Gelsenkirchen. Schalkes Mannschaft ist in einer erschütternden Verfassung, dabei halten Experten sie für gar nicht einmal so schlecht besetzt. Die Gründe.
Wie sehr Schalke abgewirtschaftet hat, wird an einem einfachen Zahlenvergleich deutlich: 120,4 Millionen Euro ließ sich der Klub in den vergangenen Jahren die Mannschaft kosten, die sich am Samstag bei der 1:3-Niederlage gegen Werder Bremen in einer erschütternden Verfassung präsentierte. Auf diese Zahl kommt man, wenn man die Ablösesummen der 20 Spieler addiert, die gegen Werder im Kader standen. Die Liste wird angeführt von Nabil Bentaleb (19 Millionen Euro), Sebastian Rudy (16), Ozan Kabak (15) und Omar Mascarell (10). Und selbst die nicht eingesetzten Matija Nastasic (9,5) und Rabbi Matondo (9) kosteten Schalke eine Stange Geld im knapp zweistelligen Millionenbereich.
Bremens Kader hat nicht einmal die Hälfte gekostet
Zum Vergleich: Werder Bremen gab für seine 20 nominierten Spieler insgesamt 47,6 Millionen Euro an Ablösesummen aus – nicht mal die Hälfte des Schalker Aufwands. Losgelöst von der aktuellen Finanzkrise, die in diesem Sommer kaum kleine Sprünge auf dem Transfermarkt zulässt, müsste Schalke eigentlich immer noch über genug Qualität verfügen, um eine Mannschaft wie Werder Bremen zu Hause zu schlagen. „Der Kader ist nicht so schlecht, dass man da ganz hinten stehen muss“, urteilte Schalkes ehemaliger Trainer Ralf Rangnick am Sonntagvormittag bei Sky – kurz nachdem Schalke die Freistellung von Trainer David Wagner bekanntgegeben hatte.
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Der Trainer-Rauswurf ist Schalkes Versuch, dieses Missverhältnis zu stoppen und die teuflisch teure Truppe doch noch irgendwie ans Laufen zu bringen. Selten hat man auf Schalke eine Mannschaft gesehen, die sich so wehrlos ihrem Schicksal ergibt. Bei den Bremer Toren durch den dreifachen Schützen Niclas Füllkrug gab es kaum – oder bestenfalls unbeholfenen – Widerstand. Niemals in der Geschichte der Bundesliga ist ein Verein mit 1:11 Toren aus zwei Niederlagen in eine Saison gestartet. Schalkes erstes Saisontor fiel erst in der Nachspielzeit durch Mark Uth.
Schneider weist Vorwürfe zurück
Uth ist einer der Spieler, die Teil der Diskussion sind, ob der Kader noch geschlossen hinter Wagner stand. Rekord-Nationalspieler Lothar Matthäus warf Schalke am Samstag bei Sky vor, Wagner habe einige Spieler durch das Ausleihen in der vergangenen Saison „enteiert“ – jetzt sollten sie wieder Verantwortung übernehmen. Neben Uth betrifft das noch Fährmann, Rudy und Bentaleb sowie die Reservisten Mendyl und Skrzybski. Wagner hatte vor einem Jahr nicht mit ihnen geplant – Schalke hatte sie jetzt zurückgeholt, weil sie (Stichwort teure Mannschaft) Teil des verbliebenen Kapitals sind.
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Dass es hier Widerstände gegeben haben könnte, weist Sportvorstand Jochen Schneider im Gespräch mit der WAZ aber vehement zurück: „Nein, überhaupt nicht.“ Die fürchterliche Verfassung der Mannschaft habe nichts mit einem belasteten Innenverhältnis zu tun, sondern mit dem schweren Rucksack der seit Januar andauernden Sieglos-Serie in der Bundesliga.
Diese These kann man damit stützen, dass gegen Bremen auch und sogar vor allem Spieler wie Benjamin Stambouli oder Ozan Kabak mit der Situation hoffnungslos überfordert waren – diese beiden Profis stehen normalerweise überhaupt nicht unter bösem Verdacht. „Die Jungs wollen, aber ihnen fehlt momentan ein Stück weit der Schlüssel, wie sie sich ein Erfolgserlebnis holen können“, analysiert Schneider. Dem gefeuerten David Wagner macht er dabei keinen Vorwurf: „Er hat wirklich alles versucht.“
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In dieser Verfassung ist Schalke ein Abstiegskandidat
Nach dem 0:8 zum Start in München hatte Schalkes Sportvorstand in den Raum gestellt, dass es mit dieser Leistung generell schwierig sei, in der Bundesliga überhaupt Punkte zu holen – nach dem 1:3 gegen Bremen hat sich daran wenig geändert. Man muss konstatieren: In dieser Verfassung ist Schalke ein Abstiegskandidat. Eine dramatische Schieflage einer teuren Mannschaft, die so allerdings über Jahre zusammengestellt wurde – nicht erst jetzt von Schneider, Wagner und Kaderplaner Michael Reschke.
Auch Schalkes Eurofighter Marc Wilmots hat sich im Bremer Weserkurier besorgt geäußert und die Meinung vertreten: „Von den Namen her ist das ja keine schlechte Mannschaft. Schwierig vielleicht, aber nicht schlecht.“ Ein Missverhältnis, das der neue Trainer in den Griff bekommen muss – Wilmots ist aber kein heißer Kandidat dafür.