Bochum. Das Bochumer Pokalspiel gegen Bayern sehen Ata Lameck und Hermann Gerland auf der Stadion-Couch. Im Interview schwärmen die Legenden vom Revier.

„Der Ata muss sich noch schminken“, sagt Hermann Gerland (65) zur Begrüßung und lacht. Als Michael „Ata“ Lameck (70) etwas später dazustößt, sitzen beide in der Kabine im Bochumer Ruhrstadion, in der sich die VfL-Legenden früher gemeinsam vor den Fußballspielen umgezogen haben. Hier in Bochum erlebten sie 1976 auch die legendäre 5:6-Niederlage des VfL gegen den großen FC Bayern. Gerland zog es später nach München, wo er bei den Bayern als Talentförderer ebenfalls zur Ikone reifte. Den Vorstandvorsitzenden Karl-Heinz Rummenigge nennt er deswegen freundschaftlich „Kalle“. Präsident Uli Hoeneß ist der „Uli“. Und Michael Lameck natürlich der „Ata“.

Am Dienstag (20 Uhr/Sport1) verfolgen Gerland und Lameck Bochums Auftritt in der zweiten Runde des DFB-Pokals gegen den FC Bayern auf der Couch. Im Stadion.

Herr Gerland, Herr Lameck, zu Beginn müssen wir über die elf Tore 1976 in Bochum reden.

Hermann Gerland: Das kann ich nicht mehr hören.

Wieso?

Gerland: Auf jeder Feier des FC Bayern fragen mich der Kalle oder der Uli, wie das denn damals war, als sie uns vier Tore Vorsprung gelassen haben. So wollen sie mich ärgern.

Wie war es denn?

Gerland: Es war natürlich ein interessantes Spiel, aber ein trauriger Ausgang für uns. Wir hätten sogar höher führen müssen.

Besonderer Kabinenplatz: Die Reporter Marian Laske (von links) und Andreas Ernst sprechen im Stadion mit Gerland und Lameck.
Besonderer Kabinenplatz: Die Reporter Marian Laske (von links) und Andreas Ernst sprechen im Stadion mit Gerland und Lameck.

Michael Lameck: Wir haben allerdings gegen eine Weltklassemannschaft gespielt. Es war deswegen schon etwas Besonderes, dass wir als kleiner VfL Bochum so hoch geführt haben. Nur wir wollten dann alle auf einmal Tore schießen.

Gerland: Seitdem weiß ich auf jeden Fall, dass im Fußball alles passieren kann. Deswegen bin ich immer nervös, egal, wie hoch wir führen.

Wird die Partie am Dienstag ähnlich spektakulär?

Lameck: Es wird schwierig, das wissen wir alle. Aber wenn es lange unentschieden steht, kullert vielleicht mal ein Ball bei den Bayern ins Tor.

Gerland: Wir sind der Favorit. Aber wenn das Ergebnis schon vor dem Anpfiff klar wäre, bräuchte man ja nicht zu spielen. Die Bochumer lechzen nach so einem Spiel. Alle fiebern mit. Deswegen ist alles möglich.

Herr Gerland, wenn Sie „Wir“ sagen, meinen Sie dann den FC Bayern München?

Gerland: Ja. Ich arbeite mittlerweile deutlich länger in München als in Bochum. Aber wenn Bayern nicht im Spiel ist, dann meine ich mit „Wir“ immer den VfL Bochum.

Sie saßen früher hier in der Kabine nebeneinander. Wie muss man sich das vorstellen?

Gerland: Der Ata hat sich immer seine Füße blau angestrichen, weil er Fußpilz hatte. Ich habe immer gesagt: ,Wenn ich die Krätze auch kriege, dann gibt es Theater.‘

Lameck: Wir haben uns immer gut verstanden. Wir waren der kleine VfL Bochum, der Außenseiter, das hat uns zusammengeschweißt. Deswegen sind wir nie abgestiegen.

Gerland: Es gab damals aber zwei Gruppen. Die Einheimischen und die Millionäre. Ata, Du warst bei den Millionären.

Obwohl Herr Lameck in Essen geboren wurde, galt er damals nicht als Einheimischer?

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Gerland: Damals stammten ja noch viele aus Bochum in der Mannschaft. Und wenn der Trainer mal Dampf wollte, dann haben die Einheimischen gegen die Millionäre gespielt. Da ging es heiß her.

Lameck: Quatsch. Wir hatten kein Problem mit der Gurkentruppe.

Sind sie früher häufig gemeinsam um die Häuser gezogen?

Gerland: Ich war meistens zu Hause. Zu mir haben sie immer gesagt, du bist so häufig verletzt, weil du kein Bier trinkst. Ich trinke keinen Alkohol.

Lameck: Wir haben uns jeden Tag auf dem Platz gesehen, da wollte man manchmal seine Ruhe haben. Das ist, als wenn man acht Stunden gemeinsam im Büro sitzt.

Herr Gerland, was fühlen Sie, wenn Sie nun Bochum besuchen?

Lameck: Also die Metzgerei Drees hier um die Ecke ist auf jeden Fall besser als manches Edel-Restaurant in München. Oder?

Gerland: Wenn ich dahingehe, dann kommt der Willi aus der Wurstküche und begrüßt mich. Hier ist einfach meine Heimat. Auch wenn ich durch die Stadt gehe, werde ich häufig angesprochen.

Wenn Bochum Ihre Heimat ist, was ist dann München?

Gerland: In München bin ich zu Hause. Die Isar ist schöner als die Ruhr, aber ich bin trotzdem gerne an der Ruhr. Da sind die Berge, hier sind die Schornsteine. Ich fühle mich an beiden Orten wohl. Ich muss eine Geschichte erzählen.

Gerne.

Gerland: Wir helfen in München einem syrischen Jungen. Osama, er hat auf der Flucht ein Bein verloren. Der Uli hat ihm beim FC Bayern eine Ausbildung vermittelt. Einmal habe ich ihn mit nach Bochum genommen, da hat er mir anschließend gesagt: ,Herr Gerland, alle Menschen sind so nett in Bochum.‘

Und wie bringen Sie ihren Enkelkindern Bochum nahe?

Gerland: Die waren schon häufig hier. Sie haben alle schon ein Foto gemacht, als sie den Opa an der Säule im Stadion gesehen haben.

Was bedeutet es Ihnen, in Bochum als Legende auf einer Säule abgebildet zu sein?

Gerland: Das ist schön, weil ich nie der beste Spieler war. Aber ich habe immer gekämpft, alles gegeben.

Gibt es bei den Bayern und dem VfL vielleicht sogar Gemeinsamkeiten?

Lameck: Beide spielen mit einem Fußball, der Platz ist genauso groß. Nein im Ernst, Bayern und Bochum sind zwei ganz verschiedene Welten.

Gerland: Der FC Bayern ist außerdem noch viel familiärer, als viele denken. Wenn wir Meister werden, kriegt jeder Angestellte ein zusätzliches Gehalt. Der Klub kümmert sich um seine ehemaligen Spieler. Ich bin vor vier Jahren zum Kalle gegangen und habe ihm gesagt, dass es meinem Heimatverein schlecht geht. Deswegen habe ich ihn gefragt, ob wir in Bochum ein Benefizspiel veranstalten können. Und das war kein Problem.

Glauben Sie, dass sich Bochum und Bayern noch mal in der Bundesliga messen?

Gerland: Wir beide sind schon in einem betagteren Alter, von daher dürfte das schwierig werden. Momentan sieht es nicht so aus. Aber ich hätte da großen Spaß dran.

Lameck: Wir müssen in der 2. Bundesliga erstmal unten rauskommen. Das wird schwierig genug.

Herr Gerland, wollte Sie der VfL Bochum eigentlich irgendwann mal zurückholen?

Gerland: Einmal hat mich Martin Kree angerufen …

… der seit sieben Jahren im Aufsichtsrat des VfL Bochum arbeitet.

Gerland: Ich habe mich bedankt für das Angebot. Es gab auch andere Klubs, die sich gemeldet haben. Aber ich bin sehr glücklich beim FC Bayern. Ich bin 65 Jahre alt, fahre meistens mit dem Fahrrad zur Arbeit und mache das jeden Morgen gerne. Eigentlich ist es für mich gar keine Arbeit.

Können Sie sich vorstellen, im Ruhestand zurückzukehren?

Gerland: Das ist noch nicht ganz geklärt. In München leben zwei Enkelsöhne von mir. Und ich denke, so lange ich noch laufen kann, werde ich mich auch auf dem Sportplatz bewegen.

Lameck: Bis der mal wiederkommt, bin ich auf jeden Fall schon in der Kiste.