Gelsenkirchen. . Der Lange aus dem Münsterland kam in der vergangenen Saison unverhofft ins Schalker Tor. Jetzt hofft Lars Unnerstall, so lange wie möglich diese Position halten zu können. Ein Spätstarter auf der Überholspur.

Was wäre wohl aus Lars Unnerstall geworden, wenn damals in seiner münsterländischen Heimat bei Grün-Weiß Steinbeck in der D- oder C-Jugend, so genau weiß er es nicht mehr, an einem Samstag nicht der Stammtorwart gefehlt hätte? Wenn der Trainer in seiner Verzweiflung nicht die Idee gehabt hätte, einfach den Längsten aus der Mannschaft ins Tor zu stellen? Wäre dann wohl nie aufgefallen, welches Potenzial in diesem Jungen schlummerte? Wäre er also nie ganz oben angekommen, im Tor des Bundesligisten Schalke 04?

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Lars Unnerstall grinst, er sagt: „Ich hatte auch keine Ahnung, ob ich das können würde oder nicht.“ Es wurde dann aber doch relativ schnell klar, dass er mehr drauf hatte als die Rolle des Nothelfers. Preußen Münster entdeckte ihn, und im zweiten A-Jugendjahr holten ihn die Schalker. Relativ spät für eine große Karriere, aber offensichtlich nicht zu spät. Mittlerweile ist er 22, der Vertrag wurde kürzlich bis 2015 verlängert, er gilt im Klub als Torhüter der Zukunft.

Unnerstall kam auf Schalke unter die Fittiche von Lothar Matuschak

Auf Schalke kam er anfangs unter die Fittiche von Lothar Matuschak, dem legendären Torwart-Ausbilder. „Lars war nicht der Typ, bei dem man auf Anhieb sagte: Boh, der marschiert durch“, erinnert sich Matuschak. „Aber irgendetwas hatte er. Vor allem hat er sich als Kämpfer erwiesen. In kurzer Zeit konnte er viele Empfehlungen wunderbar umsetzen, und er hat das voll durchgezogen. Das schaffen nicht viele, auf diesem Niveau so einen Sprung zu machen.“

Und trotzdem hatte der 1,98-Meter-Mann, als er zu den Profis stieß, immer noch Selbstzweifel, ob er bundesligatauglich wäre. „Viele gelten ja früh als Talente“, erklärt er seine damaligen Bedenken, „bei mir war das aber nicht so. Ich musste mir alles erarbeiten.“

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Umso erstaunlicher klingt das, was Lars Unnerstall heute sagt. „Wenn ich schon im Kasten stehe, will ich da auch nicht wieder raus“, betont er vor dem Spiel an diesem Samstag beim Aufsteiger Fürth. Den Konkurrenten Timo Hildebrand hat das Verletzungspech zurückgeworfen, und Lars Unnerstall sagt selbstbewusst, aber nicht überheblich: „Ich denke, dass ich einen kleinen Vorsprung habe, wenn ich mit guten Leistungen überzeuge.“ Der Lange hat sich auf der höheren Ebene eingependelt, er brauchte dafür nicht einmal ein Jahr. Ein Spätstarter auf der Überholspur.

Am 15. Oktober 2011 musste er erstmals ins eiskalte Bundesligawasser springen, als sich Ralf Fährmann im Heimspiel gegen Kaiserslautern schwer am Knie verletzte. Zeit, um sich verrückt machen zu können, hatte Lars Unnerstall nicht, rückblickend sagt er: „Alles ging so schnell – deshalb war es leichter, als wenn man es mir zwei Tage vorher gesagt hätte.“

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Schalke verpflichtete zur Sicherheit noch den damals vereinslosen Timo Hildebrand, Lars Unnerstall galt als Übergangslösung. Aber der Junge hielt, was zu halten war, die Nerven verlor er nie. Seine coole Erklärung: „Ich komme aus dem Münsterland, da sind eigentlich alle ruhig.“ Erst als sich Unnerstall im Februar an der Schulter verletzte, kam Hildebrand zum Zuge.

Achillessehnenprobleme warfen Unnerstall zurück

Natürlich war der Jüngere enttäuscht, als der Ältere zu Beginn dieser Saison wieder den Posten zwischen den Pfosten übernehmen durfte. Aber Lars Unnerstall ist der Typ ehrliche Haut, deshalb gibt er zu: „Man konnte es ja auch ein bisschen verstehen, mich hatten ja Achillessehnenprobleme zurückgeworfen. Ich hatte in den letzten Jahren so viel Glück, dann muss man durch solche Situationen eben auch mal durch.“

Er hat viel Erfahrung gesammelt in diesem einen Jahr. Durch den Ruhm-Service hat sich sein Alltag verändert: Autogrammwünsche, Interviews, Termine. Aber der Charakter? Eher wird Mick Jagger zum Opernsänger, als dass Lars Unnerstall seine Bodenständigkeit verlieren könnte. Die Familie, die er als Rückhalt schätzt, gab ihm einen Leitsatz mit auf den Weg: Du kannst nichts verlieren, du kommst aus dem Nichts. „Bei uns in Uffeln sind zwar alle stolz auf mich“, erzählt Lars Unnerstall, „aber ein Autogramm will da keiner.“