Gelsenkirchen. Obwohl er als Trainer keinerlei Erfahrung hatte, entschied sich Schalkes Ex-Manager Rudi Assauer im Sommer 1981, Sigfried Held zu holen.
Eigentlich herrschte Endzeitstimmung auf Schalke. Der erste Bundesliga-Abstieg, besiegelt am 6. Juni 1981 nach einem 0:2 in Kaiserslautern, hatte Verein und Umfeld in Trauerstarre versetzt. Doch der kurz zuvor verpflichtete neue S04-Manager Rudi Assauer wusste, wem er den Neustart anvertrauen wollte: einem alten Bekannten aus gemeinsamen Profi-Tagen beim BVB. Zusammen mit Sigfried Held hatte „Stumpen-Rudi“ 1966 den Europacup der Pokalsieger nach Dortmund geholt. Im selben Jahr war Held, der pfeilschnelle Außenstürmer, in England Vize-Weltmeister geworden. Dass „Siggi“ im Sommer 1981 noch keinerlei Erfahrung als Trainer vorweisen konnte, war dem Bauchmenschen Assauer egal. Er hatte ein gutes Gefühl bei seiner Entscheidung.
Aufstiegsparty vor 50.000 Fans
Knapp ein Jahr später sah sich „Assi“ bestätigt. Am 29. Mai 1982 feierte S04 als Meister der 2. Liga die sofortige Rückkehr in die Erstklassigkeit. TV-Star Wim Thoelke moderierte die große Aufstiegs-Party am letzten Spieltag (3:3 gegen Fürth) vor 50.000 Zuschauern im Parkstadion. Bereits zwei Wochen zuvor hatte die Held-Elf mit einem 4:0-Heimsieg gegen Wormatia Worms den Aufstieg klar gemacht. Und das, obwohl der bedächtige Trainerstratege mit den buschigen Augenbrauen zu Saisonbeginn einen personellen Neuanfang bewältigen musste: Die letzten Stars wie Klaus Fischer und Kurt Jara hatten Schalke im Sommer 1981 verlassen. Geblieben waren Uli Bittcher und Manni Drexler sowie der in die Jahre gekommene Torwart Norbert Nigbur.
Nach einigen Startproblemen (Platz 8 nach acht Spieltagen) fand „Siggi“ Held allmählich seine Formation: Der vom FC Bayern geholte Stürmer Norbert Janzon (13 Saisontore) schlug ebenso ein wie der aus Stuttgart gekommene junge Türke Ilyas Tüfekci (7 Treffer). Und dann war da noch der 17-jährige Volker Abramczik, den der Trainernovize mutig ins kalte Wasser geworfen hatte. Der kleine Bruder von „Flankengott“ Rüdiger Abramczik erzielte sechs Treffer in 24 Einsätzen und sorgte gemeinsam mit Tüfekci für Begeisterungsstürme im Parkstadion.
„Volker Abramczik war so einer wie heute der Jadon Sancho beim BVB“, erinnert sich Held im Gespräch mit der WAZ. „Ein fantastischer Spieler, der immer Wirbel gemacht hat.“ Überhaupt zeigte die Held-Truppe vor allem zu Hause herzerfrischenden Fußball. Von 19 Partien gewann Schalke elf und verlor keine einzige, bei einem Torverhältnis von 46:17. Die Fans dankten mit einem für damalige Zweitligaverhältnisse grandiosen Zuschauerschnitt von 25.000
Nach dem Wiederaufstieg rüstete Schalke scheinbar groß auf. Assauer und Held ergänzten das junge Aufstiegsteam mit namhaften Routiniers: Aus Duisburg holte man deshalb Europameister Bernhard Dietz (damals 34), aus Frankfurt Werner Lorant (33) und aus Bochum Jochen Abel (30). Außerdem kam Schlussmann Walter Junghans von den Bayern, und „Jahrhunderttalent“ Wolfram Wuttke kehrte aus Gladbach zurück. „Eine gute Mischung“, wie Assauer vor Saisonbeginn meinte. Doch Held sagt rückblickend: „Von den Namen her waren das vielleicht große Verstärkungen. In Wahrheit waren es Transfers, die eher aus der finanziellen Not heraus geboren waren.“
Hiobsbotschaft in der Sommerpause
Zu allem Übel ereilte den Verein während der Sommerpause eine Hiobsbotschaft: Volker Abramczik erlitt bei einem Unfall mit seinem BMW schwerste Verletzungen (unter anderem einen Schädelbruch). Zwar überlebte „Abi II“, doch er sollte nie wieder an seine alte Form anknüpfen. Schalkes Rückkehr in die Erstklassigkeit ging gründlich in die Hose: Zum Auftakt (2:4 gegen Gladbach) setzte Held vor allem auf die namhaften Neuzugänge. Erst ein Doppelschlag des eingewechselten Tüfekci brachte S04 auf 2:3 heran – zu spät. Die Stimmung in der Mannschaft sollte während der gesamten Saison frostig bleiben. Am Ende der Hinrunde, nach einem 2:6 beim HSV, war Schalke mit 10:24 Punkten Vorletzter. Das war zugleich das Ende des Aufstiegs-Trainers „Siggi“ Held.
„Vielleicht hatte man sich vorgestellt, dass wir mit Glanz und Gloria in die Bundesliga zurückkehren würden“, sagt der Gefeuerte heute. „Mir selbst war damals klar, dass wir gegen den Abstieg kämpfen würden. Nach der Hinrunde dachte man wohl, ein anderer könne das besser.“ Weil Manager Assauer zum Rückrundenauftakt noch keinen Nachfolger für Held präsentieren konnte, hockte er beim Spiel in Gladbach (0:0) selbst auf der Trainerbank. Zwei Tage später übernahm „Wundermann“ Jürgen Sundermann. Doch das schlingernde S04-Schiff konnte auch er nicht aus dem Abstiegssog befreien: Am Saisonende mussten die Knappen als 16. in die Relegation, wo eine auseinanderfallende Truppe dem Zweitligisten Bayer Uerdingen unterlag (1:3 auswärts/1:1 daheim).
„Siggi“ Held nutzte seine weitere Trainerkarriere vor allem, um die Welt kennenzulernen, mit Stationen in Island, Japan, Malta und Thailand. Nur einmal, zur Saison 1993/94, kehrte er als Chefcoach ins deutsche Oberhaus zurück und übernahm Dynamo Dresden. Heute unterstützt der mittlerweile 76-Jährige die „Abteilung Fan-Angelegenheiten“ seines Ex-Klubs BVB. „Ab und zu muss ich mich bei der Arbeit für meine Vergangenheit als Schalke-Trainer rechtfertigen“, sagt Held augenzwinkernd. „Ich sage dann immer: Das ist der schwarze Fleck auf meiner weißen Weste.“