Gelsenkirchen. Der frühere Torwart von Schalke 04 und dem VfB Stuttgart spricht über das anstehende Duell seiner Ex-Klubs am kommenden Samstag.

Wenn am Samstag der FC Schalke 04 beim VfB Stuttgart antritt (15.30 Uhr/Sky), dann wird der frühere Nationaltorwart Timo Hildebrand mehr als nur ein Auge auf die Partie werfen. Schließlich wurde er mit dem VfB 2007 sensationell Deutscher Meister und spielte von 2011 bis 2014 für Königsblau. Heute ist der 43-Jährige Unternehmer.

Herr Hildebrand, am kommenden Samstag treffen Ihre Ex-Vereine Stuttgart und Schalke aufeinander. Die Begegnung wird Sie sicherlich nicht kaltlassen. Was für eine Partie erwarten Sie?

Ich erwarte ein Spiel, das zunächst sehr verhalten beginnen wird. Schalke hat eine herbe Niederlage in den Knochen und Stuttgart drei Unentschieden.

Wie eng ist heute noch Ihre Verbindung zu beiden Vereinen?

In Stuttgart fühle ich mich zu Hause. Familie und Freunde wohnen hier. Und natürlich ist der VfB immer noch mein Herzensverein. Denn hier habe ich schließlich die längste und erfolgreichste Zeit meiner Karriere verbracht. Mit VfB-Vorstand Alexander Wehrle war ich zuletzt essen. Ich gehe hin und wieder ins Stadion und werde auch am Samstag vor Ort sein. Der Kontakt zum FC Schalke ist hingegen in den letzten Jahren immer weniger geworden.

Stichwort Essen: Sie sind unter die Gründer gegangen. Seit 2021 führen Sie in der Stuttgarter Innenstadt das Restaurant „vhy“, das ausschließlich vegane Produkte anbietet. Wie kam es dazu?

Ich habe lange in ein veganes Unternehmen in Berlin investiert. Durch meine Aktivitäten habe ich mich mit dem Thema in den letzten immer stärker auseinandergesetzt. Dabei bin ich zu der Überzeugung gekommen, dass wir nicht mehr so weiter machen wie in den letzten 50 Jahren. Die waren geprägt von Massentierhaltung und Klimaverschmutzung und einem enormen Wasserverbrauch. Schnell kam dann gemeinsam mit ein paar Freunden die Idee, ein veganes Restaurant zu gründen. In Stuttgart gab es so etwas in der Form noch nie.

2007 feierten Sie mit Stuttgart den größten Erfolg Ihrer Karriere. Sie schnappten den Schalkern die Meisterschaft praktisch vor der Nase weg.

Die Meisterschaft war vor allem deshalb so bemerkenswert, weil uns niemand auf der Rechnung hatte. Unsere damalige Truppe bestach durch einen enormen Teamgeist. Noch heute treffe ich hin und wieder frühere Weggefährten, wie zum Beispiel den damaligen Sportdirektor Horst Heldt.

Der spätere Schalke-Manager Horst Heldt war es dann auch, der Sie 2011 zum FC Schalke 04 holte. Mit welchen Gefühlen schauen Sie heute auf Ihre Zeit in Gelsenkirchen?

Ich empfand es damals nach meiner Durststrecke in Valencia, Hoffenheim und Lissabon als großes Glück, nochmal bei einem großen Klub aufzuschlagen und in der Champions League spielen zu dürfen. Schalke war meine zweitlängste Station und damals für mich ein kleines neues Zuhause.

Allerdings waren Sie nur in wenigen Phasen die klare Nummer eins.

Auf Schalke war ich ja alles. Mal die Nummer drei, mal die zwei und mal die eins. Und später habe ich dann wieder meinen Stammplatz verloren. Es war ein einziges Auf und Ab. Ich war gerade die Nummer eins geworden, da habe ich mich sofort wieder verletzt und musste mich wieder ran kämpfen. In der Zeit habe ich gelernt, was es bedeutet, demütig zu sein. Schließlich war ich in Stuttgart immer die unangefochtene Nummer eins. Da ist es schwierig, mit der Bank vorlieb zu nehmen.

Das Pflichtspieldebüt im Dezember 2011 konnte für Sie seinerzeit nicht besser laufen. Am 6. Spieltag der Europa League bei Maccabi Haifa parierten Sie direkt einen Elfmeter, am Ende siegte Schalke 3:0.

An den Tag kann ich mich noch genau erinnern. Huub Stevens war ein Fanatiker für Elfmeterstatistiken. Ich habe zu ihm hinaus geschaut und genau gewusst, wo der Schütze hinschießt. Überhaupt denke ich gerne an die Zeit zurück. Er hatte eine klare Kommunikation, auch in den Phasen, wo es für mich nicht so gut lief. Zudem stand für ihn der Teamgedanke immer weit vorne.

Weniger schön verlief eine Partie am 13. November 2013. In der Champions-League Gruppenphasen-Begegnung beim FC Chelsea schossen Sie Samuel Eto´o aus nächster Entfernung an. Schalke verlor 0:3. Danach mussten Sie sich viel Häme gefallen lassen. Wie haben Sie die Szene damals erlebt?

Live und in echt (lacht). Es war einer der wenigen Blackouts in meiner Karriere. Das Schlimme ist, dass ich in dem Spiel eigentlich überragend gehalten habe. Aber darüber redet jetzt keiner mehr. Das ist eben das Schicksal eines Torwarts. Wichtig ist, dass man daran nicht zerbricht. Denn dann kann es ganz schnell vorbei sein.

Blicken wir auf die Gegenwart: Schalkes Torwart Alexander Schwolow geriet zuletzt in die Kritik, weil er nicht in allen Spielen sicher wirkte. Wie beurteilen Sie von Außen seine Situation?

Eine Torwartdiskussion nach so wenigen Spieltagen ist nie gut und schadet dem Verein. Für mich ergibt es auch keinen Sinn, nach einer schlechten Leistung sofort den Torwart zu wechseln. Viel wichtiger finde ich, dass sich in der Defensive gewisse Automatismen einspielen. Das betrifft aber die gesamte Mannschaft.

Zumal es fraglich erscheint, wie es um das Selbstvertrauen seines Vertreters Ralf Fährmann bestellt ist. Im Kampf um die Nummer zog Ihr früherer Teamkollege zuletzt regelmäßig den Kürzeren. Was macht das mit einem Torhüter, der so lange für einen Verein spielt?

Für Ralf ist die Situation brutal schwierig. Über die letzten Jahre hinweg kennt er es ja gar nicht mehr anders. Ralf hat seine Rolle gefunden und nimmt diese gut an. Vor seiner Einstellung habe ich vollsten Respekt.

Nach vielen Jahren im Europapokal befinden sich der VfB und die Königsblauen aktuell im Abstiegskampf. Welche Erklärung haben Sie dafür, dass Ihre Ex-Vereine im Laufe der vergangenen Jahre ihre Ansprüche so stark runterschrauben mussten?

Es gibt schon deutliche Parallelen zwischen den Klubs. Im Laufe der vergangenen zehn Jahre gab es bei Schalke und Stuttgart einfach keine Kontinuität mit Blick auf die handelnden Personen. Im Vergleich dazu muss man sich nur mal den SC Freiburg anschauen. Dort ist mit Christian Streich seit Jahren derselbe Trainer. Zudem arbeitet im Hintergrund ein Team, das eng zusammenhält.

Eine Parallele ist sicher, dass Simon Terrode für beide Klubs in der 2. Bundesliga knipste. Wird er die Kritiker, die ihm Liga 1 nicht zutrauen, im Verlauf der Spielzeit widerlegen?

Ich kenne ihn sehr gut und hatte ihn bereits in meinem Podcast „Timos Bankgeflüster“ zu Gast. Leider glaube ich, dass er diesen Stempel wohl nie mehr los wird. Dann ist es natürlich für ihn umso bitter, dass er sofort zwei Elfmeter verschießt. Aber er ist ein super Stürmer und wird bald wieder treffen.