Bochum. Kultfußballer Peter Közle erinnert sich an die Euphorie 1997 beim VfL Bochum nach dem 6:0 gegen den FC St. Pauli. Wiedersehen am Sonntag.

Langsam kämpfte sich der Mannschaftsbus ins Bermuda-Dreieck vor. Peter Közle wagte einen Vorstoß, er stieg aus. Kurz darauf kam er skeptisch dreinblickend zurück. Dann informierte er die anderen Fußballer des VfL Bochum, die mit ihren Fans in dem Ausgehviertel feiern wollten: „Das könnte hier schwierig werden.“ Es war zu voll. Mit so einem Empfang hatten die Spieler nicht gerechnet.

Unser Reporter Dominik Hamers (links) im Gespräch mit Peter Közle.
Unser Reporter Dominik Hamers (links) im Gespräch mit Peter Közle.

Kurz zuvor war Közle schon in der euphorisch feiernden Menge auf dem Rasen des Ruhrstadions untergetaucht. Und dort im Sinne des Wortes sein letztes Hemd gegeben hatte. In der Menge, die damals 1997 nicht nur den 6:0-Sieg über St. Pauli, sondern auch den Einzug des VfL in den Uefa-Cup gefeiert hatte.

20 Jahre später: Wieder hat Bochum im letzten Heimspiel die Norddeutschen zu Gast – diesmal in der Zweiten Liga (Sonntag, 15.30 Uhr, Sky live). Közle, mittlerweile 49 Jahre alt, und all die anderen Helden von 1997 werden am Sonntag auf Einladung des Vereins da sein. Und sich erinnern an ihren großen Tag. Als der Aufsteiger die Europa-Euphorie im Ruhrgebiet komplett machte.

Borussia Dortmund gewann die Champions League, Schalke den Uefa-Cup. Und der VfL durfte als Bundesliga-Fünfter international dabei sein. Das reichte, um Stadion, Kabine und die Stadt auf den Kopf zu stellen. Der VfL hatte im letzten Heimspiel der Saison das Fernduell mit 1860 München gewonnen, alles rannte auf den Rasen, feierte die Helden in Blau und Weiß. Das hatten zwei Bochumer schon befürchtet.

Wosz und Peschel wollten schnell in die Kabine

Und deshalb, das hatte Közle beobachtet, schlichen Dariusz Wosz und Peter Peschel schon während des Spiels immer an der Trainerbank vorbei. Sie wollten schnell in die Kabine, falls an der Castroper Straße alle Dämme brechen würden. Közle dachte anders, er blieb: „Mir hat die Nähe zu den Fans nie etwas ausgemacht.“ Die Folge: Als der Stürmer später in die von Bier und Sekt überflutete Kabine ging, trug er nur noch Unterhose und Schuhe. „Alle wollten ein Stück von uns Spielern haben. Aber meine Schuhe habe ich behalten. So etwas gibt man ja nicht ab“, sagt er. Und lacht.

Durch diese gelebte Fan-Nähe wurde Peter Közle, der sich vor seiner Bochumer Zeit schon beim MSV Duisburg einen Namen gemacht hatte, ein Kultfußballer im Ruhrgebiet. Obwohl er aus Oberbayern stammt. Er sagte auch immer, was er dachte. Auch heute noch, wenn er sich an dieses große Spiel gegen St. Pauli erinnert, als sei es gestern gewesen: „Meine Güte, haben wir die verdroschen.“

6:0 – das vorletzte Spiel dieser „grandiosen Saison“, wie Közle sagt. Sechs Tore, das war kein Zufallsprodukt. In so einem Spiel, das wussten alle, „musst du dem Gegner einfach wehtun. Und das haben wir auch gemacht.“

Abpfiff. Euphorie. Party

Dann der Abpfiff. Euphorie. Party im Entmüdungsbecken. Alles landete darin: Bier, Sekt, Spieler, aber auch Trainer Klaus Toppmöller und einige Reporter. Eine Mannschaft im Rausch. „Wir haben kontrolliert gesoffen“, erzählt Peter Közle.

Er weiß auch noch, wie der VfL-Tross an dem Abend die Disko Prater aufsuchte. Dort galt eigentlich ein gediegener Dress-Code. Der damals langhaarige Közle sagt grinsend: „Ich wäre nie reingekommen, wenn nicht vorher einer von uns die Feier organisiert hätte.“

In der Disko bewies Trainer Toppmöller besondere Qualitäten: Er nahm das Mikrophon und sang. „Seine Lieblingslieder“, erinnert sich Közle, „ich glaube, irgendwas mit Rock.“ Etwas schief zwar, aber egal: Alle sangen mit. Wer konnte diese Euphorie bremsen?

Bochum plötzlich in aller Munde

Bochum war plötzlich in aller Munde, und dann kam auch noch der damalige Hauptsponsor Faber mit einer gewagten Idee daher. Mit der Präsentation des Uefa-Cup-Trikots des VfL im Bochumer Schauspielhaus überraschte er alle. Statt Blau und Weiß prägten Regenbogen-Farben die Kluft. Wie beim Logo des Lotto-Unternehmens. Als Thomas Stickroth und Dariusz Wosz in dem Entwurf auf die Bühne gingen, schrie ein empörter Edel-Fan im schnörkellosen Idiom des Ruhrgebiets: „Scheiße sieht dat aus!“. Daraufhin sangen die anwesenden Fans: „Blau-weiße Trikots! Wir wollen blau-weiße Trikots.“ Aber sie bekamen Regenbogen-Trikots.

Közle hat noch eins davon. Das „hässlichste Trikot der Vereinsgeschichte“ hängt im Kraftraum seines Hauses in Hattingen – obwohl es ihn demotiviert: „Wenn ich es sehe, fällt mir immer die Hantelstange runter.“