Gelsenkirchen. Im großen Interview vor dem Trainingslager spricht Schalkes Trainer Jens Keller über seine Leidenschaft fürs Golfen – und über die Aussichten für die neue Saison. Keller erklärt, warum er im Moment keine weiteren Stars fordert.
Heute geht’s los: Schalke 04 packt die Koffer und schlägt ein Trainingslager im Golf Resort Achental am Chiemsee auf. Zum Golfen wird Trainer Jens Keller dort aber kaum kommen – obwohl er ein sehr passabler Golfer mit einem Handicap von 14,2 ist.
Herr Keller, beim Golfen kann man mit nur einem Schlag viel gewinnen – oder aber alles verlieren. Was dominiert bei Ihnen in diesem Moment: Die Angst vorm Versagen oder die Gier aufs Gewinnen?
Jens Keller: Golfen ist für mich etwas zum Abschalten, zum Ausspannen. Um Gottes Willen, wenn ich da Angst hätte… Ich habe die Hoffnung, dass ich den Ball gut treffe, aber immer gelingt das nicht. Es gibt keinen Sport, in dem man so viel Demut erfährt wie beim Golfen.
Und welches Gefühl dominiert beim Fußball?
Keller: Ganz klar die Lust aufs Gewinnen. Wer Angst hat, der wird nie zu Höchstleistungen kommen.
Wo sehen Sie Schalke im Vergleich zum vergangenen Sommer, als Sie Ihre erste Saisonvorbereitung als Cheftrainer geleitet haben?
Keller: Wir haben uns als Mannschaft entwickelt, die jungen Spieler weitergebracht, bekommen die Verletzten zurück und haben auf einigen Positionen nachgebessert. Damit gehen wir schon optimistisch in die Saison. Aber im letzten Jahr waren vor dem Start auch alle euphorisch, und die Hinrunde war dann nicht so, wie wir uns das alle vorgestellt haben.
Damals war vieles neu: Max Meyer und Leon Goretzka kamen als Talente, Peter Hermann als neuer Co-Trainer. Können Sie jetzt auf dem aufbauen, was Sie erarbeitet haben?
Keller: Das muss das Ziel sein, aber das müssen auch die Spieler verinnerlichen. Man hat es letztes Jahr zum Beispiel bei Sead Kolasinac gesehen: Nachdem er ein halbes Jahr sehr gut gespielt hatte, ist er nach dem Urlaub nicht so in die Gänge gekommen. Er war jung und hat erst dann wieder gemerkt, dass man immer wieder an dem arbeiten muss, was einen stark gemacht hat. Vor der gleichen Situation stehen jetzt Max Meyer und Leon Goretzka. Sie haben vor allem eine tolle Rückrunde gespielt und dürfen sich jetzt nicht darauf ausruhen.
Die jungen Spieler haben aber dafür gesorgt, dass der Konkurrenzkampf sehr viel größer geworden ist, oder?
Keller: Klar ist der Konkurrenzkampf größer geworden. Man darf aber auch nicht vergessen: In den ersten Spielen fallen vielleicht schon wieder fünf Mann aus. Goretzka und Farfan sind verletzt, Höwedes, Draxler und Huntelaar stoßen nach ihrem Urlaub extrem spät dazu und haben kaum eine Vorbereitung.
Trotzdem haben Sie fast Luxusprobleme: Höwedes hat als linker Außenverteidiger bei der WM viel Lob bekommen, aber Sie haben auf dieser Position mit Kolasinac, Aogo und Fuchs gleich drei Spieler, die für diese Rolle eher geeignet sind…
Keller: Wir haben bisher selten ein Luxusproblem gehabt – darüber können wir sprechen, wenn es so kommt.
Höwedes wird bei Ihnen aber nicht linker Verteidiger spielen?
Keller: Nein, er hat das bei der WM sicher toll gemacht, aber ich glaube, dass er im Zentrum stärker ist. Links haben wir ja auch andere Optionen.
Rechts haben Sie nur Uchida als gelernten Verteidiger. Warum haben Sie zu ihm keine Alternative geholt?
Keller: Weil wir lieber auf die Jungen setzen wie zum Beispiel auf Kaan Ayhan, der das in der Jugend oft gespielt hat. Nach was für einem Spieler sollten wir denn suchen? Wollen wir einen jungen Spieler? Die haben wir selbst. Oder wollen wir einen erfahrenen, gestandenen Spieler? Da haben wir mit Uchida einen sehr, sehr guten und es wäre schwierig, einen noch Besseren zu holen.
Dieses Problem hätten Sie eigentlich auf jeder Position, wenn Sie noch einen neuen Spieler holen würden. Brauchen Sie überhaupt noch Verstärkung?
Keller: Wenn es noch Abgänge gibt, könnte es sein, aber aktuell bin ich bin zufrieden mit dem Kader. Wenn uns niemand mehr verlässt, sehe ich keinen Handlungsbedarf. Bis zum Ende der Vorbereitung wird sich sicher der eine oder andere Spieler noch seine Gedanken machen.
Warum Schalke-Trainer Keller bei Boateng hart bleibt
Mit Sidney Sam haben Sie einen deutschen Nationalspieler dazu bekommen. Kann er die Rolle des verletzten Farfan übernehmen?
Keller: Das muss er zeigen. Seine enorme Qualität hat er schon bewiesen, vor allem letztes Jahr in der Vorrunde. Aber Bayer Leverkusen ist ein anderer Verein als Schalke: Daran muss er sich gewöhnen und so auch hier zeigen, was ihn ausmacht.
Für Fabian Giefer dürfte es schwerer werden, oder rufen Sie im Tor ernsthaft einen Konkurrenzkampf mit Ralf Fährmann aus?
Keller: Ralf hat es nach seiner überragenden Rückrunde verdient, dass er im Moment die Nase vorne hat. Aber auch er kann sich nicht auf dem ausruhen, was er früher geleistet hat.
Was erwarten Sie von Erik Maxim Choupo-Moting? Gibt er Ihnen die Chance, mit zwei Spitzen zu spielen?
Keller: Auch das, ja. Er ist ein anderer Spielertyp als Huntelaar, hat eine enorme Schnelligkeit und eine gute Technik. Mit Choupo-Moting haben wir einfach mehr Optionen: Sowohl wenn Huntelaar ausfällt als auch für das Spiel mit zwei Spitzen. Dazu kann er auch über Außen spielen, so wie in Mainz.
In der Offensive haben Sie viele Möglichkeiten, und jetzt hat auch Kevin-Prince Boateng gesagt, dass er künftig wieder auf der Zehn spielen möchte. Ein Problem?
15 Schalke-Spieler zum Aufgalopp
Keller: Nein. Er hat letzte Saison in der Rückrunde zu mir auch immer wieder mal gesagt: Trainer, ich will wieder nach vorne. Aber gespielt hat er trotzdem auf der Sechs, und das hat er auch gut gemacht. Wir spielen in drei Wettbewerben, da werden wir sicher auch mal rotieren müssen.
Was Schalke-Trainer Keller über seine Zukunft sagt
Manager Horst Heldt hat gesagt, dass Sie in der Sommerpause Anfragen anderer Vereine hatten. Gab es die Überlegung, Schalke zu verlassen?
Keller: Überhaupt nicht. Ich werde das auch nicht kommentieren. Grundsätzlich denke ich: Ich habe in den eineinhalb Jahren hier keinen so schlechten Job gemacht. Vielleicht fällt das auch woanders auf.
Bleibt aus der Geschichte um die Schalker Gespräche mit dem Mainzer Trainer Thomas Tuchel irgendetwas hängen?
Keller: Nein, da bleibt überhaupt nichts hängen, weil das zum Zeitpunkt des Bekanntwerdens ja auch nicht vom Verein kam – das wurde von außen aufgebauscht.
Der Verein hat Tuchel im Winter kontaktiert, nicht die Medien.
Keller: Und darüber war ich immer im Bilde, Horst Heldt hat mir im Winter schon die Situation erklärt. Es ist das gute Recht des Vereins, im Januar bei einem anderen Trainer mal für den Fall der Fälle vorzufühlen: Was wäre, wenn die ersten zwei, drei Spiele schiefgegangen wären? Nach meinem Wissensstand wurde nicht im März oder April mit einem neuen Trainer gesprochen.
Wird mit Ihnen irgendwann über eine Vertragsverlängerung gesprochen?
Keller: Das sind Dinge, die ich nicht beeinflussen kann – außer mit Siegen und Punkten. Aber ich habe da überhaupt keinen Stress. Mein Vertrag läuft hier auf Schalke noch ein Jahr, und es wird erfolgreich weiter gehen – da mache ich mir gar keine Gedanken.