Essen/Kiel. Holstein Kiel steht vor dem ersten Bundesliga-Aufstieg der Vereinsgeschichte. Frühere Schalker und BVB-Profis haben großen Anteil.
Als Schalke 04 vor eineinhalb Wochen den 1. FC Nürnberg im Heimspiel mit 2:0 besiegte, freuten sich zwei Spieler mit, die längst nicht mehr in Gelsenkirchen unter Vertrag stehen. Steven Skrzybski und Timo Becker verfolgten die Partie in der Nordkurve. Sie feierten den Sieg ihres Herzensklubs inmitten tausender S04-Fans ausgelassen im Trikot und UGE-Shirt. Bilder davon gingen in den (Sozialen) Medien viral.
Gerade noch so hatte es das Duo pünktlich in die Arena geschafft. Wenige Stunde zuvor standen Becker und Skrzybski selbst noch auf dem Rasen - und feierten in 450 Kilometer Entfernung den ersten Erfolg des Tages: ein 4:0 über den VfL Osnabrück mit ihrem aktuellen Klub Holstein Kiel.
Da die Kieler am folgenden Wochenende auch im Derby beim Hamburger SV gewannen (1:0), steht der Nordklub vor einem historischen Ereignis. Der erste Bundesliga-Aufstieg der Vereinsgeschichte liegt zum Greifen nah. Über die gesamte Saison hinweg mischen die Kieler im Rennen um die ersten drei Zweitliga-Plätze mit. Pünktlich zum Saisonendspurt liefen sie richtig heiß und eroberten mit sechs Siegen am Stück die Tabellenspitze.
Fünf Punkte beträgt der Vorsprung auf Rang drei - bei vier ausstehenden Spieltagen. Offensiv formulierte Statements der Protagonisten blieben nach dem Sieg gegen den HSV trotz dieser Ausgangslage aus. Trainer Marcel Rapp wollte das Wort Aufstieg nicht in den Mund nehmen, sprach seinem Team aber ein großes Lob aus. „Die Jungs haben gekämpft wie Löwen. Ich habe selten so eine Truppe gesehen. Das ist ein Team, das sind Brüder.“
Und von denen weisen erstaunlich viele eine Vergangenheit im Ruhrgebiet und der Umgebung auf. Neben Skrzybski und Becker trug Lewis Holtby früher das Schalke-Trikot. Bei S04 nahm die Karriere des gebürtigen Erkelenzers vor über zehn Jahren Fahrt auf. Nach wechselhaften Zeiten in England und mehreren Saisons beim Hamburger SV läuft Holtby seit 2021 an der Ostsee auf.
Holstein Kiel: Frühere Dortmunder und Schalker vor größtem Erfolg ihrer Laufbahn
Der 33-Jährige wird als Führungsspieler und Taktgeber im Mittelfeld geschätzt. Er gehört zur Erfolgs-Achse der „Störche“, der Abwehrmann Becker und Topscorer Skrzybski ebenfalls angehören. Auch Torhüter Timon Weiner, bis zur U19 bei Schalke, BVB-Leihgabe Tom Rothe und das frühere Dortmund-Talent Colin Kleine-Bekel sind im Rapp-Team gesetzt. Eher aus der zweiten Reihe kommen zwei weitere Spieler mit NRW-Bezug: der gebürtige Mülheimer Marvin Schulz, der bei Borussia Mönchengladbach ausgebildet wurde. Und Nicolai Remberg, der vergangene Saison noch für Preußen Münster in der Regionalliga auflief.
Während Holtby für Tottenham Einsätze in der Premier League sammelte und Skrzybski noch Champions League mit Schalke erlebte, stehen die übrigen Spieler vor dem größten Erfolg ihrer Laufbahn. Über Umwege und teils erst kürzlich bahnten sie sich den Weg in den Profifußball.
Der im Sommer 2019 vereinslose Becker musste sich im Probetraining für einen Wechsel in Schalkes U23 empfehlen, wurde später zu den Profis befördert. Weiner bestreitet mit 25 Jahren seine erste Saison als Stammkeeper oberhalb der Regionalliga. Und Kleine-Bekel sah keine Perspektive in Dortmund, obwohl er die U19 vor zwei Jahren als Kapitän zur Meisterschaft geführt hatte. Über die Kieler Regionalliga-Reserve arbeitete er sich ins Zweitliga-Team und sogar in die deutsche U21-Nationalmannschaft.
Von diesem steilen Aufstieg zeigt sich gar der Innenverteidiger selbst überrascht. „Ich genieße es nun natürlich umso mehr, dass es so gut läuft. Es ging alles sehr schnell. Ich versuche einfach, jeden Tag mitzunehmen“, sagte er Anfang des Jahres gegenüber Vereinsmedien. Den nahenden Sprung in die Bundesliga muss Kleine-Bekel allerdings als Zuschauer verfolgen. Er riss sich vor wenigen Wochen das Kreuzband und wird noch monatelang ausfallen.
Möglich, dass er bei seiner Rückkehr nicht mehr mit, sondern gegen Rothe spielt. Der 19 Jahre alte Linksverteidiger steht bis 2026 in Dortmund unter Vertrag. Für den BVB spielte und traf er bereits in jungen Jahren. Als vollwertige Alternative im Profikader schätzten die Verantwortlichen vor dieser Saison offenbar noch nicht ein - und verliehen ihn daher nach Kiel. Der Wechsel zahlt sich bislang voll aus. Nur eine Gelbsperre sorgte dafür, dass Rothe nicht alle möglichen Partien bestritt.
Ein Verbleib bei Holstein scheint ob seiner Entwicklung und einer fehlenden Kaufoption allerdings zweifelhaft. Zumal der BVB auf seiner Position im Sommer Bedarf anmelden könnte. In den Kieler Nachrichten gab Rothe neulich an, „in Sachen Zukunft sehr entspannt“ zu sein. Vermutlich genießt der Youngster aktuell ohnehin den Erfolg mit dem KSV, den er mit seinem siegbringenden 1:0 gegen den HSV weiter befeuerte - bereits seine zehnte Torbeteiligung.
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„Ganz viele Freunde und Familie von mir waren heute im Stadion, da sind die Emotionen nach dem Tor schonmal kurz hochgekocht. Dass wir dann auch noch durch meinen Treffer gewinnen, freut mich natürlich umso mehr“, jubelte Rothe anschließend.
Mit seinem Leihklub kann er den Aufstieg aus eigener Kraft am vorletzten Spieltag perfekt machen. Im Bestfall sogar eine Woche zuvor. Dafür müssen die Kieler hoffen, dass Schalke 04 den Tabellenvierten Fortuna Düsseldorf am kommenden Spieltag besiegt. Vielleicht fiebern Timo Becker und Steven Skrzybski ja wieder live in der Veltins-Arena mit.
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