Gelsenkirchen. Teil 7 unserer Schalker Krisen-Serie: 2009 stand auf Schalke plötzlich die Liquidität infrage, doch die Stadt Gelsenkirchen half dem Verein.
Bereits im Spätsommer 2009 zogen düstere Wolken auf am blau-weißen Horizont: Gerüchte über einen Liquiditäts-Engpass beim FC Schalke 04 machten die Runde. Die Bundesliga-Lizenz sei in Gefahr, hieß es. Erst im Oktober folgte die vorläufige Entwarnung: Eine 25,5 Millionen Euro schwere Geldspritze durch die städtische Gesellschaft für Energie und Wirtschaft (GEW) sicherte Schalkes Fortbestand im Profi-Fußball. 10,5 Millionen Euro flossen damals als Kredit, für die restlichen 15 Millionen kaufte die GEW Anteile an der vereinseigenen Veltins-Arena, die Schalke fortan nur noch zu rund 80 Prozent gehörte.
Der dritte Rettungsakt der Stadt Gelsenkirchen
Bereits in den 1920er-Jahren hatte Gelsenkirchen seinem Vorzeige-Klub unter die Arme gegriffen und beim Bau der 200.000 Reichsmark teuren Glückauf-Kampfbahn großzügige Kredite gewährt. Zum Dank änderte Schalke damals seinen Namen in „FC Gelsenkirchen-Schalke 04“.
1964 kaufte die Stadt die Glückauf-Kampfbahn für 850.000 D-Mark auf, um dem Verein die Liquidität zu sichern. 2009 folgte der dritte Rettungsakt – auch mit Blick auf die gesamtwirtschaftliche Lage in der Stadt: „Mit dem Engagement der GEW bei der Immobiliengesellschaft der Veltins-Arena trägt Gelsenkirchen der herausragenden strukturpolitischen Bedeutung der Veltins-Arena und des Arena Parks Gelsenkirchen Rechnung“, erklärte Oberbürgermeister Frank Baranowski (SPD). Doch damit war diese Krise nicht beendet ...
Ex-Schalker Lukas Schmitz erinnert sich
„Uns Spieler hat der Verein von der angespannten Finanzsituation total gut abgeschirmt“, erinnert sich Schalkes damaliger Defensiv-Allrounder Lukas Schmitz (31), der im Sommer 2009 vom VfL Bochum II gekommen war. „Ich kann mich nicht daran erinnern, dass es zu dieser Zeit Gehaltsverzichte gab, wie das aktuell der Fall ist. Wenn überhaupt, dann wurde ein bisschen was bei den Prämien gekürzt. Aber Geld hat mich in meiner ersten Profisaison, ehrlich gesagt, sowieso nicht interessiert. Ich habe nur meine Chance gesehen und bin zu jedem Training gefahren, als wäre es ein Bundesliga-Spiel. Schließlich standen damals bei Schalke solche Größen wie Kuranyi, Neuer, Rakitic oder Bordon auf dem Platz.“
Inmitten dieser Finanzkrise, so schien es, hatten die Knappen genau den richtigen Trainer verpflichtet. Felix Magath, damals frisch gebackener Deutscher Meister mit dem VfL Wolfsburg, hatte am 1. Juli 2009 seinen Dienst angetreten und holte in der folgenden Saison das Maximale heraus: „Quälix“ integrierte junge, bis dato völlig unbekannte Spieler wie Schmitz (20), Joel Matip (damals 18) oder Christoph Moritz (19) ins Team und griff mit Schalke sensationell in den Titelkampf ein. Nach dem 28. Spieltag und einem 2:0-Sieg in Leverkusen grüßten die Knappen sogar von Platz 1. Doch ein 1:2 gegen Bayern in der Woche darauf kostete die Tabellenführung – und letztlich auch den Titel.
Am Ende wurde Schalke Vizemeister
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„Ich glaube schon, dass wir nah dran waren, auch wenn ich damals gar nicht so den Blick fürs Große und Ganze hatte“, sagt Lukas Schmitz, der demnächst in Venlo spielt. „Ich habe einfach jede Woche alles gegeben, um zu spielen und um die Spiele zu gewinnen.“ Am Ende wurde S04 Vizemeister, was den direkten Einzug in die Champions League und gewaltige Zusatzeinnahmen bescherte.
Doch das Geld war schnell wieder weg: Hatte Magath in der Saison 2009/10 noch maßvoll für knapp neun Millionen Euro eingekauft (bei knapp fünf Mio. Transfereinnahmen), holte der Trainer, der zugleich Sportvorstand war, im Sommer 2010 für insgesamt 36 Millionen Euro hochdotierte Stars wie Klaas-Jan Huntelaar (für 14 Millionen vom AC Mailand) und José Manuel Jurado (kam für mehr als die damals kolportierten elf Millionen Euro von Atlético Madrid). Hinzu kamen ablösefreie Großverdiener wie Raúl und Christoph Metzelder (beide von Real Madrid).
Der große Verein stürzte ab
Lukas Schmitz erinnert sich an ein Gespräch mit Magath während der Vorbereitung: „Er sagte zu mir: ,Wir sind ein großer Verein, das beinhaltet auch einen gewissen Konkurrenzkampf. Sei darauf vorbereitet!’“ Schmitz behauptete sich, doch die Bundesliga-Saison 2010/11 geriet zum Fiasko und Schalke rutschte in den Abstiegssumpf: Am Ende (unter „Retter“ Ralf Rangnick) standen Platz 14 und massive Einbußen bei den TV-Geldern zu Buche. Zwar erreichte Königsblau das Halbfinale der Champions League (0:2 und 1:4 gegen ManU) und holte den DFB-Pokal (5:0 im Finale gegen Duisburg), doch die Kosten waren dem Ertrag längst davon galoppiert.
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Insgesamt hatte Magath auf Schalke 32 neue Spieler gekauft – in nicht einmal zwei Jahren. Einige Transfers, wie Raúl oder Huntelaar, sollten sich als Volltreffer erweisen. Ihnen gegenüber standen zahllose Flops wie Jurado, Ciprian Deac, Danilo Avelar, Besart Ibraimi, Bogdan Müller, Emin Yalin, Angelos Charisteas, Ali Karimi, Lubos Hanzel, Anthony Annan, Hao Junmin, Nicolas Plestan, Erik Jendrisek oder Tore Reginiussen. Schalke hatte einen bis zum Anschlag aufgeblähten Kader, der den Klub finanziell zurück in den Krisenmodus schickte. Die sportliche Sanierung sollte Magaths Nachfolger als Sportvorstand, einen gewissen Horst Heldt, noch lange beschäftigen.
„Es geht wohl nur über ein langfristiges Aufbauprojekt“
Lukas Schmitz verließ die Knappen im Sommer 2011 in Richtung Bremen. Heute beobachtet er die Entwicklung auf Schalke aus der Ferne und wünscht sich, dass der Klub die aktuelle Situation möglichst unbeschadet übersteht: „Klar, ich gucke normalerweise jedes Spiel von Schalke, zumindest in der Zusammenfassung. Es ist total faszinierend, wie dieser Verein gelebt wird. Ich bin mir auch sicher, dass man dank der immensen Fan-Unterstützung die Corona-Krise überleben wird“, sagt der Profi, fügt jedoch nachdenklich an: „Aber eine Rückkehr in die Top-4 wird schwierig und ist wohl nur über ein langfristiges Aufbauprojekt möglich.“