Gelsenkirchen. Schalkes früherer Torwart-Trainer Holger Gehrke würde Ralf Fährmann wieder zur Nr. eins machen: „Wenn er Vertrauen spürt, zahlt er das zurück.“
Äußerlich hatte Ralf Fährmann seinen alten Status zurück, als er am Montag wieder das Training auf Schalke aufnahm: Der frühere Stammtorwart wird mit der Nummer eins geführt – so starteten die Königsblauen zumindest am Nachmittag im Parkstadion in die Saisonvorbereitung. Dass Fährmann am Ende auch die Nummer eins wird, ist aber kaum anzunehmen – das zeigen die Schalker Bemühungen um den Freiburger Torwart Alexander Schwolow, die Trainer David Wagner indirekt bestätigt: „Es macht keinen Sinn, Stand heute eine Position auszuschließen, was Neuzugänge betrifft.“
Das Pro und Contra auf Schalke in Sachen Fährmann
Dass Wagner von Fährmann nicht vollends überzeugt ist, klingt durch. Schalkes langjährige Nummer eins trainiert nach seinen missglückten Leihen nach England und Norwegen schon seit der Corona-Pause wieder auf Schalke – auch da habe man schon gesehen, so Wagner, „dass er eine ganze Ecke keine Wettkampfpraxis gehabt hat.“ Auf diesen Punkt weist auch Lizenzspieler-Koordinator Sascha Riether hin. Der Ex-Profi sagt aber zugleich auch: „Als ich noch gespielt habe, hieß es: Warum spielt Ralle nicht in der Nationalmannschaft?“ Und das ist noch gar nicht so lange her.
Gehrke weiß, wie man Fährmann stark macht
Daran sieht man das Pro und Contra, mit dem Schalke auf der Torwart-Position in die Saison geht. Viele fragen sich, ob Schalke angesichts knapper Kassen nicht dringendere Probleme hat, als für sechs bis acht Millionen Euro einen neuen Torwart zu holen – wo man doch Ralf Fährmann hat. Auch Schalkes langjähriger Torwart-Trainer Holger Gehrke (59) stellt sich diese Frage. Im Gespräch mit der WAZ macht er deutlich, dass er Fährmann immer noch klar die Nummer eins auf Schalke zutraut: „Ralle braucht Vertrauen und Rhythmus. Wenn er das spürt, zahlt er das auch zurück“.
Gehrke hat die Schalker Torhüter bis 2014 trainiert – er brachte Fährmann damals auf das höchste Niveau seiner Karriere. Dass der Ur-Schalker das heute, mit 31 Jahren, nicht mehr abrufen kann, ist für seinen ehemaligen Trainer unvorstellbar: „Dann wäre Ralle der erste Torwart, der in diesem Alter schlechter wird.“ Im September wird Fährmann 32 – für Gehrke „das beste Torwart-Alter überhaupt.“
Ein Torwart muss Vertrauen spüren
Ralf Fährmann war bis Ende 2018 Schalkes Nummer eins – dann nahm ihn der damalige Trainer Domenico Tedesco aus dem Tor, nachdem sich der Schlussmann einige Patzer geleistet hatte. „Damals“, sagt Gehrke, „hat Ralle ja auch wirklich geschwächelt, aber so etwas passiert, wenn ein Torhüter nicht das Vertrauen spürt“. Er erinnert daran, dass sogar Oliver Kahn eine solche Phase in seiner Karriere durchmachen musste, als ihm Jürgen Klinsmann im Vorfeld der WM 2006 das Vertrauen entzog: „Da hat sogar der Titan gewackelt.“
Auch Tedesco ließ Fährmann, damals sogar Kapitän, relativ schnell fallen und ersetzte ihn durch Alexander Nübel. Ein Grund war: Nübel galt als der modernere Torwart. Und auch heute bei David Wagner gehen nach WAZ-Informationen die Bedenken in die Richtung, dass Fährmanns Spieleröffnung mit dem Ball am Fuß nicht so stabil ist.
Gehrke weiß, dass Fährmann dieser Makel anhaftet. Solche Fehler könne man aber auch herbeireden, betont der Torwart-Trainer und nimmt Fährmann in Schutz: „Er spielt die Bälle schon sauber von hinten heraus.“ Die große Stärke des körperlich imposanten Fährmann liegt aber auf der Linie. Gehrke zieht einen Vergleich zu Leipzigs Peter Gulacsi, den er drei Jahre lang als Torwart-Trainer der ungarischen Nationalmannschaft trainiert hat: „Ich weiß, dass Ralle Bälle hält, die ein Gulacsi nicht hält.“ Gulacsi gilt als einer der besten Torhüter der Bundesliga.
Bedenken bei Markus Schubert
Gehrke kennt Fährmann als „unglaublich harten Arbeiter“, der alles dafür tun würde, gerade auf Schalke wieder die Nummer eins zu werden: „Ich traue ihm das immer noch zu. Er muss sich wohlfühlen, und das kann er auf Schalke, wenn er Vertrauen und Rhythmus bekommt.“ Deswegen würde er an Schalkes Stelle Fährmann stark machen und dahinter einen jungen Torhüter mit Perspektive für die Zukunft aufbauen. „Schalke hatte immer eine Tradition mit guten jungen Torhütern“, erklärt Gehrke, „momentan fehlt mir aber die Durchlässigkeit, dass sich die Torhüter aus der U17 oder U19 oben zeigen können.“
Gehrke fürchtet: „Ein verlorener Kampf“
Bei Markus Schubert hat er Bedenken: „Er ist sicher ein guter Torwart, aber die Frage ist, ob er die Ausstrahlung hat, um in der Bundesliga zu bestehen.“ Und dass mit Michael Langer ein 35-Jähriger die Nummer drei ist, der selbst bei der Torwart-Krise in der vergangenen Rückrunde keine Alternative war, ist für Gehrke kaum nachvollziehbar. Genau wie die Bemühungen um eine neue Nummer eins.
Holger Gehrke weiß: „Ralle wird den Kampf annehmen. Aber so wie es aussieht, ist es ja ein verlorener Kampf.“ Das könnte gut sein.