Gelsenkirchen. Teil 27 der Schalke-Serie: Peters über den Tönnies-Konflikt 2019. Der S04-Boss fühlte sich gegen die Rassismus-Vorwürfe nicht genug verteidigt.
Den letzten Sportvorstand seiner Amtszeit auf Schalke hat Clemens Tönnies nicht im Alleingang geholt, er zog dabei die führenden Köpfe des Vereins zurate. Also trafen sich Peter Peters, Alexander Jobst und Jens Buchta im Februar 2019 zur Elefantenrunde in Rheda, um gemeinsam mit Tönnies über die Nachfolge von Christian Heidel zu beraten. Dessen Verpflichtung hatte „CT“ drei Jahre zuvor noch ganz allein eingefädelt, als geheime Kommandosache. „Bei Jochen Schneider haben wir die Entscheidung gemeinsam getroffen“, verrät Peter Peters. Übrigens zum ersten Mal, wie er anmerkt.
Jochen Schneider war nicht der einzige Kandidat, mit in der engeren Verlosung war auch Jonas Boldt, der damals noch bei Bayer Leverkusen in zweiter Reihe stand. Schneider hatte aber klare Vorteile: Die Schalke-Bosse wussten um seine Arbeitsweise, auch weil er ihnen persönlich bekannt war. Peter Peters erinnert sich an ein Treffen mit dem damaligen Leipziger am Abend des 3. Dezember 2016: Da hatte man sich nach dem Spiel zwischen RB Leipzig und Schalke (2:1) im Hotel getroffen und lebhaft über die Werner-Schwalbe diskutiert. Schneider hatte die Meinung vertreten, dass ein Fußballspiel viel komplexer sei, als es nur auf diese einzige Szene zu reduzieren. Die Schalker wussten, dass Schneider über den Tellerrand hinausblickt.
Darum war Schneider Schalkes klare Nummer eins
Bei der Elefantenrunde in Rheda machte sich auch Peters für den Leipziger stark. Seine rhetorische Frage: „Christian Heidel hat immer gesagt: Wir brauchen ein Konzept – aber was hat er vorgegeben?“ Bei Jochen Schneider war er sich sicher, dass der strukturiert arbeitet und einen Blickwinkel für den gesamten Klub hat – auch für die so wichtige Nachwuchsarbeit in der Knappenschmiede. Schneider habe den Zuschlag erhalten, „weil er ein konzeptionell denkender Mensch ist, der sich nicht verrückt machen lässt – er war unsere klare Nummer eins“.
Die Schalke-Bosse ahnten damals schon, dass es im Frühjahr 2019 wirklich eng werden würde: Zum ersten Mal nach zwei Jahrzehnten musste Finanzvorstand Peters bei der DFL auch einen Lizenz-Antrag für die zweite Liga einreichen. Schneiders erstes Spiel auf Schalke war das 0:4 zu Hause gegen Fortuna Düsseldorf – spätestens danach war allen klar, dass es nur noch „ums Überleben“ ging, wie Peters es formuliert. Die konzertierte Aktion der Alt-Schalker Huub Stevens, Mike Büskens und Gerald Asamoah trat ihren Dienst an, um Platz 15 zu sichern. Peters: „Wir waren uns alle einig, dass wir die Relegation niemals gewinnen würden.“
Ein Sieg in Dortmund beendete dieses beängstigende Szenario.
Peter Peters war in diesen Wochen davon ausgegangen, dass das Schlimmste des Jahres 2019 damit überstanden wäre. Von dem, was den Verein innerlich spalten sollte, erfuhr er auf der Rückfahrt von einem Kurz-Urlaub auf Sylt: Aus der Rede von Vereinschef Clemens Tönnies beim Handwerkstag in Paderborn erwuchs ein Konflikt, den Peters heute, genau ein Jahr später, als „nahezu unlösbar“ beschreibt. Auch für ihn persönlich.
Ein Zwiespalt, „bei dem man es keinem recht machen konnte“
Schalke 04 hatte sich nach den Äußerungen von Tönnies mit zwei Fragen auseinanderzusetzen. Erstens: War die Verfehlung von Tönnies als klar rassistisch einzustufen? Die Meinung in der Öffentlichkeit war dazu ein deutliches Ja. Und zweitens: War Tönnies mit drei Monaten Amtsverzicht genug bestraft?
Tönnies erwartete von Peters als langjährigem Wegbegleiter eine besondere Loyalität. Der aber hatte wenige Wochen zuvor bei der Mitgliederversammlung noch eine Rede gehalten, in der er gegen Rassismus, Antisemitismus und Ausgrenzung klar Position bezogen hatte. Hätte er dies nun mit gleicher Tonalität gegen Tönnies vorgetragen, wäre der Vereinschef nicht mehr zu halten gewesen. Also sagte Peters eher diplomatisch: „Drei Monate sind eine hohe Strafe, und wenn die vorbei sind, muss es genug sein.“ Vielen ging das nicht weit genug.
Clemens Tönnies jedoch hatte eine andere Wahrnehmung: Er war enttäuscht von seinem Finanzvorstand. Peter Peters berichtet: „Er war der Auffassung, dass ich mich nicht genug vor ihn gestellt hätte.“
Es sei ein Zwiespalt gewesen, beteuert der 58-Jährige heute, „bei dem man es keinem recht machen konnte.“ Frieden sei danach nicht mehr eingekehrt. Der Konflikt wurde im Jahr 2019 nicht gelöst.