Gelsenkirchen. Der Ex-Profi und heutige Sport1-Experte lobt Schalke als „geilen Verein“ und sieht durchaus Chancen auf den Klassenerhalt.
Neuling FC Schalke 04 ist für den ehemaligen Profi Maik Franz, der sich durch seine kompromisslose Spielweise zu Karlsruher Zeiten von den Fans den Spitznamen „Iron Maik“ verpasst bekam, kein normaler Bundesligist. Franz ist seit Kindheitstagen Fan des Ruhrpott-Klubs. Im WAZ-Interview verrät der Sport1-Experte, warum er die Königsblauen längst nicht abgeschrieben hat und warum er entgegen dem allgemeinen Trend sogar Trainer Frank Kramer den Rücken stärkt.
Herr Franz, Sie haben in Ihrer Karriere nie für Schalke 04 gespielt, sind aber trotzdem bekennender Königsblauer. Wie kommt das?
Maik Franz (41): Mein Vater ist seit Jahren Schalke-Fan. Als Kind bin ich mit ihm oft bei Spielen im alten Parkstadion gewesen und war auch 1997 beim Uefa-Cup-Finale gegen Inter Mailand dabei. Wir sind zu den Schalker Spielen immer fünf Stunden mit dem Auto von unserem Wohnort aus gefahren. Wenn ich mit meinen Mannschaften ein Auswärtsspiel auf Schalke hatte, war das immer etwas ganz Besonderes. Wer in das Stadion einläuft und keinen Bock auf Fußball hat, dem ist nicht zu helfen. Ich würde sogar barfuß hinlaufen, um auf Schalke spielen zu können.
Schalke hat beim 0:4 in Leverkusen nicht den Hauch einer Chance gehabt. Kann das Team mit solchen Leistungen überhaupt in der Bundesliga bleiben?
Eine Chance hat man immer – auch, wenn die Mittel vielleicht geringer sind als bei der Konkurrenz. Leverkusen ist eine Mannschaft, die jetzt nach dem ersten Saisonviertel unten steht, die aber eigentlich viel weiter oben in der Tabelle anzusiedeln ist. Also kannst du als Aufsteiger durchaus deutlich gegen Bayer Leverkusen verlieren. Schalke hat da auch doofe Tore kassiert, dazu kam der Trainerwechsel-Effekt bei Bayer 04. So etwas kann kurzzeitig einen Schub geben. Genau das ist unter Xabi Alonso auch eingetreten. Entscheidend werden für Schalke die nächsten Spiele. Da müssen sie punkten und aufpassen, dass diese Euphorie, die durch den Aufstieg entstanden ist, nicht komplett verfliegt.
Besonders die Defensive steht bei Schalke 04 in der Kritik. Vom japanischen WM-Teilnehmer Maya Yoshida geht bisher keine Sicherheit aus, insgesamt wirkt das Team in der Rückwärtsbewegung zu langsam. Wie sehen Sie das?
Tempo ist heute ein ganz entscheidender Faktor. Wenn man sich die Verteidigung ansieht, ist das Bild nicht gerade rosig, wobei man auch sagen muss: Mit Sepp van den Berg und Marcin Kaminski fallen zwei Spieler verletzt aus. Yoshida hat Erfahrung, fährt mit Japan zur WM und ist sicherlich auch fußballerisch gut, aber er braucht auch funktionierende Nebenleute, die sein Tempo-Defizit dann kompensieren können. Grundsätzlich halte ich einen erfahrenen Abwehrchef nicht für verkehrt, zumal Schalke mit van den Berg und dem Österreicher Leo Greiml auch noch sehr junge Verteidiger im Kader hat. Wenn sie links mit Thomas Ouwejan und rechts mit Cedric Brunner spielen, finde ich das ganz okay für die Bundesliga. Es ist schade, dass Ko Itakura zu Borussia Mönchengladbach gewechselt ist. Das war in meinen Augen für Schalke 04 ein geiler Spieler mit Schnelligkeit und Dynamik.
Viele Fans fragen sich mittlerweile, ob das vorhandene Potenzial reicht, um mit dem S04-Kader Viertletzter zu werden.
Ich sehe es ehrlich gesagt noch nicht ganz so dramatisch und ganz so schwarz. Aber eines ist klar: Die Verteidigung ist einfach mit das Wichtigste. Es gibt ja das alte Sprichwort: Der Sturm gewinnt Spiele, die Defensive gewinnt Meisterschaften. Wenn du hinten so anfällig bist, dann ist es schwer zu punkten. Schalke muss es hinkriegen, auch mal mit einem Torerfolg etwas zu holen.
Sind Sie ein Freund von Winter-Transfers oder halten Sie solche Aktivitäten eher für panikartige Korrekturen?
Sich im Winter zu verstärken, macht auf jeden Fall Sinn. Schalke hat vielleicht nicht die großen finanziellen Mittel, aber sie haben eine große Trumpfkarte: Der S04 ist ein geiler Verein, hat Tradition und eine Riesen-Fangemeinde. Das kann für einen Verpflichtungs-Kandidaten auch mal ein Grund sein, auf etwas Geld zu verzichten, um bei so einem Verein wie Schalke zu spielen. Ich denke schon, dass Schalke die Chance hat, im Winter ein, zwei Jungs zu finden, die beim Kampf um den Klassenerhalt helfen können.
Im Schalker Umfeld wird vor dem Freitag-Spiel gegen Hoffenheim bereits über mögliche Nachfolger von Trainer Frank Kramer diskutiert. Geht Ihnen das etwas zu schnell?
Es geht immer und überall schnell. Für das, was du gestern erreicht hast, kannst du dir morgen nichts mehr kaufen. Aber ich sage auch: Was soll Frank Kramer denn machen? Er muss mit dem Verletzungspech leben. Und die Jungs, die jetzt spielen, stoßen irgendwo auch an Grenzen. Der Trainer ist in meinen Augen die wichtigste Person im Verein, er benötigt die komplette Unterstützung. Selbst, wenn da jetzt ein José Mourinho bei Schalke an der Linie stehen würde, könnte der auch nicht viel verändern.
Also muss bei den Königsblauen insgesamt mehr Geduld rein?
Sie haben es ja offen kommuniziert, dass es kein leichtes Jahr in der Bundesliga wird. Auf Schalke werden keine Luftschlösser gebaut. Deswegen wäre es wünschenswert, wenn das Umfeld es anerkennt und die Ausrichtung auch so mitträgt. Rückschläge gehören nun mal dazu. Aber Schalke 04 hat, bis auf vielleicht zwei, drei Gegner, in jedem Bundesliga-Spiel eine Chance, zu gewinnen. Auch am Freitag gegen Hoffenheim.
Worauf muss Schalke setzen?
Heimspiel, Flutlicht, totale Unterstützung, volle Hütte. Wenn Schalke seine Tugenden und die Leidenschaft auf den Platz bringt, wird es für jeden Gegner schwer in der Veltins-Arena. Ich habe Kontakt zum einen oder anderen S04-Spieler. Sie schätzen die Lage realistisch ein. Der Klassenerhalt ist auch aus ihrer Sicht möglich.
Mit den Hoffenheimern Sebastian Rudy und Ozan Kabak kommen am Freitag zwei ehemalige Schalker nach Gelsenkirchen. Wie heiß wird die Rückkehr?
Ich kann mir gerade bei Sebastian Rudy ehrlich gesagt nicht vorstellen, dass er in der Kabine alle Hoffenheimer Spieler anstachelt und sagt: Los Leute, Attacke, jetzt geht’s gegen Schalke! Du machst aus einem ruhigen, introvertierten Spieler keinen Lautsprecher, wobei das intern natürlich anders aussehen kann als draußen auf dem Platz. Für Sebastian Rudy lief es auf Schalke nicht gut. Da hatte auch ich mir wesentlich mehr erhofft, nachdem er von Bayern München als Top-Neuzugang kam. Aber er hat bei Schalke nie zu seiner Form und zu seiner Stärke gefunden. Schalke ist ein Verein, der emotionale Spieler benötigt. In Hoffenheim läuft es für Rudy sicherlich besser.
Und was ist mit Ozan Kabak, der seit Sommer für die TSG verteidigt?
Ozan Kabak hat mir auch zu seiner Schalke-Zeit gefallen. Das ist ein junger Verteidiger mit viel Potenzial. Dass er zwischenzeitlich für Liverpool gespielt hat, war gigantisch: Das ist nicht vielen Spielern vergönnt. Aber den richtigen Durchbruch hat er in England nicht geschafft. Jetzt Stammspieler in der Bundesliga zu sein, ist für Kabak eine coole Nummer.