Gelsenkirchen/ Bergen. Schalkes Fährmann ist in Norwegen. Dort ist es schön, aber spielen kann er wegen der Corona-Krise auch nicht. Er musste sogar in Quarantäne.
Ralf Fährmann hat im Moment viel mitzuteilen: In den vergangenen Tagen ratterten immer wieder kleine Video-Sequenzen über seinen Instagram-Account, zu sehen waren viele schöne Landschaftsbilder. Norwegen, wo sich Schalkes langjährige Nummer eins derzeit aufhält, ist ein herrliches Fleckchen Erde, auch die Stadt Bergen hat ein wundervolles Flair – sie gilt als das Tor zu den Fjorden. Wer die Bilder bei Instagram gesehen hat, der muss zu dem Schluss kommen: Was die Lebensqualität betrifft, hätte es Ralf Fährmann schlechter treffen können.
Man könnte sagen: Wenigstens die Umgebung stimmt, wo sich sportlich die Hoffnungen schon wieder nicht zu erfüllen scheinen.
Schalke spielte 2007 einmal in Trondheim
Denn eigentlich wollte Ralf Fährmann an diesem Sonntag zum ersten Mal in der norwegischen Liga für Brann Bergen im Tor stehen, angesetzt war das Auswärtsspiel bei Rosenborg Trondheim, wo es übrigens genauso schön ist wie in Bergen: Schalke hat dort 2007 einmal in der Champions League gespielt. Fährmann wollte hier Spielpraxis sammeln für seine Rückkehr im Sommer nach Schalke, er wollte bestmöglich vorbereitet in das Duell mit Markus Schubert im Kampf um die Nummer eins gehen. Deswegen hatte er sich Anfang März ein zweites Mal ausleihen lassen, nachdem ihm zuvor in acht Monaten bei Norwich City die Spielpraxis in der englischen Premier League verwehrt blieb. Zehn bis zwölf Spiele, so war sein Plan noch vor drei Wochen, wollte mit Brann Bergen bestreiten – auch durch den ganzen Sommer hindurch, wenn er die übrigen Schalker Profis im Urlaub wähnte.
Doch dann kam das Coronavirus, und damit auch die Fußball-Pause – auch in Norwegen. Nun sitzt Fährmann im schönen Bergen und hofft wie alle Menschen, dass sich irgendwann doch noch alles fügt. Dem Portal Transfermarkt.de sagte er: „Wie viele Spiele es nun wirklich werden, kann man natürlich jetzt nicht sagen.“ Geplant ist nun, dass es in Norwegen Ende Mai losgeht. Fährmann: „Ich hoffe, dass der Saisonstart nicht noch einmal verschoben wird und ich bis Ende Juni noch ein paar Partien machen kann, deshalb bin ich hergekommen.“ Kämpferisch kündigt der 31-Jährige in dem Interview an: „Ich habe mit Schalke viel vor.“ Noch viel vor.
Bis Ende 2018 war Fährmann, der im Alter von 14 Jahren aus Chemnitz in die Schalker Knappenschmiede gewechselt war, die Nummer eins bei den Königsblauen, seit Sommer 2017 war er sogar Kapitän. Er identifizierte sich wie kaum ein anderer Profi mit seinem Verein, war der Liebling der Fans und hielt zeitweise so gut, dass er eigentlich in die Nationalmannschaft hätte berufen werden können. Was er nie war, war ein Torwart der die modernsten Entwicklungen widerspiegelte. Aber wenn Fährmann im Sommer wieder kommt, dann möchte er „eine faire Chance“ auf Schalke: „Und wenn ich diese erhalte, bin ich so von mir überzeugt, dass ich wieder die Nummer eins sein kann.“
Sein Vertrag bei seinem „Traumverein", wo er sich „sesshaft“ fühlt, läuft noch drei Jahre bis zum 30. Juni 2023. Er stellt klar: „Ich möchte nichts geschenkt bekommen. Das habe ich in der Vergangenheit nie gewollt und das wird auch in Zukunft nie so sein. Ich möchte einfach fair behandelt werden. Und ich glaube, das habe ich auch verdient.“
Darum verließ Fährmann Schalke
Dass er Schalke im vergangenen Sommer verließ, lag an der damaligen Konstellation im Tor: Der Klub wollte unbedingt den Vertrag mit Alexander Nübel verlängern – „ich wusste, dass es für mich keine Chance geben würde“. Die Aussicht auf eine Saison in der Premier League klang verlockend, also griff er zu.
Doch in England wird nicht nur auf der falschen Straßenseite Auto gefahren, auch der Weg ins Tor blieb ihm versperrt. Er durfte nur ein einziges Mal in der Premier League ran – für 22 Minuten. „Ich habe mir alles anders vorgestellt, gar keine Frage“, gibt er zu. Es habe in Norwich „viele Dinge“ gegeben, „die nicht so rosig waren“. Mit Schalke stand er durchgehend in Kontakt, auch Sportvorstand Jochen Schneider hatte sich die Leihe nach England anders vorgestellt. „Gemeinsam“, erzählt Fährmann, habe man mit dem Wechsel nach Norwegen eine passende Lösung gefunden – bis das Coronavirus kam.
Anstelle des Spiels am Sonntag in Trondheim heißt es nun: Trainieren mit den noch ganz neuen Kollegen bei Brann Bergen in kleinen Gruppen und ohne Körperkontakt – das sei nach einigem Hin und Her inzwischen wieder möglich. Auch bei seinem neuen Klub haben die Spieler auf 20 Prozent ihrer Gehälter verzichtet. Und: Aufgrund der Vorschriften im Kampf gegen das Virus musste Fährmann sogar einmal in Quarantäne. In dem Interview berichtet er: „Ich war kurzzeitig zwei Tage in Deutschland, dann musste ich aber wieder zurück und mich 14 Tage in Quarantäne begeben, um zu überprüfen, wie es mir gesundheitlich geht. Nach dieser Zeit durfte ich mich wieder frei bewegen und Sport machen.“
Der Torwart weiß, wo er hingehört
Schalke, England, Norwegen, bald wieder Schalke: Ein Jahr, das Fährmann nie vergessen wird. In Norwich habe er erfahren, „wie die Engländer ticken“ sagt der gebürtige Chemnitzer und fügt an: „So wird es nun auch in Norwegen sein, ich habe mit vielen neuen Menschen zu tun und darf die Mentalität der Skandinavier ein bisschen näher kennenlernen.“ Die Mentalität und auch das herrlich weite Land. Aber Fährmann weiß auch, wo er hingehört, das sei klar: „Ich bin froh, wenn ich wieder zu Hause bin.“