Doha. Lewis Holtby soll in der Premier League bei den Spurs angeblich rund 4,3 Millionen Euro pro Jahr verdienen. Doch ums Geld sei es ihm nicht gegangen. „Ich habe immer betont, dass ich eines Tages in England spielen möchte“, erklärte der 23-Jährige im Schalker Trainingslager.

Manchmal kann man es sich gut vorstellen, wer die Spaßvögel in der Schalker Mannschaft sind: Jermaine Jones, Klaas-Jan Huntelaar und Ciprian Marica zählen aber auf jeden Fall dazu. Mit gespielter Neugier steckten die drei ihre Köpfe durch die Tür zum großen Saal im Schalker Mannschaftshotel „The Torch“, die nur einen spaltbreit geöffnet war, und schnitten Grimassen. Sie feixten und flachsten und hörten grinsend zu, wie sich Lewis Holtby da wohl verkaufen würde. An dem Tag, an dem der 23-Jährige im Trainingslager in Doha erklärte, warum er Schalke im Sommer verlassen und zu den Tottenham Hotspur wechseln wird.

Ein bisschen blass um die Nase wirkte Holtby schon; die Nervosität war ihm anzumerken. Man könnte sich angenehmere Situationen vorstellen, wenn einer davon berichten will, dass für ihn ein „Traum“ wahr wird. Holtby wusste, dass er sich mit seiner Botschaft nicht nur Freunde machen wird, manche seine Entscheidung gar überhaupt nicht nachvollziehen können. Deswegen war ihm wohl nicht ganz wohl in seiner Haut. „Aber ich bin ein Typ, der gerne seine Chancen nutzt“, sagte er: „Und wenn ich eine mutige Entscheidung getroffen habe, war es bisher auch immer die Richtige für meine Karriere.“ Und die Verlockung, jetzt schon nach England zu gehen, war für ihn größer als die Herausforderung, zunächst noch ein paar Jahre auf Schalke zu spielen. „Wer weiß, was in zwei, drei Jahren passiert?“ Ob dann noch einmal so ein Angebot gekommen wäre?

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Holtby erfüllt sich seinen Kindheitstraum

Holtby soll, wenn denn die Berichte aus England stimmen, bei den Spurs angeblich rund 4,3 Millionen Euro pro Jahr verdienen. Doch ums Geld sei es ihm nicht gegangen: „Ich hatte ein Top-Angebot von Schalke vorliegen, und wenn es meine englischen Wurzeln und die Premier League nicht geben würde, hätte ich auf jeden Fall hier unterschrieben.“ Für ihn sei es allein darum gegangen, sich den Kindheitstraum zu erfüllen: „Ich habe immer betont, dass ich eines Tages in England spielen möchte.“ Nur den Zeitpunkt habe er offen gelassen, doch bei dem Angebot aus Tottenham habe alles gepasst: Der Verein, die sportliche Perspektive beim aktuellen Tabellendritten der Premier League, die Fans, der Trainer Andre Villas-Boas, der ihn unbedingt habe verpflichten wollen. „Bei allem Respekt“, sagt Holtby: „Schalke ist ein Riesenverein. Aber Tottenham ist auch kein kleiner Klub.“ Und dass der Schritt in ein fremdes Land mit 23 Jahren noch zu früh kommen könnte, ist für ihn schlicht und einfach kein Thema: „Ich gehe nie vom Negativen aus.“

Nein, das macht er wirklich nicht. Dafür hat er normalerweise ein viel zu sonniges Gemüt.

Ein halbes Jahr wird Lewis Holtby jetzt also voraussichtlich noch auf Schalke spielen – wenn es dabei bleibt, dass ein Winter-Wechsel nicht angedacht ist. Bisher sei das nie ein Thema in den Gesprächen mit Tottenham gewesen, versichert Holtby: „Aber man weiß im Fußball nie, was passiert.“ Dass die Schalker Fans ihm in diesem kommenden halben Jahr nicht gerade königsblaue Rosen zuwerfen werden, er ahnt es wohl. Ins Trainingslager nach Katar sind nur einige mitgereist – in der Arena werden es demnächst 60.000 sein, die seine Entscheidung hinterfragen. „Ich hoffe, dass sie fair mit ihm umgehen“, sagt Trainer Jens Keller, „sonst schaden sie ja der gesamten Mannschaft.“ Holtby will aber alles hinnehmen, wie es kommt: „Ob die Fans pfeifen oder nicht – ich respektiere jede Meinung.“ Einen Kopf darüber machen, will er sich nicht – doch ob ihm das gelingt?

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Von Manfred Hendriock und David Nienhaus

Keller sieht „keinen Grund, ihn außen vor zu lassen“

Keller will Holtby behandeln, wie jeden anderen Spieler auch: „Wenn er seine Leistung bringt, sehe ich keinen Grund, ihn außen vor zu lassen.“ Und der Mittelfeldspieler verspricht, natürlich, artig, bis zum allerletzten Tag Gas zu geben für den Verein, dem er ja auch einiges zu verdanken hat. „Ich werde jetzt keineswegs die Mannschaft im Stich lassen“, beteuert der Blondschopf. Doch man wird ganz besonders auf ihn schauen, das ist klar. Die Fans, der Verein, und auch die Mitspieler.

So wie das grinsende Trio, das seine Köpfe am Samstag durch den Türspalt zum großen Saal gesteckt hat. Ob Huntelaar dabei in diesem Augenblick wohl gedacht hat: Nur gut, dass ich meinen Vertrag auf Schalke verlängert habe – sonst müsste ich jetzt da sitzen?