Nürnberg/Gelsenkirchen. Er kam als Hoffnungsträger zu Schalke, aber konnte die Erwartungen nicht erfüllen. Johannes Geis spricht über seinen unrühmlichen Abschied.

Gar nicht lang ist es her, da zählte Johannes Geis zu den größten Talenten in Deutschland. Für zehn Millionen Euro wechselte er 2015 von Mainz zu Schalke 04. Bei den Königsblauen sollte er der neue Chef im Mittelfeld werden – doch Geis scheiterte. Im Anschluss ging es abwärts für den heute 28-Jährigen.

Beim 1. FC Nürnberg aber ist er wieder wichtig. In der jungen Mannschaft ist Geis ein Führungsspieler. An diesem Freitag kehrt er erstmals seit seinem unrühmlichen Abschied 2019 zurück nach Gelsenkirchen, wenn der FCN auf Schalke spielt (18.30 Uhr/Sky).

Herr Geis, Ihr früherer Mannschaftskollege Guido Burgstaller hat in der vergangenen Woche gegen Schalke doppelt getroffen. Wie viele Treffer haben Sie sich gegen Ihren Ex-Klub vorgenommen?

Johannes Geis: (lacht) Ich würde natürlich gern in jedem Spiel ein Tor schießen. Aber das ist nicht meine Kernaufgabe. Wir wollen ein geiles Spiel liefern und ich freue mich, dass ich erstmals seit meinem Weggang wieder auf Schalke spielen darf.

Sie sind 2015 für über zehn Millionen Euro von Mainz zu Schalke gewechselt. Inwieweit hat Sie diese Summe belastet?

Geis: Belastung ist das falsche Wort. Aber der Wechsel war ein riesiger Schritt für mich. Schalke war damals noch ein Champions-League-Kandidat. Die Wucht auf Schalke habe ich anfangs ein bisschen unterschätzt. Im jugendlichen Leichtsinn habe ich mir darüber nicht so viele Gedanken gemacht. Ich wusste, dass Schalke eine andere Nummer ist als Mainz 05, doch eine genaue Vorstellung hatte ich nicht. Dieser Druck auf Schalke herrscht immer noch – auch in der 2. Liga. Das wird sich wahrscheinlich nie ändern.

Nachdem es in Ihrem ersten Jahr gut für Sie gelaufen war, bekamen Sie nach einem groben Foulspiel gegen Gladbachs André Hahn, für das Sie Rot sahen, erstmals echten Gegenwind. Was haben diese Reaktionen mit Ihnen gemacht?

Geis: Das war für mich komplett neu, ich war ein junger Bursche. Was damals in den Medien und auch den Sozialen Netzwerken auf mich eingeprasselt ist, hat mich beschäftigt. Auf dem Platz habe ich mir danach aber wenig Gedanken darüber gemacht, beschäftigt hat es mich eher privat.

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Warum hat es für Sie auf Schalke letztlich nicht gepasst?

Geis: Schwer zu sagen. Zuallererst lag es an mir selbst, vielleicht aber auch an dem einen oder anderen Trainer. Schalke und ich sind im Guten auseinandergegangen, ich habe dort keine verbrannte Erde hinterlassen. Es hat sportlich nicht so gut funktioniert, wie es sich der Klub und auch ich selbst vorgestellt haben. Trotzdem nehme ich viel Positives mit und bin stolz, dass ich für Schalke spielen durfte.

Sie kamen als gefeierter Jungstar nach Gelsenkirchen, haben die Erwartungen aber nicht erfüllen können. Was hat das mental mit Ihnen gemacht?

Geis: Das hat mich nicht kaltgelassen. Es war wirklich schwer, weil damals nicht viel mit mir gesprochen wurde. Als ich 2018 zu den Amateuren geschickt wurde, hat mir niemand erklärt, warum. Erst am Abend vor dem Abflug ins Trainingslager hatte ich aus der Zeitung erfahren, dass ich nicht mitfliegen darf – obwohl ich schon auf dem Weg nach Gelsenkirchen war. Das hat etwas mit mir gemacht. Rückblickend hat es mich aber reifen lassen und mich als Menschen stärker gemacht. Ich habe gelernt, dass man im Leben auch auf die Fresse fliegen kann. Dafür bin ich heute dankbar.

Johannes Geis zu seiner Zeit auf Schalke.
Johannes Geis zu seiner Zeit auf Schalke. © firo

Wie sind Sie aus diesem Tief herausgekommen?

Geis: Ich habe mir kleine Ziele gesetzt, wollte nicht mehr alles so nah an mich heranlassen. Wichtig war mir, dass meine Frau und meine Freunde hinter mir standen. Wir haben viel gesprochen und ich habe versucht, auch mal auf andere Gedanken zu kommen. Ich habe gelernt, dass man im Fußball nicht alles beeinflussen kann. Man kann im Training Gas geben – und das habe ich auf Schalke täglich gemacht. Selbst, als ich in die U23 abgeschoben wurde. Ich habe noch nie aufgegeben, sondern mich da durchgebissen. Ich bin ein Kämpfertyp.

Als Sie der 1. FC Köln nach einer Leihe 2019 nicht fest verpflichten wollte, waren Sie einige Wochen ohne Verein. Hatten Sie in dieser Phase Angst um Ihre Karriere?

Geis: Klar, habe ich mir Gedanken gemacht. Mit meinem Berater war ich durchgehend in Kontakt, doch die Frage war, ob ich ins Ausland gehe oder in Deutschland bleibe. Entscheidend war für mich, dass ich regelmäßig spiele. Mit Nürnberg hatte ich in dieser Zeit sehr gute Gespräche. Die damaligen Verantwortlichen haben mich aus meinem Loch ein stückweit herausgeholt.

Das scheint gut geklappt zu haben. Beim FCN sind Sie ein Führungsspieler und haben Ihren Vertrag erst vor wenigen Tagen verlängert.

Geis: Ich bin wirklich stolz darauf, Teil dieses Teams zu sein – mit Mannschaft, Umfeld, Trainerteam und Geschäftsstelle wächst etwas zusammen. Wir sind eine geile Truppe mit vielen jungen Spielern. Spätestens mit der Verpflichtung von Trainer Robert Klauß, Dieter Hecking als Sportvorstand und Olaf Rebbe als Sportdirektor ist hier auf sportlicher Ebene einiges umgekrempelt worden. Das hat dem Club einen Push gegeben.

In der 2. Liga stehen Sie derzeit auf Rang fünf, nur einen Punkt hinter dem Relegationsplatz. Was ist in dieser Saison möglich?

Geis: Jeder Fußballer träumt von der ersten Liga. Doch man darf von unserer jungen Mannschaft noch nicht zu viel erwarten, muss ihr Zeit geben. Aber wir haben gezeigt, dass wir mithalten können. Platz fünf bis acht ist in diesem Jahr realistisch. Alles andere wäre ein Bonus für uns und unsere Fans, die in den vergangenen Jahren viel leiden mussten. Wir wollen einfach eine Mannschaft sein, mit der sich die Fans und die gesamte Stadt identifizieren kann.

In Aktion: Johannes Geis (links) im Spiel der Nürnberger gegen St. Pauli.
In Aktion: Johannes Geis (links) im Spiel der Nürnberger gegen St. Pauli. © getty Images

Ist es ein Vorteil für den FCN, dass im Verein nicht der ganz große Druck herrscht, aufsteigen zu müssen?

Geis: Vorteil ist ein großes Wort. Aber natürlich haben Bremen, Schalke und auch der HSV mehr Druck als wir.

Wer ist am Freitag Favorit?

Geis: Schalke natürlich. (Grinst) Sie sind der Bundesliga-Absteiger und spielen zu Hause.

Trotz der vielen Ausfälle?

Geis: Man wird sehen, ob uns das in die Karten spielt. Simon Terodde kenne ich noch aus Köln, er ist ein Ausnahmestürmer. Ich bin nicht traurig, dass er gegen uns nicht spielt – wünsche mir aber für ihn persönlich, dass er schnell wieder fit wird und Schalke helfen kann.

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Dass Sie mal in der 2. Liga auf Schalke treffen, hätten Sie wahrscheinlich vor wenigen Jahren nicht für möglich gehalten.

Geis: (lacht) Das ist wirklich surreal. Hätte mir das jemand erzählt, hätte ich wohl nur geantwortet, dass er mal zu einem Psychologen gehen soll. Es ist sehr komisch, doch so ist es leider im Fußball. Ich persönlich freue mich aber darauf, in einem solchen Stadion in der 2. Bundesliga zu spielen. Trotzdem wird Schalke sich erholen. Wir wissen alle, dass sie nicht in die 2. Liga gehören. Vielleicht ist es gar nicht so schlecht, auch mal einen Dämpfer zu bekommen. Ich bin mir sicher, sie werden sich erholen und bald wieder erstklassig spielen.