Essen. Mit 153 Treffern ist Dieter Schatzschneider noch Rekordtorjäger der Zweiten Liga. Was er zu seinem designierten Nachfolger Simon Terodde sagt.

Natürlich hat er geahnt, was passieren würde. Entsprechend reagierte Dieter Schatzschneider bei einem Interview vor dem Start der vermeintlich „besten Zweiten Liga aller Zeiten“, an dem auch Willi Landgraf, der Spieler mit den meisten Einsätzen (508), und Benno Möhlmann, der Trainer mit den meisten Partien (520) auf der Bank, teilnahmen. „Ein schrecklicher Name“, entfuhr es spontan dem früheren Torjäger, der den Torrekord in dieser Spielklasse hält, als der Name Simon Terodde fiel. „Schatz“, wie eh und je ein Schalk, der nicht auf den Mund gefallen ist, schmunzelte. „Es tut mir ein wenig weh, doch mein Rekord ist bald fällig.“

Gerne sei er die Nummer eins, fügte der 63-Jährige an, doch nun müsse er sich damit abfinden, dass seine Bestmarke noch in diesem Jahr falle. Der aktuelle Stand: Der Hannoveraner hatte in 201 Spielen 153 Tore markiert – so die offizielle Zählweise der Deutschen Fußball-Liga, während andere Statistiker ihm einem vom Verband als Eigentor gewerteten Treffer mehr zuschreiben. Rivale Terodde, der auch bei seinem neuen Klub Schalke 04 auf Anhieb einschlug, bringt es momentan auf 150 Tore in 260 Zweitliga-Einsätzen. Beeindruckende acht Einschüsse an den ersten sieben Spieltagen hat der Schalker aufzuweisen. Bei der Quote ist es nur eine Frage der Zeit, wann die neue Höchstleistung in die Geschichtsbücher eingetragen werden muss.

Schatzschneider: Schalke-Stürmer Terodde "ist ein würdiger Nachfolger"

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Als „Tormaschine“ bezeichnet Schatzschneider seinen 33-jährigen Nachfolger, der auch in Köln, Bochum, Stuttgart und Hamburg erfolgreich auf Torjagd ging. „Also einer wie ich, ein würdiger Nachfolger auf jeden Fall.“ Der als Scout bei seinem Heimatverein Hannover 96 angestellte Schatzschneider, von vielen auch als Berater des Bosses Martin Kind eingestuft, stimmt ein Loblied auf Terodde an. Dieser sei ein „Supertyp, bescheiden und ein vorbildlicher Mannschaftsspieler“. So einen brauche jede Mannschaft. Er werde über 20 Tore in dieser Spielzeit machen. „Das erwarte ich auch von einem echten Mittelstürmer. Alles andere zählt nicht.“

Am 15. Oktober spielt Schalke in Hannover, bis dahin sind nur noch zwei weitere Begegnungen zu absolvieren. Sollte Terodde sich nicht ernsthaft verletzen oder gesperrt werden, so könnte spätestens an jenem Freitag unter Flutlicht der Tag X gekommen sein. „Dann bekomme ich den Gnadenstoß“, vermutet Rekordhalter Schatzschneider, der sich tatsächlich aber sogar freuen würde, sollte er in der Hannoveraner Arena entthront werden. „Es wäre toll, wenn ich Simon auf dem Rasen gratulieren könnte.“

Viele Gemeinsamkeiten zwischen Schatzschneider und Schalke-Stürmer Terodde

Schatzschneider und Terodde – zwei Goalgetter mit vielen Gemeinsamkeiten und Parallelen. Auch Schatzschneider spielte einst für Schalke, zwischen 1984 und 1986 allerdings in der Bundesliga. Vor allem aber ist für beide die Zweite Liga wie geschaffen, beide scheiterten beim Versuch, in der höchsten deutschen Spielklasse ein ähnliches Level zu erreichen. „Ich bin in der Ersten Liga nicht klargekommen“, gesteht der Niedersachse, „und auch Simon tat sich schwer.“ Die Zahlen dienen als Beleg: In Köln traf Terodde unterklassig 29 Mal ins Netz, nach dem Aufstieg nur noch dreimal. Eine ähnliche Bilanz in Stuttgart: 25 Tore zum Aufstieg, nur zwei danach.

Noch ist er der erfolgreichste Torjäger in der Geschichte der 2. Bundesliga: Dieter Schatzschneider.
Noch ist er der erfolgreichste Torjäger in der Geschichte der 2. Bundesliga: Dieter Schatzschneider. © dpa

Was mag der Grund sein? „In der 2. Liga gelten andere Spielregeln“, referiert der beim damaligen Europapokalsieger Hamburger SV nur eine Spielzeit engagierte Schatzschneider, „da hatte ich eine hohe Akzeptanz, konnte Einfluss auf die Spielweise nehmen.“ In Hamburg sei es umgekehrt gewesen, da hätten andere das Sagen gehabt, Platzhirsche wie Felix Magath und Manni Kaltz. „Und wenn der Manni nicht wollte, dann hat er seine Bananenflanke zehn Zentimeter höher geschlagen, und ich habe in die Röhre geschaut.“ Zudem hätten alle gewollt, „dass ich so spiele wie der Horst Hrubesch“, ergänzt der Ex-Profi, bekanntermaßen ehedem ein nicht immer pflegeleichter Charakter. „Das habe ich abgelehnt. Pressing, das war nichts für mich, das hat ja mit Laufen zu tun.“

Damals galt Schatzschneider als Mann für die Zukunft in der Sturmmitte, sogar als Option für die Nationalelf. Und heute gibt es Stimmen, die fordern, dass Bundestrainer Hansi Flick bei seinem Neuaufbau auf Terod­de zurückgrei­fen soll­te. Auch Schatzschnei­der hält das für eine gute Idee. „Für mich ist das Setzen auf die falsche Neun eine schlimme Fehlentwicklung, die repariert werden muss. Wir brauchen wieder Leuchttürme, körperlich starke Zentrumsstürmer.“ So einen wie Terodde halt, „einen interessanten Mann, den ich auch aus der Zweiten Liga immer zur DFB-Elf holen würde. Nicht als Stammspieler, aber als eine Variante“. Dass der Schalker tatsächlich noch eine internationale Karriere starten wird, erscheint illusorisch. Gewiss ist indes, dass ihm in der Fußball-Historie als eine Ausnahme-Erscheinung bald ein spezielles Kapitel gewidmet werden muss. Mit der Überschrift: Schütze vom Dienst in der Zweiten Liga. „Ein Rekord für die Ewigkeit“, preist der, wenn alles normal abläuft, bald entzauberte Rekordhalter Dieter Schatzschneider seinen Erben. „Der wird nicht mehr überboten.“