siedelte seine Familie von Polen über in die DDR. In Halle begann Dariusz Wosz‘ Vereinskarriere. Seine Einstellung zur Arbeit behielt er bei.

Dariusz Wosz stieg 2002 mit dem VfL Bochum in die Bundesliga auf

Bis heute mache er im Haus und im Garten alles selbst, sagt er. „Ich könnte stundenlang bügeln. Letztens habe ich drei Stunden lang gebügelt.“ Die Jugend heute wachse anders auf. „Ich sehe das an meinem Jungen. Der ist neun und kriegt schon Rückenprobleme, wenn er staubsaugt.“ Sein Freund Stefan Wintermeyer, der ihm in seiner Karriere beratend zur Seite stand, nenne die Jugend die „Pommes-Generation“. „Ich finde, er hat recht. Wenn ich zum Beispiel höre, dass junge Spieler einen Fahrdienst brauchen, obwohl sie im selben Ort wohnen, sage ich ihnen: Wenn ich die Straßenbahn nicht bekommen habe, bin ich zum Training gerannt.“

2013 assistierte Dariusz Wosz mit Thomas Reis (Mitte) Cheftrainer Peter Neururer (rechts).
2013 assistierte Dariusz Wosz mit Thomas Reis (Mitte) Cheftrainer Peter Neururer (rechts). © Imago

Wosz und Bochum, das passt. Insgesamt 380 Spiele hat er für den Revierklub bestritten. Unter dem sachlichen Toppmöller feierte er große Erfolge, wurde er zum gesamtdeutschen Nationalspieler. Unter dem menschlichen Peter Neururer erlebte er den spektakulären Bundesliga-Aufstieg 2002 mit – mit Reis und dem heutigen Sport-Geschäftsführer Sebastian Schindzielorz. Als Trainer musste Dariusz Wosz auch den jüngsten Tiefpunkt verkraften: 2010 stieg er als Interimscoach mit dem VfL in die Zweite Liga ab.

Ein Koffer voller Geld - wie Dariusz Wosz beim VfL Bochum landete

Aber warum Bochum, die Arbeiterstadt tief im Westen? Die Geschichte seines Wechsels 1992 vom Halleschen FC zum VfL Bochum ist kompliziert, und Wosz kann sie am besten erzählen: „Mein Freund Stefan Wintermeyer stand mit einem Koffer voller Geld vor dem Stadion. Ich hab ihm gesagt, er soll sich das Geld sonstwohin schieben. Ich hab gar nicht reingeschaut. Ich sollte für 800.000 Mark wechseln. Wir trafen uns am Tegernsee, um mit Klaus Hilpert (damaliger VfL-Manager, Anm. d. Red.) zu sprechen. Das kannte ich gar nicht: Ein Fünf-Sterne-Hotel mit eigenem Schwimmbad und allem erdenklichen Luxus. Ich habe einen Vorvertrag unterschrieben. Dann hat sich ein halbes Jahr lang niemand gemeldet. Inzwischen wollten mich Schalke, der Hamburger SV und Monaco haben. Die wollten sogar fünf Millionen zahlen. Der Manager von Halle wollte mit mir verhandeln. Aus Bochum hörte ich nichts. Ich war enttäuscht und wollte nicht mehr. Ich sollte 1,5 Millionen Mark Strafe zahlen. Vor dem DFB-Sportgericht wurde dann entschieden, dass Bochum 1,2 Millionen Mark Ablöse zahlen muss und ich wechselte.“

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Fügung, Schicksal? Oder Liebe auf den zweiten Blick? Dariusz Wosz verließ die Stadt noch einmal, wechselte 1998 zu Hertha BSC. In der Millionen-Metropole erlebte er die Champions League, den Ruhm, das Mediengewitter. „Wenn du in Berlin irgendwo saßest, kam um 22 Uhr die neueste Ausgabe der Zeitungen mit den persönlichen Storys über dich. Und um 6 Uhr am nächsten Morgen kamen die nächsten. Am Anfang war das schön, aber nachher hat das genervt.“ Nach drei Jahren kehrte Wosz dahin zurück, wo er sich wohlfühlt. Wo Respekt noch immer mehr als ein Slogan ist. Seine früheren Trainer Klaus Toppmöller und Peter Neururer siezt Dariusz Wosz bis heute.