Gelsenkirchen. Einst Fan-Liebling, inzwischen Currywurst-Verkäufer: Didi Schacht wird am Mittwoch 60 Jahre alt. Ein Gespräch mit der S04- und MSV-Legende.

Pünktlich wie immer öffnet Dietmar Schacht das Fenster seines Currywurst-Wagens. Es regnet ein wenig, und doch sieht er in Gelsenkirchen schon die ersten Kunden kommen. Dietmar nennt ihn niemand, er ist der Didi, egal, auf welchem Fußballplatz er im Ruhrgebiet auftaucht. Er ist ein Typ, einer mit Charakter, eine Legende beim MSV Duisburg und beim FC Schalke 04. An diesem Mittwoch feiert Didi Schacht seinen 60. Geburtstag. Zu Beginn des Interviews serviert er – natürlich – die bestellte Currywurst.

Didi Schacht: Normale Soße oder pikante Soße? Die habe ich selbst gemacht.

Okay, dann die pikante… 60 Jahre alt – was macht das mit Ihnen?

Eine 6 davor zu haben – das ist schon etwas anderes. Man sagt ja immer, zwei Drittel des Lebens sind dann rum. Kommt noch ein Drittel, werde ich 90. Das wäre ja sensationell. Wenn ich dann mit 90 immer noch hier im Wagen stehe, wäre ich fit wie ein Turnschuh. (lacht) Aber ich bin viel mit jungen Menschen zusammen, deshalb mache ich mir da keine allzu großen Gedanken.

Feiern Sie denn gar nicht?

Doch, Schalke macht für mich eine Feier „60 Jahre Didi Schacht“. Ich bringe 40 Mann mit, dazu noch Fans. Dass Schalke da so eine Geschichte macht, darauf bin ich stolz.

Ein Mann nähert sich dem Wagen. Schalke-Trainer Frank Kramer, sagt Schacht, hätte ihn neulich zu seinem Einstand eingeladen. „Das ist kein Verkehrter“, sagt Schacht. Plötzlich sieht er, dass der Kunde eine schwarz-gelbe Jacke trägt. „Das gibt es doch gar nicht. Mit so ‘ner Jacke kriegste nichts“, sagt Schacht, lacht und verzeiht schnell. „Pikant oder normal?“ Diesmal normal.

Didi Schacht im Gespräch mit Andreas Ernst (links) und Thomas Tartemann.
Didi Schacht im Gespräch mit Andreas Ernst (links) und Thomas Tartemann. © Ingo Otto/FUNKE Foto Services | Ingo Otto/FUNKE Foto Services

Viele Trainer sind bei Ihnen zu Gast und essen eine Currywurst. Schafft Schalke den Klassenerhalt?

Ja. Die Mannschaft spielt sicher nicht gut Fußball, aber sie fightet, gibt nicht auf.

„Bis nächste Woche“, sagt der Mann mit der schwarz-gelben Jacke. Der Nächste steht vor seinem Wagen. „Ein Wasser bitte.“ Didi Schacht lacht: „Hab ich nicht. Nur Cola und Cola Zero. Komm, Deine Frau muss das ja nicht sehen.“ Der Mann überlegt: „Dann eine Cola.“

Was war in Ihrer Karriere die verrückteste Station?

Überall war etwas Besonderes, ob nun gut oder schlecht. Ich habe mal als 22-Jähriger in Südkorea gespielt. Das war ein großes Abenteuer mit 24 Stunden Hinflug. Damals gab es dort Studenten-Unruhen, da sind Demonstranten über den Platz gelaufen, die Polizei hinterher – und wir haben normal trainiert. Meine Mitspieler hat das nicht gestört.

Ein Stammkunde kommt. Einer, der verfolgt, wie Schacht als Trainer mit der GSG Duisburg in der Bezirksliga abschneidet. Das Spiel beim VfB Speldorf ging Sonntag mit 0:6 verloren. „Hömma Didi, wat war los?“ Der sagt: „Viele Chancen vergeben.“

Sie hatten viele Trainerstationen in Ihrem Leben. Sind Sie im Laufe der Jahre ruhiger geworden?

Ja. Am Sonntag habe ich gar nichts gesagt. Man muss ja manchmal das Gegenteil von dem machen, was alle erwarten. Ich ärgere mich maßlos, bemühe mich aber, Ruhe auszustrahlen. Fällt mir aber schwer. Stinksauer war ich schon. Es war eine gute Kulisse, und überall hieß es: „Der Didi Schacht kommt.“

Aufstiegsheld: Dietmar Schacht im Jahr 1991 als gefeierter Mann im Schalke-Trikot.
Aufstiegsheld: Dietmar Schacht im Jahr 1991 als gefeierter Mann im Schalke-Trikot. © firo | firo

Sie feiern Ihren 60. Geburtstag und sind in Erinnerung geblieben. Das bekommen nicht viele Ex-Profis hin.

Ja, ich werde oft erkannt. In Duisburg noch mehr, da bin ich aufgewachsen. Man sieht, dass die Identifikation früher ganz anders war. Wenn ich zu meiner Zeit morgens beim Training vorgefahren bin, haben die Fans auf mich gewartet und mit mir gesprochen. Heute sieht man die Spieler gar nicht mehr.

Ein Motorradfahrer hält an. „Einmal Menü 1. Ich komme extra aus Essen, bin zum ersten Mal hier.“ Didi Schacht sagt: „Aus Essen? Stimmt, ihr habt da ja auch keine Currywurst in Essen.“ Und er lacht wieder. Es gibt Ex-Profis, die abgehoben sind. Er gehört nicht dazu.

Sie haben einmal in Bad Neuenahr eine Frauenfußball-Bundesligamannschaft trainiert.

Unsere Nationalmannschaft hat bei der EM wirklich tollen Fußball gespielt. Das war eine Werbung für den Frauenfußball. Ich kenne Martina Voss-Tecklenburg auch schon sehr lange aus Duisburg. Ich habe damals als Trainer in Bad Neuenahr gesagt, dass sich der Klub dem 1. FC Köln anschließen muss. Den Weg wollte man dort aber nicht gehen.

„Du siehst so aus“, sagt Schacht zum nächsten Kunden, „als würdest Du Menü 1 nehmen.“ Der überlegt: „Einmal Menü 1.“ Gelächter. „Mit Auge“, sagt Schacht. „Das ist, weil ich mit Klaus Augenthaler den Fußball-Lehrer gemacht habe.“

Ein Kämpfer: Dietmar Schacht 1984 im Einsatz für den MSV Duisburg gegen Schalkes Mathias Schipper.
Ein Kämpfer: Dietmar Schacht 1984 im Einsatz für den MSV Duisburg gegen Schalkes Mathias Schipper. © imago | imago

Schalke 04 pflegt seine Helden. Sie waren 1991 der Aufstiegskapitän. Hätten Sie das gedacht, als Sie nach Gelsenkirchen gewechselt sind?

Für mich gab es eigentlich nur den MSV Duisburg – als Achtjähriger habe ich dort angefangen. Ich hätte damals nie gedacht, dass ich jemals vom MSV weggehe. Der Kontakt zu Schalke ist zuletzt immer intensiver geworden. Jetzt ist Schalke mein Herzensverein. Auch wenn das in Duisburg keiner gerne hört.

Sind Sie traurig, dass es zum MSV nicht mehr so viel Kontakt gibt?

So ist das Leben. Der MSV wird es nie lernen, wie man mit Ehemaligen umgeht.