Gelsenkirchen. . Der 4:0-Sieg des FC Schalke 04 gegen Hoffenheim sorgt bei den Königsblauen für Zufriedenheit in Übergröße. Die Führungsspieler um Klaas-Jan Huntelaar vertreiben das Sturmtief, das nach den Klatschen gegen Madrid und die Bayern aufzog, noch ehe es schweren Schaden anrichten kann.
Wer erleben wollte, was Schalke so speziell macht, der konnte das am Samstag gut im Kabinengang der Arena beobachten. Direkt nach dem Sieg gegen Hoffenheim kam der Aufsichtsratsvorsitzende Clemens Tönnies die steile Treppe heruntergeeilt, legte die Arme jovial um die an diesem Tag zwangsweise zuschauenden Fußballer Jefferson Farfan, Kyriakos Papadopoulos und Dennis Aogo, und schluchzte nur: „Jetzt ist der Alte wieder glücklich.” Die Szene sagte viel aus über den mitunter herrlich hemdsärmeligen Umgang, der bei diesem Klub gepflegt wird. Und darüber, wie auf Schalke ein Sturmtief vertrieben wird, noch ehe es schweren Schaden anrichten kann.
Schalke hatte 1899 Hoffenheim in der Fußball-Bundesliga nicht nur geschlagen, sondern mit 4:0 geradezu aus der Arena gefegt. War da noch etwas hängengeblieben von den beiden Klatschen gegen Real Madrid und Bayern München, die die Seele aller Königsblauen so tief berührt hatten? „Die Mannschaft hat genau die Reaktion gezeigt, die sie selbst von sich erwartet hat und die wir von ihr erwartet haben”, sagte Trainer Jens Keller.
Als Zeichen seiner Zufriedenheit in Übergröße rief er nach dem Spiel seinen kompletten Betreuerstab auf den Rasen, um mit der Mannschaft vor der Nordkurve zu feiern. Vor dem wichtigen Spiel hatte Keller im Interview mit dieser Zeitung noch mächtig Dampf abgelassen. Nun waren sie wieder: die Königsglücklichen.
Als einer der letzten Spieler kam Klaas-Jan Huntelaar aus der Kabine. Der 30-Jährige hatte den größten Anteil daran, dass die dunklen Wolken nach „einer schweren Woche” so rasch wieder vertrieben wurden; mit drei Treffern in der 6., 28. und 79. Minute wurde er seiner Verantwortung als Torjäger und Führungsfigur mehr als gerecht. Dass er nebenbei auch noch einen Elfmeter verschoss (siehe Extra-Text), konnte nur von denjenigen in den Mittelpunkt gestellt werden, die auf der Suche nach dem Haar in der Suppe waren.
Von Andreas Ernst, aufgezeichnet in der Mixed Zone
Dieses Päckchen müssen alle tragen
Viel bedeutsamer war, dass Huntelaar gemeinsam mit Benedikt Höwedes, Julian Draxler und Kevin-Prince Boateng ein gut funktionierendes Führungs-Quartett bildete. „Klaas-Jan war schon vor dem Spiel sehr fokussiert”, berichtete Manager Horst Heldt. Und auch bei Julian Draxler hatte er schon unter der Woche, die der Nationalspieler ja nicht bei Jogi Löw verbringen durfte, sondern auf dem Schalker Trainingsplatz, gespürt, wie verbissen der 20-Jährige an einer Formverbesserung gearbeitet hatte. Dass an diesem Tag für Schalke vieles passte, machte nicht zuletzt das Beispiel von Chinedu Obasi deutlich: Der Nigerianer, bisher der Makel in der Transferbilanz von Horst Heldt, erzielte als Vertreter des am Knie verletzten Jefferson Farfan das Tor zum entscheidenden 3:0 (55.) – und das ausgerechnet gegen seinen früheren Verein Hoffenheim.
Manches hellte sich auf für den an diesem Tag so glücklichen S04, der nach Punkten zum Tabellendritten Leverkusen aufgeschlossen und sich ein Polster von fünf Zählern auf den VfL Wolfsburg erkämpft hat. Dass die Wolfsburger durch das 1:6 gegen Bayern sogar zwölf Einschläge in zwei Spielen hinnehmen mussten, macht Schalkes 1:5 in München nicht besser. Aber es zeigte Heldt, „dass alle es sich vornehmen und es keiner hinbekommt”, sich gegen die Bayern-Übermacht gut aus der Affäre zu ziehen. Der Manager sagte das ohne einen Hauch von Häme oder Genugtuung. Die Botschaft war nur: An den Bayern haben alle ihr Päckchen zu tragen.
In der vergangenen Woche, als das königsblaue Päckchen schon nach 45 Minuten vier Bayern-Tore schwer war, war Clemens Tönnies in die Kabine zu den Spielern geeilt. Nicht erst nach dem Abpfiff, sondern schon zur Halbzeitpause – ein sehr ungewöhnlicher Vorgang.
Der Chef als Erscheinung
Der Schalke-Boss entscheidet so etwas aus dem Bauch heraus – nicht danach, ob es das Protokoll vorsieht. Diesmal, gegen Hoffenheim, hielt er es sogar schon vor dem Anpfiff für angemessen, der Mannschaft in der Kabine einen kurzen Besuch abzustatten. Die Spieler hatten sich gerade gegenseitig versprochen, eine Trotzreaktion zu zeigen – Tönnies klatschte alle der Reihe nach ab. „Er ist eine Erscheinung“, staunte Ralf Fährmann später.
Tönnies selbst würde es mit seiner ihm eigenen Art ganz anders ausdrücken: Der Alte ist einfach nur froh, wenn Schalke gewinnt.
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