Gelsenkirchen. Schalke kassierte beim 1:1 gegen Hoffenheim das fünfte Gegentor nach einer Standardsituation in den jüngsten sechs Spielen. Die Gründe.
Jean Clair Todibo schleppte sich die Treppe vor dem Kabinengang herauf, und für einen 20 Jahre jungen Profi sah das erstaunlich schwerfällig aus. Es musste wohl die Anstrengung der vorangegangenen 90 Minuten gewesen sein, eine schwerwiegende Verletzung lag jedenfalls nicht vor, berichtete David Wagner. Schalkes Trainer konnte das so genau sagen, weil er sich kurz zuvor noch mit Todibo unterhalten hatte, und eine Verletzung sei dabei kein Thema gewesen. Beim Austausch zwischen Trainer und Abwehrchef ging es vielmehr um das Verteidigen der Standardsituationen – denn diese erneute Schwäche hatte Schalke beim 1:1 gegen die TSG Hoffenheim den eigentlich verdienten Sieg gekostet.
Guido Burgstaller: „Das ist dumm“
Schalke hatte aus dem laufenden Spiel heraus so gut wie keine Torchance der Hoffenheimer zugelassen, und trotzdem musste Torwart Markus Schubert zweimal den Ball aus dem Netz holen. Beim ersten Mal, in der 66. Minute, landete nach einem Freistoß von Sebastian Rudy ein Kopfball von Benjamin Hübner im Schalker Tor – da entschied der Video-Beweis noch auf Abseits. Beim zweiten Mal konnte Schalke eine Ecke von Robert Skov nicht klären, und Christoph Baumgartner staubte zum 1:1-Ausgleich ab – damit war das von Weston McKennie in der 20. Minute erzielte Führungstor egalisiert. Guido Burgstaller, wieder Schalkes Kapitän, war enttäuscht und angefressen: „Wir haben hinten gar nichts zugelassen – Schubi musste nichts halten bis auf die zwei doofen Standardtore.” Weil beide Szenen gerade einmal drei Minuten auseinander lagen, legte Burgstaller nach: „Das ist dumm. Das erste Tor hätte uns eigentlich wachrütteln sollen, aber das ist leider nicht passiert.”
Die Standard-Serie trifft Schalke
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Schalke hat derzeit ein großes Problem beim Verteidigen von hohen Bällen: Hoffenheims 1:1 war das fünfte Standard-Gegentor in den jüngsten sechs Pflichtspielen. Nur beim 0:0 in Mainz ging’s gut – ansonsten trafen nacheinander Paderborns Klaus Gjasula (zum 1:1), Leipzigs Marcel Halstenberg (zum 3:0), Kölns Sebastiaan Bornauw (zum 1:0), Bayerns Joshua Kimmich (zum 1:0) und nun Hoffenheims Baumgartner (zum 1:1) nach ruhenden Bällen gegen Schalke. „Man merkt, dass wir ein bisschen unsicher sind bei Standards”, sagt Burgstaller: „Wenn du in den letzten Spielen ein paar Standardtore gegen dich bekommen hast, kannst du das nicht so abschütteln.”
Schalke, oder: Wenn der Eckball reine Kopfsache ist.
Schalke-Trainer Wagner kennt die Gründe
Für David Wagner kommen derzeit zwei Komponenten zusammen, die dieses Problem auslösen. Als erstes nennt er die fehlenden Automatismen, weil die Mannschaft durch die vielen Personalwechsel, die die Verletzungen mit sich bringen, nicht eingespielt ist. „Auch bei Standards geht es um das Gefühl füreinander”, sagt Wagner. Die aktuelle Dreierkette mit den drei wuchtigen Innenverteidigern Timo Becker, Jean-Clair Todibo und Matija Nastasic spielte gegen Hoffenheim erst zum zweiten Mal in dieser Besetzung, auch andere Spieler wie Burgstaller, die bei Standards mit im Zentrum verteidigen, sind gerade erst wieder neu in die Elf gekommen. Abgesehen davon, dass mit Salif Sané und Ozan Kabak zwei extrem kopfballstarke Spieler verletzt fehlen. Als zweite Komponente führt auch Wagner die Verunsicherung an: „Wenn du dann auch noch mehrere Tore nacheinander aus Standards bekommst, macht dich das auch nicht selbstbewusster.” Insofern herrschte nach dem ersten Hoffenheimer Treffer, der wegen Abseits nicht zählte, erst recht Alarmstufe eins.
Schalke sieht kein grundsätzliches Problem
Dass beim Verteidigen der hohen Bälle etwas Grundsätzliches nicht stimmen könnte, schließen die Schalker aus. Bastian Oczipka führt das Pokalspiel gegen die Bayern an: „Da haben wir 14 Ecken gegen uns gehabt, und die haben wir weitgehend gut verteidigt.” Allerdings bis auf die eine, aus der das Siegtor resultierte. Die Zuordnung sei auf jeden Fall gegeben, so der Abwehr-Routinier: „Aber es ist vielleicht auch nicht immer so einfach, wie es im Fernsehen aussieht.” Bei jedem hohen Ball in den Strafraum werde „gerangelt”, und Hoffenheim habe mit Benjamin Hübner nun einmal einen ausgewiesenen Kopfball-Experten wie Schalke mit dem verletzten Sané oder früher mit Naldo: „Der hat vorne auch immer seine Dinger gemacht.” Aber vielleicht, räumt Oczipka ein, sei die Mannschaft im Moment auch „nicht gierig genug, um das Ding irgendwie zu verteidigen.”
Trainer Wagner will die Probleme auf jeden Fall bearbeiten, „wir gehen dagegen an”, verspricht der Coach. Gerade in dieser Woche vor dem Spiel am nächsten Samstag in Dortmund: Wäre doch schade, wenn Schalke den Derbysieg nur durch so eine lumpige Standardsituation verpassen würde. Wagner mit einem Lächeln: „Ich denke, wir werden einige Standards im Derby zu verteidigen haben.”