Albufeira. Der FC Schalke 04 sortiert seine sportliche Leitung neu - mit einer bunten Truppe um Tillmann und wohl Marc Wilmots. Ein Kommentar.
Alles neu im Januar – Schalke 04 zieht umfangreiche Konsequenzen aus dem verkorksten ersten Saison-Halbjahr 2023/24. Den Fußball im Klub wolle er neu strukturieren, verkündete der Aufsichtsrats-Vorsitzende Axel Hefer am Neujahrstag – doch bei der Lösung, die er zusammenzuzimmern scheint, ist Skepsis angebracht.
Schalke: Hefer gibt Kumpel Tillmann viel Macht
Zunächst geht es um Hefer selbst. Bei seiner Personalauswahl bewies er bisher kein gutes Händchen – der von ihm ausgewählte und längst gefeuerte Vorstandschef Bernd Schröder entwickelte sich zu einem Millionen-Fehler. Von den Entscheidungen des Vorstandes kann sich Hefer nicht freimachen, denn der Aufsichtsrat musste jeden Deal mit einem Volumen von über 500.000 Euro qua Satzung genehmigen. Allzu oft hatte Hefer die Verantwortung weg von seinem Gremium geschoben. Die Stimmung auf der Geschäftsstelle ist katastrophal, die Fanszene gespalten. Die aktiven Fans um die Ultras Gelsenkirchen stehen treu an Hefers Seite, kritisieren maximal in Nebensätzen. Außerhalb dieser Szene entwickeln sich Proteste. Hefer, mit einem Mandat bis 2026 ausgestattet, zieht seine Linie aber trotz aller Kritik konsequent durch.
Und dazu gehört, nach der vorzeitigen Abberufung von Peter Knäbel keinen Sportvorstand mehr zu installieren. Nur wenige Vereine in Deutschland haben auf der obersten Entscheidungsebene niemanden mit Sport-Expertise, dabei braucht Schalke nach etlichen Fehlern in den vergangenen fünf Jahren genau das. Die ganze Macht bekam schon mit dem ersten Tag seines Amtsantritts Matthias Tillmann, der neue Vorstandsvorsitzende. Er ist ein langjähriger Freund Hefers, beide verbrachten viel Zeit miteinander. Aber er ist Profifußball-Rookie. Tillmann mag viel Ahnung von Finanzen in börsennotierten Unternehmen haben und selbst Oberligafußballer gewesen sein – aber an das raue Klima im Profifußball mit allen Tricks wird er sich gewöhnen müssen. Ganz zu schweigen davon, dass er sich bei Vereinen und Sponsoren erst einmal ein Netzwerk aufbauen muss. Und er ist der starke Mann? Vom ersten Tag an geht jeder Transfer über seinen Schreibtisch. Einen neuen Hauptsponsor muss er zudem suchen, alle Mitarbeiter kennenlernen, Marketingideen haben. Viele Aufgabe für einen, der von einem Kumpel geholt wurde und bisher noch nicht nachgewiesen hat, dass er Profifußball kann.
Schalke: Hechelmann bleibt für Transfers zuständig
Verantwortlich für Transfers bleibt Sportdirektor André Hechelmann, der die Sommer-Transferperiode 2023 in den Sand gesetzt hatte. Viele Verpflichtungen funktionierten nicht wie gewünscht. Dennoch bekommt Hechelmann die Chance, den Kader zu überarbeiten, sogar mit Blick auf die Saison 2024/25. Doch was passiert, wenn das wieder schiefgeht? Einen neuen starken Sportdirektor zu finden, dürfte nicht leicht werden – denn nur die wenigsten würden den Schalker Weg mitgehen, nicht am Vorstandstisch zu sitzen. Ein negatives Beispiel gibt es – in Hannover ist Martin Kind für alles verantwortlich, Sportdirektor Marcus Mann operiert eine Ebene darunter. Wer wissen will, welche Tücken dieses System hat, sollte mal bei Horst Heldt nachfragen. Der Ex-Schalker arbeitete unter Kind in Hannover. Will Schalke Hechelmann ablösen, droht eine ähnlich schwierige Nachfolger-Suche wie im Sommer 2022, als es darum ging, einen Trainer für die Zeit nach Mike Büskens zu finden. Da wollten auch fast alle Trainer den Schalker Weg nicht mitgehen. Es kam Frank Kramer, der entscheidende Fehler, der zum zweiten Abstieg innerhalb von drei Jahren führte.
Hechelmann bekommt aber einen Aufpasser zur Seite gestellt, genannt wird die neue Position Technischer Direktor. Kandidat Nummer eins dafür ist Eurofighter Marc Wilmots, eine Lösung mit Nostalgie-Faktor. Auf den ersten Blick eine gute Lösung, denn allein mit seiner Präsenz kann Wilmots erst einmal für Ruhe sorgen – doch auf den zweiten? Wilmots hat eine passende Arbeiter-Rhetorik zu bieten, er weiß den Boulevard zu bedienen, als ehemaliger Politiker im belgischen Senat kann er auch Strippen ziehen – alles Dinge, die Hechelmann oft fehlen. Erfahrung als Funktionär hat Wilmots aber nicht, Erfolge als Trainer kann er ebenso wenig vorweisen. Als Nationaltrainer Belgiens blieb er von 2012 bis 2016 titellos, obwohl ihm die sogenannte Goldene Generation um Thibaut Courtois, Kevin De Bruyne, Eden Hazard und Romelu Lukaku zur Verfügung stand. De Bruyne beklagte erhebliche taktische Schwächen bei Wilmots. Seine Engagements im Iran und der Elfenbeinküste endeten schnell. Als Vereinstrainer war Wilmots nicht gefragt, trainierte zuletzt drei Monate lang in Casablanca in Marokko. Schalke bewahrt Wilmots nun vor dem vorzeitigen Ruhestand.
Es ist fraglich, ob Wilmots die richtige Wahl für Schalke ist. Und für Klub-Legende Gerald Asamoah ist die Personalie ohnehin ein Schlag ins Gesicht – als Leiter der Lizenzspielerabteilung hat er in den sechs Monaten bis zum Ende seines Vertrages im Juni 2024 eher repräsentative Aufgaben, wäre noch weniger ins operative Geschäft eingebunden als sowieso schon. Asamoah fühlt sich von Schalke ungerecht behandelt - im Gegensatz zu Wilmots hat er Manager-Ausbildungen absolviert und war schon für Schalkes U23 als Kaderplaner zuständig.
Hefer, Tillmann, Hechelmann, wahrscheinlich Wilmots – es ist eine bunte Truppe, die Schalke nicht nur vor dem Absturz in die 3. Liga bewahren, sondern sogar innerhalb der kommenden zwei Jahre zurückführen soll. Euphorie der Fans können die Schalker nicht erwarten.