Rene Adler muss auf die Teilnahme an der Weltmeisterschaft in Südafrika verzichten. Bundestrainer Joachim Löw muss also schon zum dritten Mal innerhalb eines halben Jahres einen neuen Torhüter zur Nummer eins küren. Es wird wohl Manuel Neuer werden, der Schalker
Im Spätherbst 2009 war es im Grunde klar, wer als die Nummer eins unter den deutschen Torhütern zur Weltmeisterschaft nach Südafrika fliegen würde. Natürlich wurde das Thema dennoch mächtig diskutiert. Die Nummer eins der deutschen Torhüter, das ist schließlich eine Position mit außerordentlicher Strahlkraft. Würde über ihre Vergabe abgestimmt, wäre der Andrang vor den Kabinen wohl so groß wie lange nicht mehr in der Republik der Wahlverdrossenheit. Doch es wird nicht abgestimmt, es wird bestimmt. Und es wird nicht bestimmt, wenn es sich das Volk wünscht, sondern dann, wenn es Bundestrainer Joachim Löw und seine Gefolgschaft für richtig halten.
Im Spätherbst 2009 war also nur im Grunde klar, wer die Nummer eins auf dem Trikot tragen würde. Robert Enke, der Hannoveraner, der Älteste unter den damals vier Anwärtern auf den Stammplatz vor dem Netz. Andreas Köpke, der Torwarttrainer, hatte das entscheidende Kriterium für eine Beförderung als Frage formuliert: „Wer kann unseren jungen Abwehrspielern am meisten helfen?“ Und die Antwort , die hinausgezögerte, die zu dieser Zeit nicht gegebene, musste eben lauten: Enke. Dass dieser unter Depressionen litt und sich im November 2009 das Leben nahm, hat den deutschen Fußball erschüttert. Und weil die Dimension dieser Erschütterung so gewaltig war, ist der sportliche Aspekt, der Verlust der Nummer eins, nur noch selten in den Blickpunkt gerückt worden.
Am Dienstag aber hat Rene Adler seine Teilnahme an der WM abgesagt, der Torhüter, der im März tatsächlich zur Nummer eins ausgerufen worden war. Der Leverkusener muss sich erneut einer Operation an den Rippen unterziehen. Die Ärzte haben ihm dazu geraten, und er hat auf sie gehört, weil es „mir selbst, meinem Verein und der Nationalmannschaft gegenüber letztlich unverantwortlich gewesen wäre, an der WM teilzunehmen“. Für den 25-Jährigen war es „die schwierigste Entscheidung meines Lebens“, den Schmerzen nachzugeben, anzuerkennen, dass unter diesen Bedingungen „keine Bestleistung“ möglich ist. Und für Joachim Löw dürfte die Nachricht vom Verlust der zweiten Nummer eins innerhalb nur eines halben Jahres ein Schock gewesen sein.
Unter sportlichen Gesichtspunkten, natürlich. Nicht vergleichbar mit dem Schock, den der Tod von Robert Enke ausgelöst hat. Das Aus für Adler erschüttert nicht, es erfordert lediglich eine neue personelle Ausrichtung. Manuel Neuer oder Tim Wiese zur Nummer eins machen? Und wen für den vakant gewordenen Platz in Reihe drei der Torhüterriege ins Team holen? Der Bundestrainer wird am Donnerstag in Stuttgart seinen erweiterten Kader für die WM benennen, und wahrscheinlich wird er diesen Termin auch dazu nutzen, für klare Sicht aufs Tor zu sorgen. Neuer, der Schalker, wird aller Voraussicht nach zum Hauptdarsteller geadelt werden. Wiese, der Bremer, würde dann als Zweitbesetzung geführt werden. Und für Jörg Butt, den Keeper der Bayern, würde überraschend die anspruchsvolle Rolle des Ersatzmannes des Ersatzmannes übrig bleiben.
Keine Lösung ohne Schattenfall
Eine Lösung ohne Schattenfall ist das allerdings nicht. Als Jens Lehmann das deutsche Tor nach der EM 2008 verlassen hat, deutete sich noch ein sanfter Übergang an. Die Ära Oliver Kahn beendet. Die Ära Lehmann beendet. Eine recht kurze Ära Enke konnte man sich danach im Land der Kastenriesen vorstellen, eine recht kurze Ära, in der die jungen Hochtalentierten Adler und Neuer reifen würden. Sofort auf Adler setzen wollte Löw nicht. Er ist von den tragischen Ereignissen dazu gezwungen worden. Und sofort auf Neuer setzen wollte er schon gar nicht. Sonst hätte er nicht auf Adler gesetzt.
Die Drei wird sich also nicht bedenkenlos und sicherlich auch nicht folgenlos in eine Eins verwandeln. Dem 24-jährige Neuer, dem allenthalben attestiert wird, auf dem Weg zum Weltklasseartisten zu sein, trauten der Bundestrainer wie der Bundestorwarttrainer nicht zu, die Defensive erwachsen und charakterstark führen zu können. Der zum Kernigen neigende Wiese entspricht ebenfalls nicht ihrem Anforderungsprofil. Und Butt, der 35-Jährige, wird kaum aus dem Nichts in das gleißende Bühnenlicht vordringen.
Angekündigt hat Löw eine Entscheidung über die Nummer eins für Donnerstag noch nicht. Angekündigt hat er nur, bekannt geben zu wollen, „wer als weiterer Torhüter mit nach Südafrika fährt“. Sollte es nicht Butt sein, sondern Jens Lehmann, wäre jedoch auch das Einser-Problem gelöst.