Gelsenkirchen. Ex-S04-Profi Dennis Aogo über Schalkes Chancen im Abstiegskampf, Kritik an alten Kollegen, ein Treffen mit Ultras und über „toxische Spieler“.
Ex-Nationalspieler Dennis Aogo (33) bestritt 65 Liga-Spiele für Schalke und 94 für den SC Freiburg, der an diesem Mittwoch (18.30 Uhr/ Sky) Schalkes Gegner in der Veltins-Arena ist. Aktuell arbeitet er unter anderem als Analyst für Sky und als Podcaster. Aogos Analysen sind mitunter ziemlich schonungslos.
Dennis Aogo, wie wird man eigentlich Sky-Experte?
Kurz nach meinem Rücktritt war ich ein, zwei Mal Studiogast – irgendwann hat Sky gefragt, ob ich das regelmäßig machen will. Ich freue mich jedes Mal auf die Reisen nach München ins Studio.
Dort sprechen Sie auch über Ihre Ex-Klubs wie Schalke und müssen nicht selten kritische Töne anschlagen.
Ich fühle mich verpflichtet, ehrlich zu sagen, was ich denke. Da kann es natürlich sein, dass der eine oder andere nicht so gut wegkommt. Wobei ich gerade bei Schalke stets betone, dass es ein besonderer Verein für mich ist. Generell bemühe ich mich, konstruktiv zu kritisieren, wobei meine Tätigkeit bei Sky vorrangig in den Bereich Spielanalyse fällt. Bei uns im Podcast dreht es sich um alle möglichen Aspekte des Fußballs.
In „Sektion Radioverbot“ finden Sie deutliche Worte zu Königsblau. Sie sagten, es sei ein Problem, „wenn du zu viele toxische Spieler in der Mannschaft hast“.
Wenn zu viele Leute immer wieder ihre Grenzen austesten, geht irgendwann der Respekt vor den Entscheidungsträgern verloren. Da musst du als Verein gegensteuern, und das hat Schalke zuletzt auch gemacht.
Haben Sie noch Kontakt zum S04?
Ja, zu Ralf Fährmann, zu Naldo und natürlich zu Sascha Riether, den ich noch aus gemeinsamen Tagen in Freiburg kenne – also schon mein halbes Leben lang (lacht).
Spüren Sie noch so etwas wie Zuversicht auf Schalke?
Ja. Aber unabhängig von Personen, und das sage ich jetzt aus meiner Sicht als Ex-Spieler: Je häufiger du verlierst, desto kleiner wird der Glaube. Und Glaube kann bekanntlich Berge versetzen.
Fehlt nur der Glaube oder auch die Qualität?
Ich denke, es ist ein Mix aus verschiedenen Dingen. Die Mannschaft ist besser, als sie aktuell dasteht. Man darf aber nicht die Augen vor gewissen Dingen verschließen, dazu gehört, dass man ganz weit unten drin hängt. Da raus zu kommen geht nur über Erfolg, wie auch Manuel Baum bereits mehrfach gesagt hat.
Betrachten wir Ihre früheren Arbeitgeber: Schalke und Freiburg stecken im Abstiegskampf, Hannover und der HSV sind zweitklassig, Stuttgart musste in den letzten Jahren zwei mal runter. Sterben die Traditionsvereine?
Gute Frage. Jedenfalls ist erfolgreiches Arbeiten in einem Traditionsverein nicht immer einfach, weil viele Leute ihren Senf dazu geben. Auf der anderen Seite tut es weh, einen Klub wie den HSV seit Jahren in der 2. Liga zu sehen.
Ist Hamburg ein mahnendes Beispiel für Schalke?
Auf jeden Fall! Schalke muss mit allen Mitteln versuchen, die Klasse zu halten. Ein sofortiger Wiederaufstieg ist extrem schwierig, wie ich 2019/20 bei meiner letzten Station Hannover erleben musste.
Leidet Schalke besonders unter dem Fehlen der Fans, oder würde die Mannschaft zurzeit eher vom Unmut auf den Rängen erdrückt werden?
Ich würde es anders formulieren: Ohne Geisterspiele wäre Schalke wohl nie in diese Bredouille gekommen. Gerade in der Veltins-Arena herrscht normalerweise eine Atmosphäre, die dich extrem pusht. Dieser Zusatzkick fehlt jetzt.
Nach dem 1:1 vor einigen Wochen gegen Union stellten Schalker Ultras das Team zur Rede. Ist das hilfreich?
So was nimmt jeder Spieler anders auf. Der eine realisiert dadurch noch mehr, was Schalke ausmacht. Der andere reagiert verängstigt. Ich habe selbst erlebt, wie so was ist.
Wie denn?
Während der Rückfahrt von einem verlorenen Auswärtsspiel sprach sich im Mannschaftsbus herum, dass die Ultras in Gelsenkirchen warten. Die Bilder vor Ort werde ich nie vergessen: Als wir an der Arena vorfuhren, standen 500 Vermummte in der Dämmerung. Einerseits hatte das etwas Mystisches, andererseits geht dir da schon mal der Stift. Es blieb aber im Rahmen. Den Fans ging es dabei auch nicht um Resultate, sondern um die Art und Weise unseres Auftretens. Letztlich haben sie uns mit der Aktion den immensen Stellenwert des Klubs vor Augen geführt. Ich finde, wenn solche Gespräche konstruktiv sind, ist das okay. Es sollte nur nicht in Drohungen oder Gewalt ausarten, schon gar nicht gegen einzelne – zumal manche Profis, etwa in Punkto Körpersprache, häufig missverstanden werden.
Auch Sie wirkten immer etwas lässig bis arrogant mit Ihrer aufrechten Körperhaltung.
Ja, obwohl es in mir drinnen ganz anders aussah. Wenn es sportlich nicht lief, hat’s in mir gebrodelt. Überhaupt kennen ich keinen Profi, dem es egal war zu verlieren. Wenn du es in die Bundesliga geschafft hast, musst du einen gewissen Eigenantrieb und Ehrgeiz haben. Verkrampfung und Nervosität können jedoch nach außen wie Lustlosigkeit wirken. Hinzu kommt, dass die Fans fast täglich mit dem Klischee vom faulen Millionär konfrontiert werden.