Gelsenkirchen. Schalke 04 ist kaum noch zweitligareif, während bei der Konkurrenz etliche Spieler aus dem königsblauen Nachwuchs glänzen. Eine Übersicht.

Wer die Schalke 04-Defensive beim jüngsten 1:2 gegen Elversberg sah, kam um eine Erkenntnis kaum herum: Das vorhandene Personal ist nicht gut genug. Zwei Drittel der Dreierkette, namentlich Marcin Kaminski (31) und Tomas Kalas (30), waren schlicht zu langsam – auf den Füßen oder aber gedanklich.

Schalke: Kaum interne Konkurrenz

Interne Konkurrenz müssen die beiden trotzdem nicht fürchten: Timo Baumgartl (27) und Ibrahima Cissé (22) waren bei ihren bisherigen Einsätzen noch schlechter. Auch der bienenfleißige Henning Matriciani (23) tut sich als Defensivmann auf der rechten Außenbahn extrem schwer.

Schalke hat in 13 Ligaspielen bereits 28 Gegentreffer kassiert, nur Schlusslicht Osnabrück (31 Gegentore) verteidigt schlechter. Umso mehr schmerzt, dass die 2. Liga gespickt ist mit Top-Defensivspielern, die einst in der Knappenschmiede ausgebildet wurden und nun regelmäßig Topleistungen bringen – allerdings in den Trikots der Konkurrenz.

Becker ist Stammspieler

Timo Becker, Anfang 2022 von Königsblau nach Rostock ausgeliehen und sechs Monate später für 250.000 Euro nach Kiel „verscherbelt“, ist bei Holstein längst Stammspieler. In zehn Liga-Einsätzen, meist als Innenverteidiger, hat Becker grundsolide 59 Prozent seiner Zweikämpfe gewonnen (Baumgartl: 49 Prozent) und zwei Tore erzielt. Aktuell grüßt sein Klub von Rang drei.

Der einstige Schalker Timo Becker, hier gegen Hamburgs Flügelflitzer Jean-Luc Dompé, grüßt mit Holstein Kiel vom dritten Tabellenplatz.
Der einstige Schalker Timo Becker, hier gegen Hamburgs Flügelflitzer Jean-Luc Dompé, grüßt mit Holstein Kiel vom dritten Tabellenplatz. © dpa | Axel Heimken

Nur einen Platz dahinter lauert Hannover 96 mit Knappenschmiede-Absolvent Phil Neumann (26). Der 1,92-Meter-Mann bildet an der Seite von Marcel Halstenberg die drittbeste Innenverteidigung der Liga (15 Gegentreffer). Ebenfalls stark spielt der im Sommer für 450.000 Euro nach Nürnberg verkaufte Florian Flick (23), der die U23 der Schalker Nachwuchsabteilung durchlief, bei den Profis jedoch ausgemustert wurde. Beim „Club“ traf Flick diese Saison in sieben Ligaspielen zweimal und ist mit 86-prozentiger Passquote bester Mittelfeldspieler.

Hansen ging ablösefrei

Bitter für alle S04-Fans ist auch der Fall Mattes Hansen. Der 19-jährige führte in der vergangenen Saison die königsblaue U19 als Kapitän ins Finale des DFB-Junioren-Pokals (3:4 n.V. gegen Köln). Kurz darauf ging der Defensiv-Allrounder ablösefrei zum SC Paderborn, weil Schalke ihm keine Profi-Perspektive aufgezeigt hatte. „Wir freuen uns, dass wir ein solches Talent verpflichten können“, frohlockte Paderborns Sportboss Benjamin Weber: „Mattes überzeugt mit seinem strategischen Blick und bringt alle Fähigkeiten mit, um bei uns den nächsten Schritt zu machen.“

Voller Einsatz: Paderborns Mattes Hansen (l.) fährt St. Paulis Elias Saad in die Parade.
Voller Einsatz: Paderborns Mattes Hansen (l.) fährt St. Paulis Elias Saad in die Parade. © dpa | David Inderlied

In Paderborn ersetzt Hansen einen Profi, den der SC im Sommer für zwei Millionen Euro nach Gelsenkirchen verkauft hat: Ron Schallenberg (25). Doch während Schallenberg riesige Probleme hat, Schalke im Mittelfeld defensiv zu stabilisieren, sind Hansens Leistungsdaten klar besser: Der Ex-Knappe gewinnt in der 2. Liga 55 Prozent seiner Zweikämpfe (Schallenberg: 50 Prozent) und kassierte dabei nur einmal Gelb (Schallenberg: dreimal Gelb, einmal Rot). Paderborn schluckte bislang 23 Gegentreffer, fünf weniger als Schalke.

Auch offensiv ist Königsblau keineswegs so stark, wie es die Klubbosse vor Saisonbeginn gehofft hatten. Auf den Außenbahnen ist der Kader so dürftig bestückt, dass Neu-Trainer Karel Geraerts das von Thomas Reis bevorzugte 4-5-1-System mit offensiven Außen verwarf und auf ein 3-5-2 mit defensiven Schienenspielern umstieg.

Mohr kriselt seit Monaten

Die Schalker „Flügelflitzer“ Yusuf Kabadayi (19, zwei Tore/kein Assist) und Soichiro Kozuki (22, ohne Scorerpunkt) sind noch in der Lernphase. Die erfahrenen Kräfte sind kaum besser: Tobias Mohr (28, ein Tor/kein Assist) steckt seit Monaten in der Krise, Bryan Lasme (24, zwei Tore/ein Assist) weist horrende technische Mängel auf.

Nürnbergs Benni Goller im Duell mit Schalkes Derry Murkin.
Nürnbergs Benni Goller im Duell mit Schalkes Derry Murkin. © /firo Sportphoto | Marcel Engelbrecht

Allein Herthas Linksaußen und Mentalitätsmonster Fabian Reese (25), ein weiterer Absolvent der Knappenschmiede, kommt mit vier Treffern und fünf Assists auf mehr Scorerpunkte als das komplette königsblaue Quartett. Auch Magdeburgs Jason Ceka (24, ein Tor/fünf Assists) und Nürnbergs Benni Goller (24, zwei Tore/drei Assists) würden ihren einstigen Ausbildungsklub Schalke derzeit ziemlich sicher verstärken.

Nur Karaman überzeugt

Überzeugend agiert in der S04-Offensive nur der gelernte Flügelspieler Kenan Karaman (29, drei Tore, vier Assists). Den musste Geraerts jedoch mangels Alternativen zum zentralen Stürmer umfunktionieren. Die etatmäßige Nummer 9 Simon Terodde (35, zwei Tore, zwei Assists) wartet seit dem 2. Spieltag auf einen eigenen Treffer.

Felix Platte jubelt mit Robert Leipertz über einen Paderborner Torerfolg.
Felix Platte jubelt mit Robert Leipertz über einen Paderborner Torerfolg. © dpa | Uli Deck

Konkurrent Sebastian Polter (32) kommt auf drei Tore sowie zwei Assists – und damit auf die gleiche Scorerpunkt-Ausbeute wie der in GE geschmiedete Felix Platte (27) vom SC Paderborn. Doch Polter bringt nur 48 Prozent seiner Zuspiele bei Mitspielern an und gewinnt nur 44 Prozent seiner Zweikämpfe. Bei Platte sind es 63 bzw. 54 Prozent, ein krasser Qualitätsunterschied.

Die traurige Wahrheit ist: Auf fast allen Positionen finden sich in der 2. Liga ehemalige Knappenschmiede-Kicker, die eindeutig stärker sind als ihre aktuellen Pendants in Königsblau.