Jerez de la Frontera/Spanien. Das Trainingslager des VfL Bochum in Spanien ist beendet. Auch die Führungskräfte ziehen Bilanz und finden klare Worte.
Das einwöchige Trainingslager des VfL Bochum in Südspanien ist beendet, vor Ort waren auch der Vorstandsvorsitzende des Vereins, Hans-Peter Villis, sein Stellvertreter Martin Kree und der Sprecher der Geschäftsführung, Ilja Kaenzig. Die drei Führungskräfte des Zweitligisten äußerten sich im Mannschaftshotel Barcelo Montecastillo im Gespräch mit WAZ-Reporter Ralf Ritter über die Saison, Transfers, finanzielle Mittel und Investoren.
Herr Villis, Sie waren vom ersten Tag an vor Ort. Ist die Basis für den Klassenerhalt gelegt?
Hans-Peter Villis: Man merkt, dass die Mannschaft zusammenwächst. Trainer Thomas Reis forciert das Thema Teambuilding, in den Einheiten ging es ordentlich zur Sache. Der absolute Wille ist zu spüren, wobei dies auch eine Grundvoraussetzung für Profis ist.
Herr Kree, Sie treten als Vizepräsident öffentlich selten in Erscheinung. Jetzt können Sie sich austoben. Was lief schief in der Hinrunde?
Martin Kree: Wir diskutieren intern sehr viel und kontrovers, am Ende gibt es mit Hans-Peter Villis einen Sprecher der Vereinsführung, der die Meinung des Gremiums nach außen vertritt. Wir haben in der bisherigen Saison zu viele, zu einfache Gegentore bekommen. Auch in Spielen, in die wir gut reingekommen sind, sind wir durch ein Gegentor aus dem Tritt gekommen. Es fehlte dann an Selbstvertrauen, die Spiele zu drehen. Die Tore, die du frisst, haben nicht nur die Abwehrspieler zu verantworten. Das Defensivverhalten fängt vorne an, wir müssen die Wege klein halten als gesamtes Team. Das haben wir in einigen Spielen schlecht gemacht. Aber wir haben beschlossen, dass das jetzt anders wird. (lacht) Einstimmig.
Wie wichtig ist ein guter Auftakt?
Martin Kree: Wenn uns der Start ins neue Jahr mit den Spielen gegen die Topteams Bielefeld, Hamburg, Stuttgart gelingt, kann uns das neu geholte Selbstvertrauen auch durch die weitere Saison tragen. Dafür muss die Mannschaft aber ein anderes Gesicht zeigen als in vielen Partien bisher. Die Mannschaft muss sich finden, dieses Trainingslager ist ein weiterer Schritt dahin. Wir haben aber auch erkannt, dass die Mannschaft ergänzt werden muss.
Mit Robert Zulj ist der erste Zugang eingetroffen. Die Baustelle Abwehr ist aber noch nicht geschlossen. Ist denn Geld für ein, zwei Transfers vorhanden, Herr Kaenzig?
Ilja Kaenzig: Geld ist nie da, das ist typisch für den VfL und fast die gesamte 2. Liga. Geld, das da ist, wird sofort ausgegeben. Trotzdem werden wir uns weiter verstärken, das ist Teil des Spiels. Es ist unsere Aufgabe, Lösungen zu finden, um Geld zu generieren. Wir werden so viel investieren, wie es nötig ist, um den Klassenerhalt zu schaffen.
Hans-Peter Villis: Wir haben finanziell eine deutlich höhere Flexibilität als noch vor vier, fünf Jahren. Damals ging gar nichts, da wären Transfers wie der von Simon Zoller im letzten Winter oder jetzt von Robert Zulj undenkbar gewesen.
Kommt noch wenigstens ein Verteidiger?
Martin Kree: Das Präsidium und die für die Finanzen zuständige Geschäftsführung schaffen die Voraussetzungen, dass noch etwas passiert. Es ist dann die Aufgabe der Sportlichen Leitung, den passenden Mann zu finden. Hier laufen die Gespräche. Grundsätzlich sind Transfers von Spielern, die sofort weiterhelfen können, in der Winterperiode extrem schwierig, man muss Geduld haben. Auch finanziell klaffen zwischen den Ansprüchen etwa eines Erstliga-Spielers, der dort nicht zum Zug kommt, und einem Zweitligisten wie dem VfL Lücken. Aber es wird mit Hochdruck an einer Verstärkung gearbeitet, und wir sind guter Dinge, dass es klappt. Die vielen Gegentore zeigen, dass wir an dem Thema gar nicht vorbeikommen.
Fokussiert sich die weitere Suche auf einen gestandenen Innenverteidiger?
Hans-Peter Villis: Wie mein Kollege soeben gesagt hat, ist es unsere Aufgabe, die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen zu schaffen. Die sportliche Thematik obliegt Sebastian Schindzielorz, der zu etwaigen Personalentscheidungen dann Auskunft gibt, wenn sie spruchreif sind.
Der VfL hat einen großen Kader, unter anderem mit Robin Dutt einen weiter zu bezahlenden Ex-Trainer, er muss in Zugänge investieren. Ist der Verein finanziell trotzdem noch gesund?
Ilja Kaenzig: Einen Trainerwechsel muss ja jeder Verein vor der Saison mit einkalkulieren. Unsere Mannschaft ist nicht zu teuer, mit einem Lizenzspieleretat von 12,1 Millionen Euro liegen wir im hinteren Mittelfeld der 2. Liga, er macht bei uns nur ein Drittel des Gesamtumsatzes aus, bei manchen anderen Vereinen sind es 60 Prozent. Die allgemeine Explosion der Gehälter, auch in der 2. Liga, machen wir nicht mit. Alle unsere Wachstumsindikatoren sind positiv, wir brechen immer wieder Rekorde, wie zuletzt beim Dauerkartenverkauf auch für die Rückrunde – trotz der sportlichen Lage. Dass die sportliche Stabilität fehlt, ist unbestritten. Wenn die noch eintritt, kann es auch wirtschaftlich einen weiteren Schub geben.
Im März müssen die Lizenzierungsunterlagen für 2020/21 eingereicht werden, grundsätzlich soll sich der VfL, so ein Kernziel, in jedem Jahr weiter entschulden. Ist dieses Ziel jetzt in Gefahr?
Ilja Kaenzig: Wir müssen noch abwarten, wie stark uns die Wintertransferperiode belasten wird. Beim TV-Geld werden wir im Vergleich zum Vorjahr etwas verlieren, das ist absehbar. Es kann sein, dass wir beim Entschuldungsprozess einmal aussetzen müssen. Wichtiger ist es jetzt, sportlich nicht abzustürzen.
Helfen könnte vielleicht ein Investor...
Ilja Kaenzig: Eine Entschuldung ist nur über große Transfers möglich. Transfers finanzieren Klubs, nicht Investoren.
Martin Kree: Der VfL muss sich, wie viele andere auch, als Ausbildungsverein sehen, der über Toptransfers Geld generiert.
Ilja Kaenzig: Die zuletzt längerfristig abgeschlossenen Verträge mit unseren Spielern wie Silvère Ganvoula oder Armel Bella-Kotchap sind der richtige Weg. Nur die Vereine, die im Transferbereich profitieren, werden sich halten können. Selbst wenn ein Investor käme, ginge es nicht um einen höheren, sondern um einen stabileren Lizenzetat. Die Mittel könnten unter anderem helfen, Schwankungen im Transfer- und TV-Geld-Bereich auszugleichen.
2018 wurde die Ausgliederung beschlossen, 2019 erklärten Sie, Herr Villis, auf der Mitgliederversammlung, dass es Interessenten gebe. Manche Mitglieder fühlen sich veräppelt.
Hans-Peter Villis: Die Gespräche laufen weiter. Aber wir werden uns erst öffentlich äußern, wenn der gesamte Prozess abgeschlossen ist. Über 80 Prozent der damals anwesenden Mitglieder haben uns das Vertrauen gegeben, mit Bedacht einen passenden Investor zu finden. Manche dachten damals, er stünde schon parat. Das haben wir aber nie gesagt, das war auch nie der Fall. Wir haben klare Kriterien. Zum Beispiel darf ein Investor kein Mitspracherecht in der sportlichen Führung haben, er erhält maximal einen Sitz im Aufsichtsrat. Ein Investor soll letztlich an der Entwicklung der Mannschaft partizipieren. Diese Voraussetzungen lassen sich allerdings am ehesten in der Bundesliga umsetzen.
Martin Kree: Es darf keinen Schnellschuss geben, diesen Auftrag haben uns die Mitglieder mit großer Mehrheit auf den Weg gegeben. Wir suchen in Ruhe den optimalen Partner, lassen uns nicht treiben. Damit steht der VfL nicht alleine da. Der Markt ist nicht groß, für keinen Zweitliga-Verein.
Ilja Kaenzig: Wir stehen national und international absolut im Wettbewerb. Der FC Liverpool zum Beispiel war drei Jahre lang auf Welttournee und hat dann doch erst einmal den ‚Falschen‘ gefunden. Derby County sucht seit zwei Jahren. Das Thema Investorensuche ist sehr komplex, es wird oft zu vereinfacht wahrgenommen, das wird seiner Bedeutung nicht gerecht. Der VfL Bochum zählt in der Bewertung zu einem der teuersten Zweitliga-Klubs. Die Story, die Bereitschaft, das Timing, viele Faktoren müssen zu 100 Prozent passen. Wir wollen keine dubiosen Partner, es gibt eine Reihe von klaren Ausschlusskriterien. Einen Spieler kann man holen und wieder abgeben. Ein Investor aber bleibt.