Fuente Alamo. . Schalke-Profi Suat Serdar spricht im Interview über Abschiede, Pfiffe, Tränen - und macht Schalke ein Angebot. Ein bemerkenswertes Gespräch.
Eine kleine Bank im „Club de Golf Hacienda del Alamo“. Suat Serdar lächelt und macht etwas, das er als Fußball-Profi sonst nur ungern tut: Er nimmt auf der Bank Platz. Dort entwickelt sich im Trainingslager des FC Schalke 04 in Südspanien ein bemerkenswertes Gespräch. Der 22 Jahre alte Bundesliga-Profi und deutsche A-Nationalspieler spricht über Ziele, Pfiffe – und ein Angebot an Schalke.
Herr Serdar, wird Schalke jetzt angriffslustig?
Suat Serdar: Angriffslustig?
Der Trainer hat von einer wahnsinnig guten Ausgangsposition im Kampf um einen der ersten sechs Plätze gesprochen - das klang in der Hinrunde nicht so forsch…
Serdar: Wir haben jetzt 30 Punkte, das hätte nach der letzten Saison keiner gedacht. Natürlich wollen wir jetzt so weitermachen, und wenn uns das gelingt, ist auf jeden Fall ein Platz im oberen Drittel drin. Jeder hat seine eigenen Ziele, meines ist: Ich möchte international spielen in der nächsten Saison. Das habe ich in der Hinrunde auch noch nicht so offen gesagt.
Ist Schalke also schon wieder ein Top-6-Team?
Serdar: Wir sind eine sehr junge Truppe, die noch viel lernen muss - das hat man in machen Spielen gesehen. Aber wir entwickeln uns gut und können so langsam konkreter werden: Die Europa League wäre für unsere junge Truppe nicht so verkehrt, ich denke, wir könnten da schon gut mitspielen.
Schalke-Profi Serdar: "Das Selbstvertrauen sieht man bei jedem einzelnen Spieler"
Woran merken Sie, dass Schalke besser geworden ist?
Serdar: Auf jeden Fall an der Tabelle. (lacht) Man sieht auch, wie wir mittlerweile spielen: Aggressiv - wir rauschen in jeden Ball, wir wollen die Bälle gewinnen, egal ob auswärts oder zu Hause.
Eine Sache des Selbstvertrauens?
Serdar: Das kommt dazu: Wenn man viele Punkte holt, läuft es auf einmal automatisch. Das Selbstvertrauen sieht man dann auch bei jedem einzelnen Spieler.
Bei Ihnen war es auffällig, dass es schon nach dem Trainerwechsel in der Rückrunde unter Huub Stevens und Mike Büskens für Sie persönlich aufwärts ging.
Serdar: Ich hatte ein bisschen Schwierigkeiten unmittelbar nach meinem Wechsel nach Schalke: Das erste Mal alleine zu wohnen, das erste Mal weg von der Familie zu sein - da habe ich etwas Zeit für mich gebraucht, da ich ein sehr familiärer Mensch bin. Dann kam es zum Trainerwechsel: Als Huub Stevens übernommen hat, wurden meine Stärken noch etwas deutlicher. Jetzt kann man sagen, dass ich voll angekommen bin auf Schalke. Ich möchte einfach jedes Spiel gewinnen,auch jedes Trainingsspiel - das sieht man vielleicht auch in den Trainingseinheiten, wenn man mich beobachtet.
Mike Büskens hat zu Ihnen mal gesagt: Suat, du weißt noch gar nicht, wie gut du wirklich bist.
Serdar: Das sagt er mir heute immer noch. (lacht)
Sie tauschen sich weiter aus?
Serdar: Wir haben noch Kontakt, ich bin froh, ihn kennengelernt zu haben. Er hat mir auch nach der letzten Saison, als ich bei der U21-EM war, jeden Tag geschrieben und ebenfalls nach meiner Nominierung zur A-Nationalmannschaft, dass er immer an mich geglaubt hat. Das finde ich echt klasse, weil wir uns ja eigentlich noch gar nicht so lange kennen. Er ist ein super Typ.
Schalke-Profi Serdar: "Es macht mich stolz"
Was löst das in Ihnen aus, wenn Sie merken: Sie sind jetzt ein richtig wichtiger Spieler für die Mannschaft?
Serdar: Das gibt mir viel Selbstvertrauen und es macht mich ein wenig stolz. Mein zweites Jahr auf Schalke - dass es so begonnen hat, ist für mich überragend. Alle freuen sich auch in der Familie, genau wie meine Mitspieler. Einfach ein unbeschreibliches Gefühl. Ich freue mich, auf einem guten Weg zu sein und der Mannschaft in jedem Spiel helfen zu können.
Manchmal hat man den Eindruck: Wenn es auf dem Platz eng wird, dann suchen die Mitspieler Sie und geben Ihnen den Ball, weil er dort gut aufgehoben ist.
Serdar: Das kann gut sein, aber ich nehme das nicht so wahr. Wenn es so sein sollte: Kein Problem - ich suche ja auch die Bälle und versuche sie zu verteilen, zu behaupten und dann torgefährlich zu sein. Dabei bilden Omar (Mascarell) und ich ein gutes Team innerhalb der Mannschaft. In der Hinrunde hat das jedenfalls gut geklappt.
Offensiv wirkt Ihr Verständnis mit Amine Harit und Benito Raman fast schon blind.
Serdar: Mit Amine ist das auf jeden Fall so. Wir sind beide Straßenfußballer, wir wollen beide zocken - das wollten wir schon letztes Jahr, nur hat es da nicht so gut geklappt. In dieser Saison passt es einfach sehr gut zwischen uns: Ich suche ihn, er sucht mich - wir wollen zusammen Fußball spielen.
Mit Benito Raman fiel das Verständnis bei Ihrem Tor gegen Freiburg auf.
Serdar: Das stimmt, aber da haben wir noch etwas Luft nach oben, denke ich. Amine und ich funktionieren einfach schon etwas reibungsloser zusammen, weil wir schon länger zusammen spielenAber Benito ist ebenfalls ein hervorragender Kicker, wir werden uns noch stärker aufeinander einspielen.
Sie haben in dieser Saison schon sechs Tore in einem halben Jahr erzielt - das sind mehr als in Ihrer gesamten Bundesliga-Karriere vorher zusammen.
Serdar: Ja, sonst waren es mal zwei, höchstens drei in einer Saison - jetzt sind es schon sechs. Auch das freut mich sehr, dass ich torgefährlich geworden bin und dafür belohnt werde, wenn ich vorne mit in die Box gehe. Priorität hat für mich auf dem Platz, dass ich die Zweikämpfe im Zentrum alle gewinne - wenn ich dann am Ende noch mit einem Tor aus dem Spiel gehe und wir das Spiel gewinnen, ist es überragend.
Als Sie nach Schalke gekommen sind, wirkten Sie gar nicht so zweikampfstark, auch auf dem Platz eher schüchtern.
Serdar: Wenn man neu in den Verein kommt und noch niemand kennt, ist man erstmal ein wenig zurückhaltend. Aber ich liebe es, auf dem Platz die Zweikämpfe zu suchen und ich will jeden einzelnen gewinnen - egal wer vor mir steht. Und ich liebe es auch einfach, Fußball zu spielen. Ich trage beides in mir: Ich kann Zweikämpfe gewinnen und vorne schön spielen. Das freut mich, denn über diese Qualität verfügen nicht alle Spieler.
Schalke-Profi Serdar: "Ich möchte noch vier Tore machen"
Wie viele Tore sollen es werden in dieser Saison?
Serdar: Ich möchte auf jeden Fall noch vier Tore machen, damit ich auf zehn komme - der Rest wäre eine Zugabe.
Es wäre mittlerweile keine Überraschung mehr, wenn Sie im Sommer mit Deutschland zur EM fahren würden.
Serdar: Das wäre natürlich ein Traum und es freut mich, dass ich in so kurzer Zeit einen solchen Aufschwung erlebe.
Bei der U21-EM im vergangenen Sommer waren Sie kein Stammspieler...
Serdar: Da habe ich nur ein Spiel von Anfang an gemacht und das war das Finale, sonst kam ich von der Bank oder ich habe gar nicht gespielt. Es hätte so schnell wohl niemand vermutet, dass ich jetzt zum A-Nationalspieler geworden bin und schon drei Länderspiele habe – mich eingeschlossen . Natürlich möchte ich mich noch einmal so eine Halbserie spielen wie jetzt in der Hinrunde.
Gibt es da eigentlich zwischendurch Kontakt zum DFB? Oder nur, wenn die Länderspiele anstehen?
Serdar: Oliver Bierhoff hat mir mal geschrieben und zu einem Tor gratuliert. Und der Trainer fragt auch im Verein nach, wie es einem geht - er kann ja nicht jeden anrufen. Aber wenn Länderspiele anstehen, ruft er auch schon mal persönlich vorher an.
Wir haben eingangs über die Entwicklung der Schalker Mannschaft gesprochen: Wirft der Abschied von Alexander Nübel Schalke jetzt nicht wieder ein Stück zurück?
Serdar: Nein, das finde ich nicht. Es ist seine Entscheidung, die müssen wir alle respektieren.. Es war bestimmt keine leichte Sache , aber am Ende ist es Alex` Entscheidung. Er ist jetzt noch ein halbes Jahr bei uns - alle mögen ihn in der Mannschaft, ich vor allem, weil wir zusammen die U21-EM gespielt haben. Er ist ein sehr guter Freund von mir.
Halten Sie es für richtig, dass er in der Rückrunde kein Kapitän mehr ist?
Serdar: Das ist meiner Meinung nach jetzt nicht mehr wichtig, ohnehin sollte jeder der auf dem Platz steht, Verantwortung übernehmen. Am Ende ist es doch nur eine Binde.
Schalke-Profi Serdar: "Wenn man mich fragt: Ich würde ihn nicht auspfeifen"
Es könnte in der Rückrunde Pfiffe gegen Nübel geben - keine Angst, dass sich das negativ auf die Mannschaft auswirkt?
Serdar: Wenn man mich fragt: Ich würde ihn nicht auspfeifen. Und wir als Mannschaft können unseren Teil dazu beitragen, dass das nicht passiert. Wenn wir als Team gut spielen, können wir dafür sorgen, dass mögliche Pfiffe schnell verstummen, da bin ich zuversichtlich.
Sie selbst haben vor zwei Jahren Mainz verlassen, um auf Schalke den nächsten Karriereschritt zu gehen - so wie jetzt Nübel in München. Rechnen Sie mit Pfiffen, wenn Schalke Mitte Februar in Mainz spielt?
Serdar: Nein, ich glaube nicht. Mainz ist schließlich mein Heimatverein.
Das war Schalke für Manuel Neuer auch - er wird heute noch hier ausgepfiffen.
Serdar: Das finde ich traurig.
Ist es schwieriger, einen so emotionalen Verein wie Schalke zu verlassen?
Serdar: Das lässt sich schwer sagen. Mir ist es damals auch sehr schwer gefallen. Bei meinem Abschied in Mainz kamen mir immer wieder die Tränen. Ich hätte vorher nicht gedacht, dass es mir so schwer fällt, denn man freut sich ja darauf, den nächsten Schritt machen zu können, aber andererseits ist man auch extrem traurig, dass man seinen Verein und die Stadt verlässt.
Ihr Vertrag auf Schalke läuft noch bis 2022 - ohne Ausstiegsklausel…
Serdar: Ich weiß es nicht. (lacht) Doch, ich weiß es schon, aber das gehört nicht in die Öffentlichkeit. Ich spiele für Schalke, habe noch einen Vertrag bis 2022, das ist noch ein Stück. Wenn Jochen Schneider jetzt kommen und mir einen neuen Vertrag anbieten würde, würde ich nicht nein sagen. Schalke ist ein toller Verein, den ich bereits ins Herz geschlossen habe.
Also werden Sie nicht der nächste gute Spieler sein, der Schalke verlässt?
Serdar: Man darf niemals nie sagen, aber momentan habe ich nicht das Bedürfnis, Schalke zu verlassen, denn es passt aktuell einfach alles. Ich verstehe mich mit den Mitspielern, habe gute Freunde, zum Beispiel die „türkische Fraktion“ oder Amine Harit. Und auch die Fans sind einfach überragend.
Also muss Jochen Schneider nur kommen?
Serdar: Jochen weiß ganz genau, dass ich viel für Schalke gebe, da bin ich ganz sicher.