Bochum. . Vor einem Jahr kämpfte der VfL Bochum noch gegen den Abstieg. Nach dem Sieg gegen Darmstadt ist das Team von Trainer Reis Aufstiegskandidat.

Als Trainer Thomas Reis vor zwölf Monaten sein Zweitliga-Team auf den Abstiegskampf einschwor, steckte der VfL Bochum noch tief im Schlamassel. Mit einer Mannschaft, die oft Führungen verspielte, die defensiv wackelte, die nach Rückschlägen zusammenbrach, die keine Einheit war. „Da hat sich schon etwas verändert“, sagte Thomas Reis ein Jahr später, nach dem 2:1-Sieg des VfL gegen den SV Darmstadt 98 zum Auftakt 2021. Der Coach stellte nach dem etwas glücklichen, aber auch nicht unverdienten Erfolg, dem vierten Heimsieg in Serie, den Charakter seines Teams heraus: „Die Mannschaft lässt sich nicht aus der Bahn werfen. Da ist etwas zusammengewachsen“, lobte der 47-Jährige. Der VfL 2021 ist kein Abstiegskandidat mehr. Er ist ein Aufstiegsanwärter.

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Zu sehen auch am Samstag, beim ersten Spiel des neuen Jahres. Nach 79 meist nur bis in Strafraumnähe ansehnlichen und intensiven, aber selten zwingenden Minuten mit zwei starken Defensivreihen waren die Lilien durch einen Freistoß-Treffer von Tobias Kempe in Führung gegangen. Nur drei Minuten später aber unterlief letztlich Kempe nach einer Flanke von Robert Zulj ein Eigentor, und wiederum keine zwei Minuten später erzielte der eingewechselte Milos Pantovic nach Pass des direkt zuvor eingewechselten Herbert Bockhorn den umjubelten 2:1-Siegtreffer.

VfL Bochum: Thomas Reis lobt die Mentalität der Mannschaft

Zwei Joker stechen, Spiel gedreht in der 82. und 84. Minute, welch eine Dramaturgie. „Nach dem Rückstand hat sich die Mannschaft nicht beirren lassen, sie hat alles nach vorne geworfen und sich mit zwei Toren innerhalb kürzester Zeit belohnt“, sagte Reis. „Die Mentalität und die Einstellung haben gestimmt. Solche Spiele musst Du erst mal gewinnen, denn Darmstadt ist ein sehr unangenehmer Gegner.“

Großer Jubel bei Thomas Reis, dem Trainer des VfL Bochum.
Großer Jubel bei Thomas Reis, dem Trainer des VfL Bochum. © FUNKE Foto Services | Udo Kreikenbohm

So sah es auch Sebastian Schindzielorz: „Es war ein zähes Spiel in der ersten Halbzeit mit wenigen Torchancen“, analysierte der Geschäftsführer Sport. „Aber es war grandios, wie die Mannschaft noch mal zurückgekommen ist in der Kürze der Zeit mit dem Doppelschlag. Da hat die Mannschaft erneut gezeigt, dass sie nicht aufgibt, dass sie will.“

Wie schon im letzten Spiel des Vorjahres, am Abend vor Heiligabend, als der VfL im Pokal beim Bundesligisten FSV Mainz nach einem 0:2 noch ausgleichen und letztlich im Elfmeterschießen gewinnen konnte. Diese Mentalität, den Glauben an die eigene Kraft strichen auch die Spieler heraus. „Chapeau, das ist dann schon auch Qualität“, sagte Torwart Manuel Riemann bei Sky, und Außenstürmer Danny Blum meinte: „Dass wir so zurückkommen, ist schon sensationell. Das zeigt unsere Nehmerqualitäten. Es war ein sehr wichtiger Heimsieg.“

VfL Bochum: Die Joker bringen die Wende

Ein Heimsieg, der Bochum vor den Sonntagsspielen auf Rang zwei spülte in der Tabelle. Auf einen Aufstiegsplatz. Doch dieses Thema halten weiterhin alle Spieler, Trainer, Verantwortliche so klein wie möglich. Milos Pantovic, der Siegtorschütze, wurde nach dem 2:1 fast erdrückt von seinen Kollegen. Nach dem Spiel war er die personifizierte Bodenständigkeit. „Wir sind alle gut beraten, wenn wir weiter von Spiel zu Spiel gucken“, sagte er bei Sky. „Ich weiß noch, wo wir vor einem Jahr standen. Wir machen eine sehr gute Entwicklung unter dem Trainer“, meinte Pantovic und blickte kämpferisch auf die kommenden Partien, allein fünf sind es noch im Januar: „Es kommen jetzt ganz entscheidende Wochen. Jeder der spielt, muss abliefern“, so Pantovic, der zurzeit „nur“ die Jokerrolle einnehmen darf.

Reis hatte ihn direkt nach dem 0:1 eingewechselt, nach dem 1:1 kam Bochkorn und bereitete das 2:1 mit seiner ersten Aktion mustergültig vor. Die Sprintertypen Holtmann und Blum hatte er ausgewechselt. Er wollte nochmal neue Impulse setzen, erklärte Reis auf Nachfrage dieser Redaktion, und „zwei Spieler reinbringen, die andere Qualitäten haben, die nicht von der 100prozentigen Dynamik leben. Das macht die Mannschaft sehr interessant, das macht sie sehr gut“, stellte er das große Ganze heraus. „Wir wollen hier etwas entstehen lassen und als Mannschaft zusammen wachsen. Das bedeutet auch, dass die Spieler, die im Moment weniger Einsatzzeit haben, Vollgas geben, wenn sie reinkommen. Mir ist wichtig, dass wir als Team funktionieren.“ Wie in Mainz, als fast alle Führungsspieler im Laufe der Pokalpartie samt Verlängerung ausgewechselt werden mussten oder die Rote Karte gesehen hatten (Riemann) – und der VfL trotzdem gewann.

Reis wusste aber schon kurz nach dem Erfolg gegen Darmstadt sachlich einzuordnen, dass solchen Kraftakten nicht immer ein Happy End folgt. Der Trainer legte den Finger auch in die Wunde des Spiels. Es haperte im letzten Drittel, beim letzten Pass in der Box. Es gab zu wenig Läufe in die Tiefe, die schnellen Außen Holtmann und Blum brachen zu oft ab statt ins eins gegen eins zu gehen. Sein Team, so Reis, habe trotz eines Chancenplus‘ offensiv lange Zeit nicht das umgesetzt, „was wir uns vorgenommen haben nach den Videoanalysen. Fußballerisch können wir nicht hundertprozentig zufrieden sein.“

VfL Bochum: Armel Bella-Kotchap ragt defensiv heraus

Defensiv indes überzeugten beide Mannschaften, lediglich ein paar Minuten nach der Pause hatte Bochum kurz die Ordnung verloren. Beim VfL ragte dabei Armel Bella-Kotchap in der Innenverteidigung heraus. Auch Maxim Leitsch überzeugte, und im defensiven Mittelfeldzentrum eroberte Robert Tesche viele Bälle und kurbelte das Spiel auch immer wieder mit an.

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Ein wenig „das geile Gefühl“ dieses Erfolges genießen, dann ‚runterfahren und den Fokus auf das nächste Spiel legen, das ist nun die Devise, wie Kapitän Anthony Losilla sagte. Weiter geht es für die Bochumer kommende Woche Sonntag beim SSV Jahn Regensburg. Erstmals in dieser Saison nicht dabei sein wird Cristian Gamboa. Der Rechtsverteidiger ist nach der fünften Gelben Karte gesperrt. Möglich, dass dann der flexibel einsetzbare Herbert Bockhorn für ihn verteidigt.

Gegen Darmstadt kam er als Linksaußen ins Spiel. Doch auch der 26-Jährige stellte den Teamgeist heraus, ebenso wie Schütze Pantovic („Wer das Tor macht, ist egal“): „Ich freue mich über den Sieg für die Mannschaft und über meinen Assist“, sagte Bockhorn. „Die Mannschaft hat meine Torvorlage auch 80 Minuten lang vorbereitet. Sie hat geackert, sie hat gekämpft. So kann es weitergehen.“​