Bochum. Der VfL Bochum hat einer turbulente Hinrunde erlebt. Wir haben die Ereignisse zusammengetragen. Das ist die Chaos-Chronik des VfL.
19. Juni: Ohne Not lässt Trainer Gertjan Verbeek gleich am ersten Tag der Vorbereitung die Bombe platzen. Er beginnt eine Stunde eher als geplant, anders als nach außen kommuniziert, mit der ersten Trainingseinheit. Fans und Sponsoren sind not amused. Zumal: Der knorrige Niederländer gibt sich uneinsichtig, erklärt einem Journalisten: „Ich bin Ihnen keine Erklärung schuldig.“ Dafür gibt der Verein am Abend eine Erklärung ab. Offenbar hat es eine schwerwiegende Informationspanne im Verein gegeben. Der VfL ist darum bemüht, die Wogen zu glätten und nimmt Verbeek aus der Schusslinie.
20. Juni: Am Tag nach dem von Störgeräuschen begleiteten Trainingsauftakt erfährt diese Redaktion von einer Krisensitzung mit Aufsichtsrat, Vorstand und Trainer. Die Ansage: Die Außendarstellung muss besser werden. In einem Gespräch mit dieser Redaktion sagt Christian Hochstätter später: „Ab diesem Zeitpunkt war etwas anders.“
3. Juli: Der VfL Bochum fährt ins Trainingslager ins niederländische Vaals. Nicht dabei ist Dominik Wydra. Er wechselt nach Aue. Das bedeutet: Beim VfL hat das Reinemachen begonnen. Es ist nach Nils Quaschner der zweite Transfer aus dem Sommer 2016, der leistungsbedingt das Ruhrgebiet verlassen muss.
11. Juli: Zwei Tage nach der Rückkehr aus Vaals geht es für Gertjan Verbeek schon wieder in die Niederlande. Er ist seinen Job als Trainer des VfL Bochum los. Auf ihn folgt Ismail Atalan, der mit dem Drittligisten Sportfreunde Lotte großen Erfolg hatte. Über die Gründe der Entlassung schweigt der Verein zunächst. Allerdings wird schnell klar: Spieler haben sich über Verbeek beschwert.
31. Juli: Der VfL bestreitet das Auftaktspiel der 2. Bundesliga vor eigenem Publikum gegen den FC St. Pauli und kassiert eine 0:1-Niederlage. Das wäre trotz offen propagierter Aufstiegsambitionen erträglicher gewesen, wenn nicht vorher jemand „Punktelieferant“ auf die Rückwand der Gästebank gedruckt hätte. Dieser Bumerang kehrt in den folgenden Wochen immer wieder an die Castroper Straße zurück.
5. August: Im Derby beim Aufsteiger MSV Duisburg holt der VfL mit Mühe und Not einen Punkt. Am gleichen Tag geht das Reinemachen weiter: Der vor der vergangenen Saison mit übergroßen Erwartungen eingekaufte Marco Stiepermann wechselt zum englischen Zweitligisten Norwich City. Der Frust über das Eingeständnis eines Missverständnisses wird davon überdeckt, dass Sportvorstand Christian Hochstätter eine Millionen-Ablöse aushandelt.
21. August: Der Bochumer Fehlstart ist nach dem 0:2 bei Arminia Bielefeld perfekt.
September: Der VfL dümpelt in der Tabelle umher. Siegen gegen Darmstadt und Dresden folgen peinliche Niederlagen gegen Heidenheim und in Kiel.
21. September: Der VfL verliert mit 1:3 in Nürnberg. Felix Bastians muss kurzfristig passen. Die Begründung dafür wird ein paar Wochen später geliefert.
30. September: Nach der 0:3-Auswärtsniederlage bei Aufsteiger Holstein Kiel übernimmt Trainer Ismail Atalan die Verantwortung. Zu diesem Zeitpunkt kann er nicht ahnen, dass längst beschlossen ist, dass dieser Aussage wenig später Gültigkeit verliehen wird.
7. Oktober: Auf der Jahreshauptversammlung stimmen mehr als 80 Prozent der anwesenden Mitglieder für eine Überführung der Abteilung Profi-Fußball in eine Kapitalgesellschaft. Sportvorstand Christian Hochstätter holt eine offizielle Begrüßung Atalans nach: „Herzlich willkommen beim VfL Bochum, Isi.“ Garniert wird diese – zwei Tage später überaus zynisch anmutende – Formulierung mit dem Hinweis, dass es in der 2. Bundesliga doch sehr rau zugehe. Bei Bekanntgabe des Abstimmungsergebnisses randalieren einige Ausgliederungsgegner in der Bochumer Jahrhunderthalle. Sie fürchten, dass der Verein sich selbst abschafft. Als Zeichen der Trauer brennen am Abend vor der Geschäftsstelle Grabkerzen.
9. Oktober: Zwei Tage nach der offiziellen Begrüßung wird Ismail Atalan offiziell verabschiedet. Die 2. Liga war wohl doch zu rau für den netten jungen Trainer, der vom Dorfverein Lotte geholt worden war. Am gleichen Tag wird Kapitän Felix Bastians für zwei Wochen suspendiert. Es ist das Ergebnis eines Streits im Rahmen des Auswärtsspiels in Nürnberg. Dort hatte Bastians offenbar gluten- und laktosehaltige Speisen zu sich genommen. Verantwortlich in den Augen des Bochumer Publikumslieblings: Christian Hochstätter junior, der die Verpflegung vor dem Spiel organisiert hatte. Bastians Behauptung gegenüber dem Filius des Sportvorstandes sowie anderer Betreuer: „Brot kann schimmeln, ihr könnt nichts.“
Diese Details werden im Rahmen einer Pressekonferenz bekanntgegeben. Dabei macht sich der Verein zum Gespött. Anstelle einer Antwort auf die Frage, wie der Verein unter dem neuen Trainer Jens Rasiejewski noch den vor der Saison lauthals propagierten Aufstieg erreichen kann, gibt es im Medienraum eine Diskussion über Butternudeln.
Der Klub versinkt für einige Tage im Chaos. Rasiejewski holt in seinem ersten Spiel als Profi-Trainer zwei, drei Punkte gegen Sandhausen, doch sein Chef muss sich Protestplakate wegen seines umstrittenen Handelns gefallen lassen.
16. November: Die Ultras Bochum verlassen aus Protest gegen das Chaos im Verein ihren Stammplatz in der Ostkurve und ziehen sich auf die Sitzplätze zurück. Das geben sie in einer Erklärung bekannt. Kapitän Bastians nach dem 1:1 im Heimspiel gegen Fürth zwei Tage später: „Es ist traurig, dass wir beim VfL Bochum momentan nicht in einem Boot sitzen.“
29. November: Auf der Plattform „openpetition.de“ fordern Mitglieder des Vereins einen Neuanfang beim VfL. Hintergrund: Die katastrophale Außendarstellung sowie die dramatische sportliche Entwicklung. Personelle Konsequenzen sollen das Ergebnis sein.
8. Dezember: Der Verein gibt bekannt, dass Jens Rasiejewski bis 2019 im Amt bleibt. Was normalerweise Ruhe und Planungssicherheit verschaffen sollte, entpuppt sich als Schlag ins Gesicht einiger Fans, die Sportvorstand Hochstätter vorwerfen, auf einer so immens wichtigen Position einen treuen Gefolgsmann zu installieren. Rasiejewski und Hochstätter sind befreundet.
19. Dezember: Der Kapitän will von Bord, darf aber offenbar nicht. Felix Bastians liebäugelt mit einem Wechsel in der Winterpause. Darmstadt 98 und Fortuna Düsseldorf sind mögliche Ziele, aber auch ein chinesischer Erstligist soll die Fühler nach dem Innenverteidiger ausgestreckt haben. Hochstätter will ihn nicht ziehen lassen. Ein neuer Streit entbrennt.
22. Dezember: Finanzvorstand Wilken Engelbracht gibt seinen Abschied im Sommer 2018 bekannt, die beiden Aufsichtsratsmitglieder Frank Goosen und Matthias Knälmann legen ihre Ämter nieder. Offenbar sind die unterschiedlichen Auffassungen über Zusammenarbeit Grund für diese Entscheidung. (fs)