Gelsenkirchen. Der Gewinn des Uefa-Pokals von Schalke 04 jährt sich zum 25. Mal. Werner Hansch war damals in Mailand dabei - im WAZ-Gespräch erinnert er sich.
25 Jahre. So lang ist die magische Nacht von Mailand heute auf den Tag genau her. Der Jubellauf von Marc Wilmots in seinem blutverschmierten Trikot, der parierte Elfmeter von Jens Lehmann, die Übergabe des Pokals an Kapitän Olaf Thon – all das sind Bilder, die sich in die Köpfe eines jeden Fans von Schalke 04 eingebrannt haben. Vergessen wird den Triumph der Eurofighter im Finale des Uefa-Pokals bei Inter Mailand in Gelsenkirchen niemand – so viel steht fest.
Auch, weil der Bundesliga-Aufsteiger die Helden von 1997 immer wieder einbezieht. Erst vor zwei Wochen, zum Zweitliga-Heimspiel gegen den FC St. Pauli (3:2), wurden die komplette Mannschaft und ihre Familien zu einer Jubiläumsfeier eingeladen. Vor dem Spiel wurden die Eurofighter auf dem Rasen noch einmal geehrt und von den Fans besungen und gefeiert.
Untrennbar verbunden mit dem bis heute größten Erfolg der Schalker Vereinsgeschichte ist auch Werner Hansch. Der heute 83-Jährige kommentierte das Spiel für den damals übertragenden TV-Sender Sat.1 live aus dem Giuseppe-Meazza-Stadion in Mailand. 13,8 Millionen Deutsche saßen damals vor ihren Fernsehgeräten und lauschten den Worten von Hansch, der diesen Abend als das Highlight seiner langen Laufbahn bezeichnet.
Schalke-Geschichten von Werner Hansch begeistern noch heute
Und auch 25 Jahre danach erinnert sich Hansch noch genau an den 21. Mai 1997 und den 4:2-Sieg nach Elfmeterschießen für Schalke 04. Als die WAZ die Reporter-Legende im Restaurant „Charly’s Schalker“ auf dem Vereinsgelände der Gelsenkirchener trifft, schwelgt er in Erinnerungen und begeistert dabei – mehr oder weniger – unfreiwillig auch die Gäste an den Nebentischen.
Seine kraftvolle und kernige Stimme ist auch im Mai 2022 noch unverwechselbar. Wenn Werner Hansch von Ingo Anderbrügges „Knallbonbon“ im Elfmeterschießen spricht oder erzählt, wie „sein Herz beinahe stehengeblieben“ wäre, als Inters Stürmer Maurizio Ganz in der Verlängerung die Latte traf, ist man als Fußballfan einfach gezwungen, förmlich an den Lippen des 83-Jährigen zu kleben.
Aber nicht nur wegen der Bilder, die der gebürtige Recklinghäuser 1997 durch seine Worte in die Wohnzimmer von Millionen Fans transportierte, ist seine Reportage aus San Siro noch heute legendär. Erst die Stille machte Hanschs Kommentar zu einem echten Meisterstück. Denn nachdem Marc Wilmots den entscheidenden Elfmeter zum Sieg verwandelte und sich alle Königsblauen in den Armen lagen und sogar vor Freude weinten, ließ er sich nur kurz von der Euphorie anstecken.
Als die Schalker jubelten schwieg Werner Hansch
„Nach dem Spiel ist etwas Interessantes passiert“, erzählt Hansch. „Als deutscher Reporter feiert man einen solchen Titel ja normalerweise auch. Doch bei mir war es anders. Ich wurde immer ruhiger.“ Jubeln ließ er die Protagonisten auf dem Feld. Es sprachen nur die Bilder, für die es ohnehin nicht die richtigen Superlative gegeben hätte.
„Wir haben heute Fußballgeschichte geschrieben“, sagte ihm der damalige Sportchef von Sat.1, Reinhold Beckmann. Und das sahen auch viele Experten so, denn Hansch gewann für seine Reportage aus Mailand den Telestar-Fernsehpreis (Vorgänger des Deutschen Fernsehpreises) in der Kategorie „Beste Dokumentation“. Eine Ehrung, auf die er mächtig stolz ist.
Doch warum hatte Hansch in diesen Momenten, in denen das Giuseppe-Meazza-Stadion Kopf stand, geschwiegen? Weil sich für ihn persönlich ein Kreis schloss. Während der königsblauen Ekstase erinnerte er sich an seine ersten Berührungspunkte mit Schalke und der Fußball-Berichterstattung zurück. „Genau 25 Jahre zuvor saß ich voller Angst, mit schlotternden Knien auf der Schalker Glückauf Kampfbahn und war zum ersten Mal Stadionsprecher beim Fußball“, erzählt er. Mit Fußball hatte der diplomierte Sozialwissenschaftler bis dahin nur wenig zu tun. „Ich war damals über 30 Jahre alt und hatte noch nie ein Bundesligaspiel gesehen.“
1973: Werner Hansch leistete sich legendären Fehler bei Schalke-Aufstellung
Dennoch sprang er als eine Art Freundschaftsdienst als Stadionsprecher auf Schalke ein. „Es war der 23. Februar 1973.“ Auch dieses Datum wird Hansch nie vergessen. Die Schalker spielten damals gegen den großen FC Bayern München mit Stars wie Georg Schwarzenbeck, Uli Hoeneß, Gerd Müller oder Franz Beckenbauer. Namen, die noch heute jedem Fußballfan ein Begriff sind. Hansch allerdings „ging Beckenbauer damals am Arsch vorbei“, wie er mit einem Lachen sagt. „Ich kannte seinen Namen vielleicht aus der Zeitung, mehr nicht.“ Anstatt sich mit Fußball zu befassen, verdiente er sein Geld als Kommentator an den Westdeutschen Pferderennbahnen. Nur weil sein damaliger Chef Hans Schneider, der nebenbei auch den Stadionsprecher an der Glückauf Kampfbahn gab, verhindert war, sprang Hansch bei diesem Spiel gegen den FC Bayern ein.
Als Fußball-Novize war er mit der Situation komplett überfordert – und leistete sich einen bis heute legendären Fehler, als er über das Mikrofon im Stadion verlauten ließ: „Mit der Startnummer 1: Norbert Nigbur“. Die rund 30.000 Zuschauer in Gelsenkirchen lachten lauthals. Hansch war fest davon überzeugt, nie wieder auf Schalke auszuhelfen. Doch es kam anders: Weil er den damaligen Präsidenten Günter Siebert mit seiner Stimme überzeugte, bot dieser ihm eine Festanstellung gegen Honorar an. Hansch sagte zu.
Die Stimme von Werner Hansch ist Kult - bis heute
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Über weitere Zufälle landete der Recklinghäuser zunächst beim Hörfunk des Westdeutschen Rundfunks und dann bei Sat.1 als Kommentator für Fußballspiele. Über Umwege wurde er zu einem der bekanntesten und erfolgreichsten Kommentatoren in Deutschland – in der Rückschau lässt das den 83-Jährigen emotional und mächtig stolz werden.
Durch Reportagen wie die vom 21. Mai 1997 wurde Werner Hanschs unverwechselbare Stimme Kult – weit über das Ruhrgebiet hinaus. Und sie ist es bis heute.