Gelsenkirchen. Als Sportlicher Leiter plant Gerald Asamoah die Zukunft der U23. Im Interview spricht er unter anderem über Timo Becker.

Gerald Asamoah hat es zur Zeit alles andere als einfach. Der 41-jährige ehemalige Nationalspieler ist seit Ende November 2016 als Sportlicher Leiter für die U23 des FC Schalke 04 zuständig. Er erlebte in dieser Zeit schon einiges: Auf- und Abstieg - aber eine Unterbrechung aufgrund einer Pandemie ist auch für ihn neu.

Im Interview spricht die Schalke-Legende über die Planungen während der Corona-Krise, die damit verbundenen Auswirkungen für die U23-Mannschaft und die kommende Regionalliga-West-Saison.

Gerald Asamoah, erst am 26. Juni 2020 gab Schalke die Verlängerung von U23-Trainer Torsten Fröhling bekannt. Warum so spät?

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Gerald Asamoah: Wir waren seit langer Zeit im Austausch. Torsten wusste immer, was los ist. Für uns war schnell klar, dass wir mit ihm in die nächste Saison gehen wollen. Er hat die Mannschaft in der Oberliga übernommen, sie zusammengeschweißt und einen hervorragenden Job gemacht. Der Aufstieg war dann die Folge. Platz neun in dieser Saison war auch eine gute Leistung. Wie gesagt: es war lange klar, dass wir weiter zusammenarbeiten wollen, nur die Unterschrift ließ aufgrund der Corona-Pandemie, der laufenden Bundesliga-Saison und der Ungewissheit, ob die Regionalliga-Saison 2019/2020 zu Ende gespielt wird oder nicht, länger auf sich warten.

Weil Schalke II sich mit den Planungen so lange zurückgehalten hat, tauchten auch Gerüchte auf, die besagten, dass Schalke eventuell plane seine U23 abzumelden...

Gerald Asamoah
Gerald Asamoah © dpa

Asamoah: Das war nie ein Thema bei uns. Klar, als wir damals in der Oberliga waren, noch zu Zeiten von Christian Heidel, da haben wir darüber gesprochen, ob es sich lohnt mit einer U23 in der Oberliga zu spielen. Aber wir haben diese Frage relativ schnell mit einem "Ja" beantwortet. Und man muss sagen, dass uns die Jahre danach Recht gegeben haben. Aktuell sind unter anderem Nassim Boujellab oder Timo Becker gute Beispiele dafür. Andersherum war die U23-Mannschaft stets ein gutes Auffangbecken für die Profis, die Spielpraxis benötigt haben. Deshalb ist auch der aktuelle Sportvorstand Jochen Schneider so ein großer Fan der U23.

Trotzdem: Schalke geht es finanziell nicht gut. Inwieweit betrifft die finanzielle Lage Ihre Planungen bezüglich der Regionalliga-Mannschaft?

Asamoah: Wir hatten immer unser Limit, unser Budget, an das wir uns halten und wir geben keine Unsummen aus. Unsere Devise ist, dass wir nur Spieler zur U23 auf Schalke holen, die Bock auf diese Aufgabe haben. Die darin eine Chance sehen, gegebenenfalls nach oben zu kommen.

Bei den Schalker Profis zuletzt regelmäßig im Einsatz: Timo Becker (l.) - hier im Duell mit Vincenzo Grifo.
Bei den Schalker Profis zuletzt regelmäßig im Einsatz: Timo Becker (l.) - hier im Duell mit Vincenzo Grifo. © getty Images

Timo Becker ist da ein gutes Beispiel.

Asamoah: Natürlich. Timo Becker hatte im vergangenen Sommer gewisse Ziele. Er wollte in die 3. Liga. Doch als Schalke kam, überlegte er, welcher Weg für ihn wohl der richtige ist. Und im Endeffekt hat er Schalke geholfen und Schalke hat ihm geholfen. Timo hat hier keinen großen Vertrag unterschrieben, aber er hat großen Bock auf die Sache. Diese Einstellung ist wichtig. Und darauf achten wir sehr bei der Zusammenstellung der U23-Mannschaft.

Glauben Sie, dass Becker, dessen Vertrag ausläuft, in der nächsten Saison wieder in der U23 spielen wird?

Asamoah: Ich gehe nicht davon aus, dass Timo Becker in der nächsten Saison für unsere U23 spielen wird. Er hat jetzt zehn Spiele in der Bundesliga absolviert und überzeugt. Wenn sein Vertrag auf Schalke nicht verlängert werden sollte, dann denke ich schon, dass er zu einem anderen Profiklub wechseln wird.

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Sieben Spieler haben aktuell nur einen Vertrag für die neue Saison. Wie sieht da die personelle Planung aus?

Asamoah: Neben den Spielern, die noch einen Vertrag haben, gibt es auch Jungs, mit denen wir schon Gespräche geführt und verlängert haben. Zudem kommen noch einige U19-Spieler hinzu, die einen Vertrag für die nächste Saison besitzen. Deswegen haben wir insgesamt mehr als nur sieben Spieler unter Vertrag.

Was ist mit der neuen Mannschaft für die kommende Saison drin?

Asamoah: Es ist immer schwer - als U23-Mannschaft ein Ziel zu formulieren. Klar ist, dass wir nichts mit dem Abstieg zu tun haben wollen. Ein einstelliger Tabellenplatz, wie der neunte Rang in dieser Saison, wäre in Ordnung. Trotzdem müssen wir zunächst den Kader vollständig zusammen haben und eine gute Vorbereitung absolvieren. Dann können wir uns vielleicht über ein Ziel unterhalten.

Seit dreieinhalb Jahren sind Sie der Chef der U23. Sie sind ab- und aufgestiegen. Welche Pläne verfolgen Sie für die weitere Zukunft? Vielleicht den Aufstieg in die 3. Liga?

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Asamoah: Es war nie unser Ziel, zu sagen, dass wir in die 3. Liga aufsteigen wollen: Wir haben uns immer gefragt, wofür unsere U23 steht? Die Mannschaft ist eine Zwischenstation für die Spieler, die nicht auf Anhieb den Sprung zu den Profis schaffen. Wir sind als U23 da, um den Jungs die Zeit zu geben, die sie benötigen. Spiele gegen Rot-Weiss Essen oder Alemannia Aachen sind da goldwert. Wenn du solche Hürden bestehst, dann kannst du es auch oben schaffen. Das sagen wir den Jungs immer. Und in dieser Weiterentwicklung sehen wir den Sinn der U23-Mannschaft.

Wie haben Sie die Liga-Konkurrenten, wie zum Beispiel Rot-Weiss Essen, in der Corona-Pause verfolgt?

Asamoah: Wenn man in der Liga spielt, dann schaut man natürlich schon, was bei den anderen Klubs passiert. Rot-Weiss Essen ist da natürlich sehr interessant. RWE ist das Bayern München der Liga. Auf solche Spiele ist jeder heiß. Die Trainerentlassung in Essen hat mich nicht ganz überrascht, weil jeder weiß, dass Essen noch höhere Ziele verfolgt. Rödinghausen und Verl standen am Ende vor Essen. Jetzt hat RWE auf dem Transfermarkt mit Daniel Davari und Simon Engelmann schon deutliche Zeichen gesetzt. Für mich ist Rot-Weiss Essen der Topfavorit auf Platz eins.

Am ersten September-Wochenende soll es wieder losgehen. Mit oder ohne Zuschauer: Da streitet man sich noch. Wie stehen Sie dazu?

Asamoah: Natürlich kann ich Vereine wie Essen, Aachen oder Oberhausen verstehen, die von den Einnahmen und den Spieltags-Erlösen leben. Ich weiß ja auch, wie diese Vereine funktionieren. Auf der anderen Seite sind wir alle Fußballer und wollen, dass es endlich losgeht. Ich bin froh, dass ich das am Ende nicht entscheiden muss.

Was ist das Schlimmste für einen Fußball-Manager in Zeiten von Corona?

Asamoah: Diese Ungewissheit, wann es wieder losgeht, ist verdammt hart. Die Planungen laufen immer. Aber man weiß nicht so recht, für welchen Augenblick man plant. Auch Spieler-Beobachtungen oder Gegner-Analysen können aktuell nicht stattfinden, da man beispielsweise keine Scout rausschicken kann. Alles läuft nur über den Rechner, über Videos. Auf einem Video sieht man aber nicht alles, was man sehen will. Trotzdem wächst man an dieser Situation. Jede Erfahrung bringt einen Menschen im Leben weiter. Auch die Erfahrungen und Folgen der Corona-Pandemie.