Gelsenkirchen. Olaf Thon macht sich Gedanken: Die S04-Legende spricht im WAZ-Interview über die Gründe für die königsblaue Krise - und über Auswege.
Olaf Thon (54) erlebt die Spiele des FC Schalke 04 derzeit so wie die meisten Fans: Zuhause vor dem Fernseher. Dennoch ist der Vereinsrepräsentant so nah dran am täglichen Geschehen wie nur wenige. Im WAZ-Interview erklärt der 54-Jährige klipp und klar, was jetzt passieren muss, damit die blau-weiße Zukunft wieder rosig wird:
Herr Thon, schauen Sie noch regelmäßig auf die Bundesligatabelle?
Olaf Thon: Jetzt nicht mehr so, denn für Schalke geht nach unten wie nach oben vermutlich nicht mehr allzu viel. Trotzdem wäre es natürlich wichtig, dass das Team am Ende zumindest einen einstelligen Tabellenplatz erreicht – auch mit Blick auf die Verteilung der TV-Gelder.
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Dazu müsste man erst mal die Sieglos-Serie von mittlerweile zwölf Spielen beenden.
Ja, es wäre wirklich an der Zeit, den Hebel umzulegen. Jetzt, da es eigentlich um nichts mehr geht, kann die Mannschaft vielleicht wieder etwas befreiter und mutiger auftreten. Ich weiß aus eigener Erfahrung, dass Fußballspiele zu 50 Prozent im Kopf entschieden werden. Das war 1987/88 so, als wir mit Schalke abgestiegen sind, und das war 1991/92 nicht anders, als wir mit Bayern phasenweise im Tabellenkeller standen. Da habe ich aber auch gelernt: Irgendwann musst du den Bock einfach umstoßen. Das geht vor allem über den Willen – und den Mut. Die Mannschaft kann es doch. Schließlich hat sie zu Beginn der Rückrunde ein Topteam wie Borussia Mönchengladbach mit 2:0 geschlagen, und zwar in überzeugender Manier.
Ihr früherer Mitspieler David Wagner betonte mehrfach, er könne mit dem verletzungsgeplagten Kader nicht mehr so offensiv verteidigen lassen wie noch im ersten Abschnitt der Saison.
Ja, und diese Sichtweise hat er ausführlich begründet. Andererseits sieht man, dass die defensivbetontere Spielweise auch nichts eingebracht hat. Ich finde, gerade jetzt sollte man wieder etwas risikofreudiger auftreten, nicht zuletzt mit Blick auf die neue Saison. Was ich als Fan aber mindestens sehen will, ist bedingungsloser Einsatz, wie er im Spiel bei Union Berlin zumindest teilweise vorhanden war.
Sie selbst haben mehrfach erklärt, wie viel Sie vom jungen Stürmer Ahmed Kutucu halten. Hätte er nun auch mal eine Chance von Anfang an verdient?
Das habe ich tatsächlich so gesagt, weil Ahmed mit so viel Power und Einsatz spielt und teilweise auch überragende Dinge gemacht hat: Ich erinnere mich zum Beispiel an sein Tor in München in der vergangenen Saison. Da fragt man sich schon, warum so einer die Chance nicht bekommt. Auf der anderen Seite weiß ich, dass ein Trainer immer versucht, die beste Mannschaft aufzustellen, da fließen zum Beispiel auch die Trainingsleistungen mit ein. Nichtsdestotrotz hoffe ich, dass Ahmed demnächst eine Chance kriegt, sein wahres Können zu zeigen.
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Hat David Wagner Sie in dieser schwierigen Zeit eigentlich mal um Rat gebeten?
Wenn irgendwer auf Schalke meine Hilfe will, stehe ich gern zur Verfügung. Ich bin ja aufgrund meiner Tätigkeit noch ziemlich präsent im Verein.
Hat er?
Wenn das so wäre, wäre das zu 100 Prozent vertraulich.
Sollte am Sonntag erneut kein Sieg gelingen, wäre David Wagner ein alleiniger „Vereinsrekord“ sicher: 13 aufeinanderfolgende Ligapartien ohne Sieg. Und ausgerechnet jetzt kommt Angstgegner Leverkusen.
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Angstgegner? So etwas gibt es kurzfristig immer wieder mal. Als Franz Beckenbauer in der 70er-Jahren bei Bayern spielte, war es zum Beispiel in Lautern sehr schwer. Andererseits kann man sich jede Statistik so zurechtlegen, wie man sie gerade braucht. Zumal Schalke am Sonntag zwei kleine Vorteile auf seiner Seite hat: Man konnte Bayer gestern im Pokalspiel gegen Saarbrücken noch einmal genau unter die Lupe nehmen. Zudem dürfte die englische Woche die Leverkusener etwas Kraft kosten.
In der Hinrunde waren Schalke und Bayer 04 Leverkusen lange dicht beieinander, danach änderte sich das Bild. Warum ist die „Werkself“ Ihrer Meinung nach mittlerweile so weit enteilt?
Schwer zu sagen, aber ein Grund ist sicher die Verletztenmisere auf Schalke: Sané, Mascarell, Serdar, Kabak, Stambouli, Nastasic, Caligiuri, zuletzt auch Todibo, Harit und Burgstaller. Das sind schon herbe Ausfälle. Und ganz sicher hat Schalke nicht so eine Qualität auf der Ersatzbank wie Leverkusen. Von daher ist man wohl am Sonntag eher Außenseiter, aber darin liegt bekanntlich auch eine Chance.
Und der Abschied von Finanzvorstand Peter Peters, ist das ebenfalls eine Chance für den Verein – oder sehen Sie darin eher einen Verlust?
Für mich war es zunächst mal eine riesengroße Überraschung. Wenn ein Mann mit einem solchen Knowhow den Verein verlässt, ist das natürlich ein großer Verlust. Nun ist es am Aufsichtsrat, den Vorstand wieder so aufzustellen, dass Schalke reibungslos funktioniert. Laut Satzung ist der Verein ja auch mit den zwei Vorständen Jochen Schneider und Alexander Jobst voll handlungsfähig. Ich persönlich vermute aber, dass demnächst ein dritter Vorstand mit betriebswirtschaftlicher Expertise hinzu kommen wird.