Gelsenkirchen. Simon Terodde könnte am Sonntag die Führung in der ewigen Torjägerliste der 2. Liga übernehmen. Wie tickt Schalkes Stürmer? Eine Spurensuche.

Als Simon Terodde am vergangenen Samstag wieder einmal ein Spiel entschieden hatte, fiel Sportdirektor Rouven Schröder vom FC Schalke 04 zunächst nur ein kurzer Satz ein. „Er ist ein Phänomen“, sagte er über seinen Stürmer, der am Sonntag den ewigen Zweitliga-Rekord einstellen könnte. Ein Tor fehlt noch bis zum 153. Treffer – noch hält Dieter Schatzschneider diesen Rekord. Simon Terodde, gebürtiger Bocholter, steht vor einem historischen Punkt in seiner Karriere. Eine Karriere, die nicht geradeaus verlief.

Schalke-Torjäger Terodde: Zweitliga-Debüt beim MSV Duisburg

Seine Zweitliga-Zeit hatte am 19. Oktober 2008 beim MSV Duisburg begonnen. Gegner: der FC Ingolstadt, wie am Sonntag mit Schalke (13.30 Uhr/Sky). In der 82. Minute, es stand bereits 5:1 für den MSV, kam der damals 20-jährige Nachwuchs-Stürmer ins Spiel und bestritt das erste von bisher 261 Spielen in der 2. Bundesliga. Sein damaliger Kapitän erinnert sich: „Simon hat schon im Training immer wieder seine Konsequenz aufblitzen lassen“, sagt Ivo Grlic, heute Sportdirektor der Zebras. Terodde auf Grlic – das passte: In der 90. Minute legte der Stürmer dem Kapitän das Tor zum 6:1-Endstand auf. „Das war für ihn auf alle Fälle ja nicht der schlechteste Einstieg“, sagt Grlic heute und schmunzelt danach. Schon damals war er überzeugt davon, „dass Simon richtig Karriere macht“.

Simon Terodde im Trikot des VfL Bochum mit Trainer Gertjan Verbeek.
Simon Terodde im Trikot des VfL Bochum mit Trainer Gertjan Verbeek. © Udo Kreikenbohm / FUNKE Foto Services

Doch nach seiner Zeit beim MSV geriet die ins Stocken. Er wechselte zu Fortuna Düsseldorf (2009/2010) und zum 1. FC Köln (2010 bis 2012), kam aber meist nicht über Einsätze in der U23 hinaus. Beim FC saß er teilweise in der Regionalliga West auf der Bank, er wollte seine Profi-Karriere beenden, wie er einmal in einem Interview mit 11Freunde verriet. Er blieb dennoch dran – und bekam seine große Chance bei Union Berlin.

Mattuschka über Schalke-Stürmer Terodde: "Eine Granate"

„Zwischenmenschlich ist er eine Granate“, sagt Torsten Mattuschka, damals Union-Kapitän, heute Zweitliga-Experte bei Sky. Drei Jahre lang blieb Terodde an der Alten Försterei, er erzielte acht, zehn und fünf Saisontore. „Der Fußball war nicht auf ihn ausgerichtet“, erzählt Mattuschka. Im Sommer 2014 wurde Terodde aussortiert, Trainer Norbert Düwel hatte nicht einmal das Gespräch mit dem jungen Stürmer gesucht.

Mattuschka sagt darüber: „Für Simon war das damals sicherlich nicht einfach, aber der Wechsel zum VfL Bochum war für ihn der genau richtige Schritt. In einer Profi-Karriere sind es Kleinigkeiten, die den Weg nach oben oder unten entscheiden. Verletzungen, Trainerwechsel, Vereinswechsel. Wäre er bei uns geblieben, hätte er sicherlich nicht so viel Spielzeit bekommen.“

Industriemechaniker, Familienvater: Das ist Simon Terodde

Simon Terodde stammt aus Bocholt und begann seine Fußball-Karriere beim SV Krechting, beim VfL Rhede und beim 1. FC Bocholt, bevor er mit 14 Jahren zum MSV Duisburg wechselte.

In seiner Profikarriere spielte er vor seinem Wechsel zu Schalke 04 für den MSV Duisburg (2. Bundesliga), Fortuna Düsseldorf (3. Liga), Union Berlin, den VfL Bochum (jeweils 2. Bundesliga), den VfB Stuttgart, den 1. FC Köln (jeweils 2. und 1. Bundesliga) und den HSV (2. Bundesliga). Dreimal wurde er Torschützenkönig der Zweiten Liga (2016, 2017, 2019). In der Bundesliga bestritt er 58 Spiele (zehn Tore).

Nach seinem Realschulabschluss absolvierte Simon Terodde eine Lehre zum Industriemechaniker. Parallel zur Fußball-Karriere bildete er sich im Bereich Sportmanagement fort.

Er ist verheiratet mit seiner Frau Laura und hat zwei Kinder.

Trainer Peter Neururer holte Terodde zum VfL. Unter Neururer erzielte er zehn Tore, nach Neururers Rauswurf kam Gertjan Verbeek – und unter dem Niederländer blühte Terodde, inzwischen 25 Jahre alt, richtig auf. 31 seiner 152 Tore erzielte er unter Verbeek – so viele wie sonst unter keinem Trainer. „Spieler, die so torgefährlich sind, brauchen Trainer, die nach vorne spielen lassen“, sagte Verbeek dieser Zeitung. Der Niederländer hatte den jungen Klaas-Jan Huntelaar beim SC Heerenveen betreut und zieht einen Vergleich: „Auch Huntelaar ist kein Spieler, der 40, 50 Meter nach vorne laufen kann, bis er beim Tor angekommen ist.“ Verbeek schnitt Bochums Spiel auf Terodde zu, und der wurde Torschützenkönig, traf 25-Mal in der Saison 2015/16. Der in seiner Bochumer Zeit zuweilen verbissene Verbeek sagt inzwischen: "Ich habe sehr gern mit ihm zusammengearbeitet. Ich bin eine sehr ehrliche Person. Ich sage, was ich denke. Er ist einer, der kein Problem damit hat."

Nach seiner Zeit in Bochum wurde Terodde der Aufstiegs-Experte, er schoss den VfB Stuttgart (2016/17, 25 Tore) und den 1. FC Köln (2018/19, 29 Tore) in die Bundesliga, den HSV (2020/21, 24 Tore) fast. „Er ist ein Super-Spieler, vereint spielerische Klasse mit einem großen Willen. Er will seine Ziele auf dem Platz unbedingt erreichen. In der Kabine ist er ruhig, ein total netter Typ. Doch im Spiel wird er emotional, das ist sehr angenehm für einen Trainer“, sagt sein Stuttgarter Trainer Hannes Wolf.

Simon Terodde (r.) beim 1. FC Union Berlin mit Kapitän Torsten Mattuschka (l.).
Simon Terodde (r.) beim 1. FC Union Berlin mit Kapitän Torsten Mattuschka (l.). © imago

Inzwischen ist Terodde 33 Jahre alt und ein Schalker – egal, wer über ihn redet, es fallen stets dieselben Adjektive. „Bodenständig“ zum Beispiel. „Ein toller Junge, der immer weiter gewachsen ist und sich als Mensch doch nie verändert hat“, sagt MSV-Sportdirektor Grlic. „Man darf nie vergessen, wo man herkommt – und so ist er. Zu unseren Abschlussfahrten hat er immer seine alten Kumpels mitgenommen. Das finde ich sehr, sehr gut“, erklärt Mattuschka. Bei diesen Abschlussfahrten könne Terodde, der in Interviews stets ruhig und sachlich wirkt, durchaus aus sich herausgehen.

Wolf über Schalke-Torjäger Terodde: "Hat Qualität für Bundesliga"

Nur ein Makel bleibt: In der Bundesliga hat Terodde nie Fuß fassen können. Mattuschka und Wolf führen das auf den Fußball zurück, den Teroddes Bundesliga-Klubs Köln und Stuttgart nach dem Aufstieg spielten: abwartend, ohne große Chancen. "Simon hat sich darauf spezialisiert, als Top-Stürmer in Liga zwei den großen Klubs beim Aufstieg zu helfen. Er hat eine Marke aufgebaut. Natürlich hat er die Qualität, auch eine Liga höher zu überzeugen", sagt Wolf inzwischen.

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Mattuschka glaubt das auch: "Bei Stuttgart und Köln war die Spielweise nach dem Aufstieg anders. Es ging über Tempo, die Entfernung zum gegnerischen Tor war 60 Meter. Bei Dortmund oder Bayern München zum Beispiel, Mannschaften mit viel Ballbesitz, hätte er auch Mitspieler, die ihn besser machen. Er ist eiskalt im Abschluss, ob mit links, rechts, dem Knie, dem Kopf, der Brust." Mattuschka behauptet mutig: „Bei Dortmund oder Bayern würde er auch locker 20, 25 Tore schießen. Da bin ich mir zu 100 Prozent sicher.“

Auf Schalke würde am Sonntag eins reichen. Dann hätte er den Rekord.