Gelsenkirchen. Vor 20 Jahren war Huub Stevens fast so erfolglos wie heute David Wagner – er durfte bleiben, und Schalke wurde belohnt. Olaf Thon erinnert sich.

Es ist so wie der bange Blick nach draußen, wenn man eine Gartenparty plant und sich oben am wolkenverhangenen Himmel ordentlich was zusammenbraut. Dann fragt man sich: Kann das gut gehen? Und genauso verhält es sich im Moment auf Schalke.

Ein Trainer, der seit 15 Bundesligaspielen nicht mehr gewonnen hat, soll die Mannschaft auch in der kommenden Saison betreuen – kann das gut gehen? „Ja“, sagt Olaf Thon ohne Umschweife. Schalkes Eurofighter-Kapitän findet es gut, dass Sportvorstand Jochen Schneider auch die neue Saison mit Trainer David Wagner plant, obwohl der eine ellenlange Sieglos-Serie als Hypothek mit sich herumschleppt. Thon weiß, warum das funktionieren kann – denn vor 20 Jahren stand Schalke mit ihm als Kapitän in einer ähnlichen Lage. Huub Stevens, als Trainer in der Öffentlichkeit damals schwer angezählt, durfte überraschend bleiben – und ein Jahr später wäre Schalke mit ihm fast Deutscher Meister geworden.

So lief’s 1999/ 2000

Schalke beendete die Saison 1999/2000 auf dem 13. Tabellenplatz – mit 39 Punkten. Das sind genauso viele Punkte, wie Schalke in der aktuellen Saison vor dem abschließenden Spiel am Samstag in Freiburg hat.

Damals hatte Schalke in der gesamten Saison nur acht Spiele gewonnen (15 Unentschieden, elf Niederlagen). Heute steht Schalke bei neun Siegen.

Die Endphase der Saison 1999/ 2000 erinnert in der Tat frappierend an die aktuelle Lage unter David Wagner. Damals blieb Schalke in den letzten neun Spielen der Saison ohne Sieg (vier Niederlagen, fünf Unentschieden) und verpasste den Europapokal-Platz klar. Der Kredit von Huub Stevens schien in seinem vierten Jahr auf Schalke aufgebraucht zu sein, der Ruhm vom Uefa-Cup-Wunder 1997 war längst verblasst. Viele rechneten mit einer einvernehmlichen Trennung zum Saisonende, doch Manager Rudi Assauer ließ auf seinen Trainer nichts kommen. Schon drei Runden vor Saisonschluss, übrigens nach einer 1:2-Niederlage in Freiburg, stand er mit Journalisten auf dem Rasen des damaligen Dreisamstadions, zog genüsslich an seiner Zigarre und verkündete: „Der Alte bleibt – selbstverständlich!“

Assauer überraschte damit nicht nur die Journalisten, sondern auch die Spieler. Kapitän Olaf Thon kann sich an die lange Busfahrt nach dem Spiel erinnern: „Ich wusste, dass es eng wird, aber nach der Rückfahrt war klar, dass er bleibt.“

Assauer war damals der Alleinherrscher auf Schalke, er hatte nichts und niemanden in seine Entscheidung einbezogen und sich einfach nur auf sein Näschen und seinen Fußball-Verstand verlassen. Thon imponiert das heute: „Man muss einen Trainer stützen, wenn man wirklich überzeugt von ihm ist. Genauso hat es ja Jochen Schneider jetzt bei David Wagner gesagt. Das finde ich absolut richtig.“

Sie wollen es weiter versuchen: Trainer David Wagner (links) und Schalkes Sportvorstand Jochen Schneider.
Sie wollen es weiter versuchen: Trainer David Wagner (links) und Schalkes Sportvorstand Jochen Schneider. © imago images / Team 2 | TEAM2via www.imago-images.de

Damals stand nach der Entscheidung pro Stevens allerdings eine turbulente Sommerpause an. Olaf Thon trat von seinem Amt als Kapitän zurück, weil er spürte, dass der Rückhalt für ihn nicht mehr da war. Nicht nur die Trainer-Entscheidung war an ihm vorbeigelaufen, sondern es wurde auch Andreas Möller von Borussia Dortmund verpflichtet, „ohne dass man mich gefragt hatte“. Marc Wilmots zog sogar gekränkt nach Bordeaux, und Schalke holte mit Jörg Böhme und Tomasz Hajto zwei Spieler von den Absteigern Bielefeld und Duisburg. All’ das fanden auch die Fans nicht gut: Nach einem Testspiel in der Sommervorbereitung rüttelten sie kräftig am Mannschaftsbus, in dessen Mitte Andy Möller saß – auf Schalke braute sich einiges zusammen. Doch für die anschließende Saison hatte das keine Folgen: Ein knappes Jahr später war Schalke am 19. Mai 2001 für vier Minuten Deutscher Meister...

Die Spieler waren das Problem – nicht der Trainer

Heute weiß Olaf Thon, dass die Weichen dafür gestellt wurden, indem Stevens trotz einer ellenlangen Sieglos-Serie bleiben durfte: „Das Entscheidende war, dass der Manager voll hinter dem Trainer stand und ihn wichtige Entscheidungen treffen ließ“, analysiert der 54-Jährige und gibt zu: „Der Trainer war damals nicht das Problem, sondern wir als Mannschaft.“ Es habe nach der schwachen Saison 1999/2000 „etwas passieren“ müssen, weshalb Thon seine Kapitänsbinde an Tomasz Waldoch weitergab. Ebbe Sand hatte sich nach nur einem Jahr auf Schalke dafür noch nicht bereit gefühlt.

Findet es gut, dass David Wagner bleiben soll: Olaf Thon.
Findet es gut, dass David Wagner bleiben soll: Olaf Thon. © firo Sportphoto | firo/Sebastian El-Saqqa

Auch jetzt, sagt Olaf Thon, müsse wieder etwas passieren, um diese Saison unter David Wagner aufzuarbeiten, die Fakten nach 15 Bundesligaspielen ohne Sieg nennt er „beängstigend“. Aber er findet es gut, dass Jochen Schneider entschlossen scheint, die Sache mit David Wagner genauso durchzuziehen wie Assauer damals mit Stevens. Thons Rat: „Es wäre ein gutes Zeichen, auf die Jugend zu setzen und eine junge Truppe mit Spielern aus dem eigenen Nachwuchs aufzubauen.“ Viel mehr wird Schalke mangels (finanzieller) Masse ja auch nicht übrig bleiben. Eine Vereins-Ikone wie Thon gibt es ja nicht mehr in dieser Mannschaft...