Gelsenkirchen. Was ist los mit Henning Matriciani? Im Frühjahr wurde der Schalker gefeiert, nun befindet er sich in einer Formkrise. Er bekommt Unterstützung.
Ein Formtief bei Henning Matriciani? Lange überlegen musste Karel Geraerts, Trainer des Zweitligisten FC Schalke 04, nicht, als diese Zeitung ihm die Frage stellte, ob er Matriciani aus der Startelf nimmt. "Ich werde das am Samstag entscheiden. Aber Henning gibt sein Leben für die Mannschaft, sein Leben für den Klub. Er ist ein Teamplayer, und genau das brauchst du. Ich habe auch gute Dinge bei Henning gesehen." Geraerts nimmt Matriciani in Schutz - wie so viele gerade auf Schalke. Aber warum eigentlich?
Matriciani hat einen wundersamen Aufstieg innerhalb von zwei Jahren hinter sich. Erst war er angestellter Physiotherapeut in Lippstadt, dann Spieler der U23 in der Regionalliga und im Frühjahr 2023 plötzlich Bundesliga-Stammspieler. Und gegen Ende der bitteren Abstiegssaison im Frühjahr nannten die Fans ihren Henning "Goat" - der Größte aller Zeiten - oder Fußballgott, Matriciani erhielt einen bis 2026 gültigen Profivertrag. Ein Märchen?
Die Süddeutsche Zeitung beschrieb ihn "als giftigen Widersacher und als ständigen Begleiter, der sich partout nicht abschütteln lassen will, und immer wieder auch als Saboteur, der plötzlich herangerauscht kommt und einem mit Grätschen, die aus der Zeit der Vorfahren stammen, den Ball wegnimmt." Mit einer dieser Grätschen verhinderte er im Derby gegen Borussia Dortmund eine Niederlage, es blieb beim 2:2, der Schuss von Mahmoud Dahoud flog nicht ins Tor, sondern gegen Matricianis Bein. Das ist erst ein halbes Jahr her, doch gefühlt eine Ewigkeit. Denn Matriciani befindet sich in einem schon lange anhaltenden Formtief.
Matriciani muss feststellen: Schalke ist nicht im Abstiegskampf
In der Sommerpause hatte er wegen der Teilnahme an der U21-EM große Teile der Vorbereitung verpasst. Er verlor deshalb seinen Stammplatz. Dass er als Defensiv-Allrounder alle Positionen spielen kann, wurde ihm zum Verhängnis. Ob außen oder in der Mitte - die Spezialisten waren alle fit. Der "Goat", der Fußballgott, nur auf der Bank? Von den ersten acht Zweitligaspielen bestritt er nur eines von Anfang an - das war die 0:2-Heimniederlage gegen Kiel. Matriciani musste feststellen: Schalke ist nicht mehr im Abstiegskampf, in dem es vor allem aufs nimmermüde Kämpfen und perfekte Grätschen ankommt - in der Zweiten Liga ist auch Offensivstärke gefragt. Dazu schrieb die Süddeutsche Zeitung schon vor Monaten: "Fußballerisch alles andere als ein Galactico."
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Nach dem Trainerwechsel spielte Matriciani nun viermal länger - gegen Hertha BSC (1:2) 90 Minuten lang als Rechtsverteidiger. Beim Gegentreffer zum 0:2 durch Fabian Reese sah er sehr schlecht aus. Im Spiel beim Karlsruher SC (0:3) kam er zur Pause - und ihm unterlief ein Eigentor zum 0:3-Endstand. Beim 3:2-Erfolg über Hannover 96 war Matriciani als rechter Schienenspieler im 3-5-2-System der schwächste Schalker. Von Derrick Köhn ließ er sich immer wieder düpieren, Dribblings zu verteidigen gelang ihm selten. Geraerts sagte zu diesem Spiel: "Gegen Hannover haben wir ihn in den ersten 20, 25 Minuten allein gelassen im Eins-gegen-eins, da hat er gewackelt. Ich will aber nicht, dass ein Spieler allein ist. Jeder soll Hilfe bekommen. Lino Tempelmann ist dann dazugekommen, das Problem war gelöst."
Im DFB-Pokalspiel gegen St. Pauli (1:2 nach Verlängerung) war Matriciani aber erneut ein Schwachpunkt. Schalkes Deckung stand zwar stabil - Matriciani blieb aber der Schwachpunkt. Er verursachte den Freistoß, der zum entscheidenden 1:2 führte.
Schalke: Hechelmann schützt Matriciani
Sportdirektor André Hechelmann hatte sich am Mittwoch vor Matriciani gestellt. Diese Zeitung sprach Hechelmann auf Matriciani an, ob ihm dessen Formtief Sorgen bereiten würde. Er antwortete: "Das macht mir keine Sorgen. Es geht darum, dass wir als Mannschaft kompakt arbeiten, da geht es nicht um Einzelne. Die Gruppe agiert geschlossen, es geht nur mit allen zusammen. Diejenigen, die jetzt spielen, geben alles, lassen ihr Herz auf dem Platz. Das wollen wir sehen, das sind die Basics, die wir eingefordert haben."
Doch trotz dieser verbalen Streicheleinheiten sollte sich Geraerts nach einem Ersatz umsehen. Im Kader gibt es keine Speziallösung, solange Cedric Brunner mit Leistenbeschwerden ausfällt. Er sei auf dem Weg der Besserung, war am Mittwoch auf Schalke zu hören - ohne konkrete Angabe eines Termins. Es gibt für die Position offensive Varianten: Yusuf Kabadayi und Soichiro Kozuki sind aber eigentlich Rechtsaußen, haben gute Defensivarbeit aber nicht gelernt. Auf der rechten Seite könnten Derry John Murkin und Tobias Mohr aushelfen - beide sind aber auf der linken Seite gesetzt, Murkin in der Innenverteidiger, Mohr als Schienenspieler. Eine schwierige Aufgabe für Geraerts. Dass Schalke U23-Rechtsverteidiger Steven van der Sloot (12 Spiele von Beginn , vier Vorlagen) befördert, deutet sich nicht an - bisher gehörte van der Sloot nicht zum Profi-Trainingskader. Im Sommer hatten die Schalker auf Leihbasis Mehmet Can Aydin (Trabzonspor) abgegeben - eine Leihe, die nun etwas schmerzt. Eine Rückholoption in der Winter-Transferperiode hat Schalke bei Aydin nicht.
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Schalke-Defensive zuletzt stark verbessert
Für die Defensivleistung der Schalker insgesamt fand Hechelmann lobende Worte: "Defensiv war das über lange Phasen sehr stabil. Wir haben gegen St. Pauli gespielt, die momentan Tabellenerster sind. Bei ihnen läuft es sehr, sehr gut. Wir haben uns nicht nur zur Wehr gesetzt, sondern sind ihnen auf Augenhöhe begegnet." Kritisch sah Hechelmann die Offensive: "Natürlich hatten wir mehrere Offensivsituationen, da muss es unser Ziel sein, sie besser auszuspielen, effizienter zu sein, nach einem 1:0 ein 2:0 hinterher zu setzen."