Gelsenkirchen. Wegen des Coronavirus soll es in der Bundesliga Geisterspiele geben. Schalker Fans üben in der WAZ Kritik, bringen aber auch Verständnis auf.
Geisterspiele. Was für viele Fußball-Fans eine schreckliche Vorstellung ist, ist aus Sicht der Deutschen Fußball Liga (DFL) „in der nächsten Zeit die einzige Überlebenschance“ für viele Vereine – so hat es DFL-Chef Christian Seifert ausgedrückt. Zumindest bis zum 2. April sind die Spiele derzeit ausgesetzt – wenn es danach irgendwann weitergeht, wird es nach Ansicht der DFL nur ohne Zuschauer gehen. Wir haben uns unter Schalker Fans und Fan-Gruppierungen umgehört, wie sie über Spiele ohne Zuschauer denken. Eine Auswahl:
Astrid Erlebach, Mit-Herausgeberin des Fan-Magazins Schalke Unser: „Ich halte von Geisterspielen nichts, die dienen doch nur zum finanziellen Erhalt. Zudem bezweifle ich, dass solche Spiele überhaupt stattfinden könnten. Durch die Mannschaften, Betreuer und Reporter kommt ja trotzdem eine gewisse Personenanzahl zusammen, das wäre unverantwortlich. Zumal einige Teams ja sogar komplett in Quarantäne sind. Die Menschen stehen aktuell im Vordergrund – nicht der Fußball. Da wir nicht wissen, wann der Höhepunkt erreicht ist, können wir nur von Tag zu Tag schauen. Vielleicht können wir in fünf Wochen wieder spielen. Daran glaube ich aber nicht. Ich gehe eher davon aus, dass die Saison gelaufen ist.“
Sven Schneider, Vorsitzender der Schalker Fan-Initiative: „Ich bin der Meinung, dass die Gesundheit aller Beteiligten gegenüber kommerziellen Interessen vorgeht. Der Fußball hat ja auch eine Vorbildfunktion: Auf der einen Seite sagen wir den Kindern, dass sie nicht zusammen kicken sollen, und auf der anderen Seite machen die Profis genau das Gegenteil vor. Ich halte Geisterspiele deshalb für keine gute Idee. Zumal ich mich frage, wie das funktionieren soll, wenn einige Mannschaften spielen und andere dies wegen eines Krankheitsfalls im Team nicht tun können. Das wäre Wettbewerbsverzerrung. Es muss andere Möglichkeiten geben.“
Andreas Jour, Vorsitzender des Supporters Clubs: „Ich sehe weder jetzt noch in ein paar Wochen einen Sinn darin, Geisterspiele auszutragen. Selbst wenn wir auf Zuschauer verzichten, stehen ja trotzdem 22 Mann auf und zig Menschen neben dem Platz. Ich wünsche mir, dass die Saison irgendwann doch noch mit Fans zu Ende zu gespielt werden kann. Aktuell vermisse ich die Menschen, mit denen ich sonst im Stadion bin, den Fußball an sich aber weniger. Und ich gehe davon aus, dass auch viele weitere Menschen gerade andere Sorgen haben. Schließlich weiß keiner, wie es weitergeht. Weder diejenigen, die jetzt im Homeoffice arbeiten, noch die völlig gestressten Pflege- und Supermarkt-Angestellten. Und die, die durch das Virus ihre Arbeit verloren haben, erst recht nicht. Der sportliche Ausgang der Saison ist daher zweitrangig. Die Hauptsache ist, dass das Virus bekämpft wird.“
„Ich verstehe das Dilemma der DFL und der Vereine“
Markus Mau, Leiter Schalker Fanprojekt: „Mein Eindruck ist, dass nicht nur die aktive Fanszene lieber bei den Spielen dabei wäre. Momentan dominiert aber der Virus das Tagesgeschehen, weswegen sich bereits viele Ultras für die Risikogruppen engagieren. Niemand kann zurzeit sagen, wann und wie es weiter geht. Natürlich muss man auch ab einem gewissen Zeitpunkt über die finanziellen Aspekte reden. Die richtige Entscheidung der Uefa, die Europameisterschaft zu verschieben, hat der DFL und dem DFB Spielraum gegeben, um Entscheidungen im Sinne aller zu treffen.
Manfred Beck, Vorsitzender des Fanklubs Anno 1904: „Ich verstehe das Dilemma der DFL und der Vereine. Viele Klubs aus der zweiten und auch einige der ersten Liga sind ernsthaft gefährdet. Wenn die Saison nun abgebrochen würde, müssten sie den Fernsehsendern einen hohen Geldbetrag zurückerstatten. Aus finanzieller Sicht sehe ich daher keine Alternative zu Geisterspielen. Als Fan wäre das natürlich traurig, weil die Stimmung und somit alles fehlt, was die Fußballkultur ausmacht und wofür die Fan-Gruppierungen doch stehen. Oder überspitzt gesagt: Wenn Milliardäre ihre Millionäre über den Rasen laufen lassen und man sich das im Fernsehen anschaut, ist das keine Fußballkultur. Da wir aber keine halbwegs verlässliche Prognose abgeben können, wie lange dieser Zustand noch anhält, sehe ich in der Notlösung Geisterspiele das kleinere Übel.“
Holger Knittel, seit über 30 Jahren Schalke-Mitglied: „Wenn es für die Vereine die beste Lösung ist, die Saison mit Geisterspielen zu Ende zu bringen, dann habe ich das zu akzeptieren – ich habe kein Recht, das abzulehnen. Natürlich ist es mit Zuschauern schöner, auch ich würde lieber in die Arena gehen. Als Fan nehme ich mir das Recht heraus zu pfeifen, wenn mir die Leistung auf dem Platz nicht gefällt, aber ich nehme mir nicht das Recht heraus, über die Notwendigkeit von Geisterspielen zu urteilen. Sollte das so kommen, dann ist es eben so. Und dann werde ich von Schalke übrigens auch nicht den anteiligen Eintrittspreis meiner beiden Dauerkarten, die ich mir mit Freunden teile, zurückfordern. Jetzt ist Solidarität gefragt.“