Bochum. Bochums Trainer Thomas Reis bezieht am Tag nach dem 4:4 gegen Sandhausen gegenüber dieser Redaktion Stellung zu den Toren und zu seinen Wechseln.

Mit 45 Gegentoren, davon 27 daheim, führt der VfL Bochum diese Statistik in der 2. Liga an. Trainer Thomas Reis bezieht nach dem 4:4 gegen Sandhausen Stellung.

Grundsätzlich, betonte der Trainer, habe man zu viele Standardsituationen zugelassen und zu oft zu spät geschaltet. Und: „Wir waren zu naiv“, sagte Reis. Dass etwa Aziz Bouhaddouz ein Foul herausholt, wenn man es ihm anbietet, sei bekannt gewesen, immer wieder tappten die Bochumer in diese Falle. Und umgekehrt blieben sie standhaft. Vitaly Janelt zum Beispiel, als er in den Strafraum eingedrungen war, oder Silvere Ganvoula, dem auch Schläge in den Rücken nichts auszumachen scheinen. Das kann man loben – für den Erfolg ist es nicht immer dienlich.

Auch Ganvoula und Gamboa leisten sich zu viele Fehler

Bei den Gegentoren Sündenböcke zu suchen, wäre zu einfach, auch andere Spieler wie Cristian Gamboa schließlich gönnten sich Fehler, die dann aber nicht zu Gegentoren führten. Oder verpassten eine noch klarere Führung, Silvere Ganvoula vergab mindestens zwei Hundertprozentige. Thomas Reis selbst nennt öffentlich keine Namen. Er kann es sich auch nicht leisten, Profis öffentlich zur Schau zu stellen, die er in den nächsten Wochen dringend braucht im Kampf gegen den Abstieg. Etliche denkbare Alternativen drängen sich ja kaum auf, zu sehen zuletzt im Training am Montag.

So erklären sich die vier Gegentore gegen Sandhausen: das 1:2

Saulo Decarli (r.) sah oft nicht gut aus gegen den SV Sandhausen.
Saulo Decarli (r.) sah oft nicht gut aus gegen den SV Sandhausen. © firo Sportphoto | firo Sportphoto/Ralf Ibing

Konkret fielen alle vier Gegentore nach einer Kette von Fehlern.

Das 1:2. Maxim Leitsch verunglückte ein leichtsinniger Pass im Strafraum, den Saulo Decarli ebenfalls etwas unglücklich zum Schützen Julius Biada weiterleitete. Der wurde bereits nach dem Einwurf zuvor von Anthony Losilla aus den Augen verloren, am Ende kam auch Danny Blum einen Schritt zu spät.

Das 2:2: Kuriose Mauer ist letztlich nicht entscheidend

Saulo Decarli grätschte nach einem Konter den Ball in höchster Not in die Mitte, wo Biadi gedankenschneller geschaltet und deshalb Leitsch enteilt war. Leitsch zog das Foul. Beim Freistoß postierte Manuel Riemann die Mauer auf Lücke. Links vier Mann, rechts vier Mann, in der Mitte zwei Sandhausener, die vor dem Schuss dann den Weg und zugleich das Blickfeld für Riemann freimachten. „Grundsätzlich entscheidet das der Torwart“, sagte Reis und betonte, dass diese ungewohnte Positionierung der Mauer nicht ursächlich für das 2:2 war.

Auch Maxim Leitsch hatte gegen Sandhausen keinen guten Tag erwischt.
Auch Maxim Leitsch hatte gegen Sandhausen keinen guten Tag erwischt. © WAZ FotoPool | Udo Kreikenbohm

Der Anlauf von Biada, erklärte der Fußball-Lehrer, war flott und geradlinig, ein Schlenzer über die Mauer damit nahezu ausgeschlossen, ein harter (Flach-)Schuss naheliegend. Eine Frage der Aufmerksamkeit. Die Mauer also hätte nicht springen dürfen. Cristian Gamboa und Saulo Decarli aber sprangen, und der Ball rauschte unter den Beinen Decarlis hindurch ins linke Eck.

Das 3:4: Pantovic macht eine unglückliche Figur

Milos Pantovic sprang nach einer Ecke der Ball an den Arm, er machte dabei eine unglückliche Figur. Handelfmeter, Teil eins.

Das 4:4: Und wieder sind gleich drei Profis direkt beteiligt

Das 4:4. Zunächst gab es einen Freistoß, den man nicht hätte pfeifen, aber auch nicht verursachen müssen: Robert Tesche hätte zunächst zum Kopfball steigen und danach Saulo Decarli Bouhaddouz auch im Ansatz nicht foulen müssen. Nach dem Freistoß, einem langen Ball in den Strafraum, köpfte Tesche dann den Ball weitgehend unbedrängt an den Arm des vor ihm herfliegenden Anthony Losilla.

Der Kapitän zeigte gegen Sandhausen wie immer vollen Einsatz – mitunter wurde Losilla dies aber am Sonntag auch zum Verhängnis. Der SVS verwandelte beide Strafstöße sicher und bekam noch einen Eckball, der ungesühnt blieb. Simon Lorenz hatte unbedrängt den Ball ins Aus befördert.

Das sagt Trainer Reis zu seinen Wechseln

Enttäuschung nach dem Schlusspfiff: Milos Pantovic, Vitaly Janelt, und Anthony Losilla.
Enttäuschung nach dem Schlusspfiff: Milos Pantovic, Vitaly Janelt, und Anthony Losilla. © firo Sportphoto | iro Sportphoto/Ralf Ibing

Lorenz zählte zu den drei eingewechselten Spielern, und in den so genannten sozialen Medien hatten viele Fans an den Wechseln von Reis viel auszusetzen. Zu defensiv, zu destruktiv, so bettelt man um Gegentore, so der Tenor. Der Trainer verteidigte im Gespräch mit dieser Redaktion seine Maßnahmen.

Pantovic für Blum: Auch eine Folge der Wadenprobleme

In Minute 79 wechselte der VfL-Coach Danny Blum aus, den dreimaligen Torschützen. Blum war platt, „er hatte Wadenprobleme“, erklärte Reis. Für ihn kam Milos Pantovic. Positionsgetreu. Er hatte den Vorzug erhalten vor Tom Weilandt, der wegen Rückenproblemen einige Einheiten verpasst hatte.

Zulj für Ganvoula: Der Österreicher ist körperlich robust

In Minute 86 verließ der glücklose Silvere Ganvoula das Feld. Für ihn kam Robert Zulj. Kein Stürmer, aber eine Offensivkraft, körperlich robust, groß gewachsen, torgefährlich und nach eigener Einschätzung einer, „der immer den Ball haben will“, so Zulj im Trainingslager in Spanien im Januar.

Lorenz für Osei-Tutu: Der Verteidiger sollte Kopfballstärke zeigen

In der 90. Minute ersetzte dann Lorenz, ein Innenverteidiger, Osei-Tutu, den flinken Rechtsaußen, der einst als Rechtsverteidiger geholt worden war, der eine Belebung für die Offensive und an drei Treffern direkt beteiligt war. Zum einen ging es Reis darum, ein paar Sekunden von der Uhr zu nehmen bei einer 4:3-Führung. Zum anderen wollte er „gegen die langen Bälle nach vorne von Sandhausen einen kopfballstarken Spieler“ bringen, um „die Führung zu verteidigen“. Die Wechsel, meinte Reis, „waren sicherlich nicht entscheidend für die gefühlte Niederlage“.

Jordi Osei-Tutu zeigte eine gute Partie, er war an drei Treffern des VfL beteiligt.
Jordi Osei-Tutu zeigte eine gute Partie, er war an drei Treffern des VfL beteiligt. © WAZ FotoPool | Udo Kreikenbohm

Unterm Strich steht: Viele Fehler – viele Gegentore. Die Alternativen?Würde Lorenz in der 2. Liga zeigen, was er mitunter im Training zeigt, wäre er sicher eine Alternative zu Decarli, der seine Stammplatzgarantie der letzten Wochen wohl erst einmal los ist. Was nicht heißt, dass Decarli in Darmstadt nicht spielt. Thomas Reis will auch in dieser Woche wieder genau hinsehen, wer mitzieht und wer nicht, wer stabil erscheint und wer nicht. Er wird belohnen und womöglich abstrafen.

Zoller kehrt ins Training zurück

Bei Danny Blum etwa hat diese Methode funktioniert, der Linksaußen präsentierte sich nach zwei Partien ohne Startelf-Einsatz gegen Stuttgart gut und in Dresden und gegen Sandhausen in überragender Verfassung. Auch Jordi Osei-Tutu hat sein Tief überwunden, „er hat es im Training in den letzten Wochen gut gemacht“, lobte Reis. Osei-Tutu war offensiv eine Belebung. Kehrt Simon Zoller, ein Führungsspieler, nach seiner Erkrankung fit genug zurück, muss der Trainer abwägen, wer ihm in Darmstadt am Samstag wichtiger ist. Oder er setzt beide ein: Zoller könnte auch zentraler agieren, dann müsste wohl einer der defensiveren Mittelfeldspieler (Janelt, Losilla, Tesche) auf die Bank.

Reis fordert einen selbstbewussten Auftritt in Darmstadt

In jedem Fall gelte es, „nach vorne zu schauen“, sagte Reis und verweist auch die positiven Fakten des Spieltages: Auf den Karlsruher SC, den Tabellensechzehnten, und Wehen-Wiesbaden, den Siebzehnten, hat Bochum einen Punkt gut gemacht. Reis sagt: „Wir wollten mehr Punkte gut machen, das ist uns nicht gelungen. Jetzt geht es in Darmstadt weiter. Wir haben die letzten beiden Auswärtsspiele gewonnen und können daher auch dort selbstbewusst antreten.“