Gelsenkirchen. Ingo Tusk, Vizepräsident der Deutschen Gesellschaft für Sportmedizin, sieht neben der hohen Belastung der Schalke-Profis und “Pech“ auch Fehler.

In der Tabelle der Fußball-Bundesliga ganz unten, in der Verletzungs-Tabelle ganz oben: Dem FC Schalke 04 brechen seit Monaten überdurchschnittlich viele Spieler im Abstiegskampf weg, was vor allem den „Leiter Performance“ Werner Leuthard in die Schusslinie brachte, unter dem ursprünglich größere Fitness und Einsatzbereitschaft hergestellt werden sollten. Mittlerweile hat sich Schalke vom 59-Jährigen getrennt, doch das Problem ist damit noch längst nicht vom Tisch.

Ein Blick auf die Statistik zeigt: Mehr als 20 S04-Profis haben sich im Saisonverlauf bereits Verletzungen zugezogen, darunter sind einige Akteure, die sich bereits mehrmals ins Lazarett verabschiedet haben. So unter anderem Mark Uth (Kopfverletzung, Oberschenkelverletzung, muskuläre Probleme) oder Nassim Boujellab (Kiefer-Operation, Bänderverletzung im Sprunggelenk und im Knie). Ende Februar fehlten insgesamt 14 Spieler beim Training. „Bei den Schalkern ist es die Kombination aus allem, was die hohe Anzahl an Ausfällen ausmacht“, sagt Experte Ingo Tusk im Gespräch.

Auffällig viele muskuläre Beschwerden bei Schalke-Profis

Der Vizepräsident der Deutschen Gesellschaft für Sportmedizin (DGSP) stellt fest: „Ein Rippenanbruch wie bei Torwart Ralf Fährmann ist sicherlich keine Verletzung, die es jede Woche gibt. Das passiert Torhütern ganz klassisch: nämlich dann, wenn ihnen ein gegnerischer Spieler reinrennt.“ Auch ein Fußbruch wie bei Verteidiger Kilian Ludewig fällt unter die Rubrik Pech. Auffällig sind bei den Königsblauen aber die muskulären Beschwerden.

Beim 0:0 gegen Mainz 05 lagen mehrere S04-Fußballer mit Krämpfen auf dem Rasen. Weltmeister Lothar Matthäus meinte auf Sky: „In den letzten 20 Minuten waren die Spieler mausetot.“ Gerade die Winter-Zugänge Sead Kolašinac und Shkodran Mustafi müssen der hohen Wettkampf-Belastung Tribut zollen. Bei ihrem letzten Verein FC Arsenal kamen sie nur sporadisch zum Einsatz, auf Schalke sind sie als Eckpfeiler im Abstiegskampf unverzichtbar. Das hatte sich der Tabellenletzte auch von Oldie Klaas-Jan Huntelaar erhofft, aber nach seiner aus Amsterdam mitgebrachten Wadenverletzung folgte ein Muskelfaserriss an der anderen Wade. Auch der 37-Jährige hatte bei seinem ehemaligen Verein nur wenig Spiele über volle 90 Minuten bestritten.

"Der Kopf spielt natürlich auch eine Rolle bei Verletzungen"

„Wenn man von null oder wenig Spielpraxis auf 100 Prozent hochfährt, dann ist das eine ganz andere Situation und ein ganz anderes Pensum für einen Spieler. Ich halte es immer für gefährlich, so etwas zu machen. Das kann dann natürlich auch mit Verletzungen bestraft werden. Bei Schalke kam in letzter Zeit einiges zusammen“, bilanziert Ingo Tusk. Der Chefarzt der Orthopädie an den Frankfurter Rotkreuz-Kliniken gibt zu bedenken: „Der Kopf spielt natürlich auch eine Rolle bei Verletzungen, hinzu kommt der Druck im Abstiegskampf. Wenn Spielern in negativen Phasen das Selbstvertrauen fehlt, wirkt sich das auch auf Ballannahme und Pass-Spiel aus. Da fehlen durch das längere Überlegen ein paar Prozent. Da ist dann der Teampsychologe gefragt.“

Ingo Tusk sieht den Schlüssel für das Beheben der Problematik auf Schalke in mehreren Bereichen: „Ernährung spielt eine große Rolle, Prävention ist wichtig, dazu sollte es möglich sein, Spielern auch mal eine Pause zu geben und sie rauszunehmen.“ Zumindest in diesem Punkt spricht Schalkes aussichtslose sportliche Situation dagegen. Die Spieler werden nach Verletzungen sofort wieder benötigt. Ein Teufelskreis. (tt)