Gelsenkirchen. Coach Thomas Bertels spricht im Interview über Kritikfähigkeit, totale Beklopptheit und darüber, was er er von Schalkes Spielern erwartet.
Schalkes neuer U17-Trainer Thomas Bertels legt am Samstag (11 Uhr, Flinger Broich) mit seiner Mannschaft in der B-Junioren-Bundesliga bei Fortuna Düsseldorf los. „Das Kribbeln steigt, ich spüre eine Mischung aus Anspannung und Lockerheit und freue mich sehr auf mein erstes Spiel als Schalke-Trainer“, sagt der 36-Jährige. Im Interview spricht Bertels über Druck, welche Trainer-Persönlichkeiten ihn in seiner Laufbahn beeindruckt haben und warum es mit elf Schwiegersöhnen im Team nicht funktioniert.
Herr Bertels, Sie sind seit wenigen Wochen neuer Trainer der Schalker U17. Wie sind die ersten Wochen für Sie verlaufen?
Thomas Bertels (36): Es war schon eine intensive Zeit, zumal ich ja die Mitarbeiter und die Gegebenheiten kennenlernen musste. Wenn man nach zwölf Jahren beim SC Paderborn zu Schalke 04 wechselt, dann muss man über die veränderten Größenverhältnisse nicht sprechen.
Welchen Bezug hatten Sie vor Ihrem Amtsantritt zu den Königsblauen?
Ich bin seit meiner Kindheit Schalke-Fan. Bei uns im Dorf, das zwischen Geseke und Lippstadt liegt, gibt es einen Schalke-Fan-Club. Anhänger eines anderen Vereins zu werden, war für mich keine Option. Als Kind habe ich in den 90er-Jahren mein erstes Schalke-Spiel im alten Parkstadion gesehen. Das war ein 3:1 gegen Borussia Mönchengladbach.
Spüren Sie auf Schalke Druck?
Nein. Vielleicht spüre ich nur den Druck, den ich mir selbst mache, um die bestmögliche Leistung zu bringen. Das hatte ich aber als Trainer in Paderborn auch. Ich möchte bei meinem Verein Gas geben, will aber nicht das ganz Besondere machen. Ich bleibe meiner Linie treu.
Sie haben in Paderborn unter Steffen Baumgart, Stefan Effenberg und Roger Schmidt trainiert: Was ist von diesen Trainern hängengeblieben?
Roger Schmidt hat 2011 Mut bewiesen und mich aus der Regionalliga zum SC Paderborn geholt. Meine intensivste Zeit hatte ich mit Steffen Baumgart. Unter ihm war ich Vizekapitän. Die Art und Weise, wie er trainiert hat und welche Energie er eingebracht hat, war beeindruckend. Er lebt Fußball und hat ein Riesenherz. Baumi vermittelt, dass man als Fußballer den geilsten Sport der Welt ausübt. Bei Roger Schmidt waren der Mut und seine Akribie besonders. Er hat totale Leidenschaft eingebracht.
Und Stefan Effenberg, der in der Öffentlichkeit oft als arrogant angesehen wird?
Er ist aus meiner Sicht genau das Gegenteil. Effe ist ein toller Mensch, hatte einen guten Draht zu seinen Spielern. In Paderborn war es seinerzeit allerdings seine erste Station als Profitrainer. Er hat oft von seinen Bayern-Erlebnissen erzählt. Man klebte förmlich an seinen Lippen.
Welcher Trainer-Typ sind Sie?
Ich versuche, nah dran zu sein an den Jungs. Ich sehe mich mehr als Kumpel-Typ, ohne dabei einen Gute-Laune-Onkel zu spielen. Wenn ich aber merke, dass die Spieler es ausnutzen, kann ich auch anders (schmunzelt).
Wie lange hat es gedauert, bis Sie sich für Schalke entschieden haben?
Es ging ehrlicherweise recht schnell. Ich bin sonntags mit der Paderborner U21 in die Regionalliga West aufgestiegen. Dienstag gab es den Anruf von Knappenschmiede-Direktor Mathias Schober. Donnerstag haben wir uns getroffen. Am Sonntag habe ich zugesagt. Was mir wirklich schwergefallen ist: Ich hatte in Paderborn bereits Vertragsgespräche mit ein paar Jungs geführt, war dann aber auf einmal nicht mehr ihr Trainer. Aber so ist das manchmal im Fußball. Ich hätte mich für keinen anderen Verein als Schalke 04 entschieden.
Sie haben als Spieler des SC Paderborn 2017 einmal eine Rote Karte wegen Tätlichkeit in der Nachspielzeit gegen Hansa Rostock bekommen. Können Sie sich daran noch erinnern?
Ich war oft auf dem Platz oft emotional. Aber eine Tätlichkeit gehört sich definitiv nicht. Das weiß man auch direkt eine Sekunde, nachdem so etwas passiert.
Wie emotional dürfen Ihre Schalker U17-Spieler sein?
Für mich ist Fußball ein emotionaler Sport. Mit elf Schwiegersöhnen und Ballgeschiebe funktioniert es nicht (lacht). Unser ganzes Training ist auf Emotionen ausgelegt. Unter Steffen Baumgart lautete unser Motto: Totale Beklopptheit. Ich kann mich damit gut identifizieren.
Sprechen Sie mit einem Talent aus der U17 anders als mit einem Senioren-Spieler?
Klar kann man einem älteren Spieler deutlichere Worte sagen als einem jüngeren. Bei einem U17-Spieler ist es mehr ein Zwischending, aber auch hier sollte eine gewisse Kritikfähigkeit vorhanden sein. Ab der U17 sollten sich die Jungs an härteres Training gewöhnen – und auch an Ansprachen, die dem Herrenbereich näher kommen.
Ist die mangelnde Kritikfähigkeit ein grundsätzliches Problem im Fußball?
Ich denke, wir müssen alle generell kritikfähiger werden. Irgendwo wird immer nach Typen gerufen. Dann gibt einer ein authentisches Interview – und muss sich dafür im Nachhinein verantworten. Mich wundert es nicht, wenn Sportler, die in der Öffentlichkeit stehen, mit ihren Aussagen vorsichtiger geworden sind. Wir müssen meiner Meinung nach dahin kommen, dass die Spieler nach kritischen, konstruktiven Äußerungen verstehen, dass wir sie besser machen und ihnen nichts Böses wollen.
Wie oft steht Ihre Tür für die Schalker Talente offen?
Auf Schalke sind die Wege zu meinem Büro etwas weiter als in Paderborn, wo meine Tür direkt neben dem Kraftraum war (lacht). Ich bin immer für die Jungs da. Mir ist lieber, wenn die Jungs einmal zu viel als einmal zu wenig zu mir kommen.