Mittersill. David Wagner ist seit vier Wochen Trainer des FC Schalke 04. Im Interview spricht der 47-Jährige über Ziele und Mentalität.

Im alten Rittersaal des Schlosshotels Mittersill steht als Relikt aus der Vergangenheit eine Lanze gesichert in einem Glaskasten. Beim Interview mit dieser Redaktion bricht Schalkes neuer Trainer David Wagner (47) symbolisch eine Lanze für sein Team. Wagner ist begeistert über die bisherige Arbeitsauffassung der S04-Profis.

Herr Wagner, wissen Sie, auf welchem Platz Schalke 04 in der letzten Saison in der Heimtabelle der Fußball-Bundesliga stand?

David Wagner: Nein. Jetzt müssen Sie mich fragen: Interessiert Sie das (lacht)?

Dann gleich die Anschlussfrage: Interessiert Sie das?

Wagner: Nein, weil ich die letzte Saison nicht mehr beeinflussen kann. Ich habe das auch meinen Jungs so gesagt: Vergangenheit ist Vergangenheit. Das bedeutet nicht, es zu vergessen. Es macht manchmal schon Sinn, sich das eine oder andere noch einmal bewusst zu machen, aber dann auch nur, um daraus zu lernen und wieder nach vorne zu schauen. Die Heimtabelle ist da kein Faktor, mit dem wir arbeiten. Unser Hauptaugenmerk liegt darauf, besser Fußball spielen zu müssen und zu wollen.

Können Sie den Fans versprechen, dass es eine Saison voller Enttäuschungen und Tiefschläge so nicht mehr geben wird?

Wagner: Ich kann versprechen, dass wir alles dafür tun werden, dass so etwas nicht mehr passiert. Nach den ersten vier Wochen, mit denen ich mit den Jungs zusammenarbeite – wobei mit allen bin ich ja immer noch nicht zusammen, wenn man bedenkt, dass Salif Sané nach der Teilnahme am Afrika-Cup noch fehlt und Weston Mc Kennie gerade erst zu uns gestoßen ist – bin ich guter Dinge, das hinzukriegen. Aber auch im Austausch mit den Fans nehme ich wahr, dass sie eine positive aber auch realistische Einschätzung der Lage haben.

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Wie gehen Sie die Aufgabe bei Schalke an?

Wagner: Es macht schon Sinn, die Situation ehrlich einzuschätzen und klar zu sagen: Ja, wir bleiben ambitioniert. Wir stehen vor Aufgaben, die wir nicht von heute auf morgen oder in einer Woche lösen können, sondern da werden wir etwas Zeit brauchen. Das Wichtige ist, dass wir diese Situation jetzt annehmen und angehen.

Gibt es ein konkretes Saisonziel für die Spielzeit 2019/2020?

Wagner: Tabellarisch nicht und auch nicht, was die Punkteausbeute angeht. Zum jetzigen Zeitpunkt würde ich es aktuell als unseriös empfinden, ein konkretes Ziel auszurufen, außerdem wollen wir uns nicht selbst beschränken. Was ich definitiv sagen kann: Wir wollen einen Fußball spielen, der uns gut zu Gesicht steht. Damit haben wir unser Ziel formuliert.

Wie viel David Wagner steckt denn schon in Schalke?

Wagner: (lacht) Ziemlich genau vier Wochen. Es geht aber in erster Linie gar nicht um mich. Insbesondere Jochen Schneider, Michael Reschke und ich sind gemeinsam angetreten, um unsere Ideen, wie ein Verein strukturell aufgestellt sein soll, wie eine Mannschaft personell aufgestellt sein soll und wie diese Mannschaft dann auch Fußball spielen soll, deckungsgleich einzubringen. Das funktioniert nicht durch Fingerschnipsen. Insbesondere, wenn man auf dem Transfermarkt limitiert ist, was kein Geheimnis ist, dann muss man gute, schlaue Sachen machen. Und man muss auch geduldig sein.

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Wenn Sie Spieler auf Schalke wären: Was würden Sie Ihrer Frau zuhause über den neuen Trainer David Wagner erzählen?

Wagner: (lacht) Ich rede mit meiner Frau nicht über Fußball.

Ein großes Thema ist auf Schalke immer, ob Trainingseinheiten für die zahlreichen Fans öffentlich zugänglich sind. Wie werden Sie das handhaben?

Wagner: Wir haben in der ganzen Vorbereitung bis auf eine Einheit, die in der Halle stattgefunden hat, alle Einheiten öffentlich abgehalten. Deswegen sage ich: Wir werden mehr öffentlich trainieren als nicht-öffentlich. Aber es wird sicherlich auch mal Einheiten geben, bei denen die Öffentlichkeit keinen Zutritt hat. Das hat aber nur damit zu tun, dass unser Gegner nicht ein paar Tage vorher schon wissen soll, wie wir das eine oder andere angehen wollen. Mich stört überhaupt nicht, dass unsere Fans beim Training zugucken. Das ist toll, das ist Schalke, das gehört bei uns dazu. Leider gibt es das eine nicht ohne das andere.

David Wagner (M.) mit den Reportern Christoph Winkel (l.) und Thomas Tartemann.
David Wagner (M.) mit den Reportern Christoph Winkel (l.) und Thomas Tartemann. © RHR-Foto

Mit Nabil Bentaleb, Hamza Mendyl und Yevhen Konoplyanka sind drei Spieler, die noch Verträge besitzen, nicht mehr im Profi-Training dabei. Was hat Sie zu der Entscheidung bewogen?

Wagner: Es gibt einfach gewisse Spielertypen, bei denen du weißt: Das wird funktionieren. Und dann gibt es einige, bei denen du weißt: Das könnte eher schwierig werden. Dementsprechend haben wir gemeinsam die Entscheidung getroffen, wer für das, was wir spielen wollen, hilfreich ist. Und deswegen haben wir uns für die Arbeit mit einer Gruppe entschieden, von der wir überzeugt sind.

Mit Ralf Fährmann ist der Spielführer zu Norwich City abgewandert. Ein Nachfolger soll in Kürze von Ihnen benannt werden. Im Testspiel gegen Bologna lief der junge Alexander Nübel als Spielführer auf. Welche Kriterien muss für Sie ein Kapitän erfüllen?

Wagner: Ich verstehe die Debatte in der Öffentlichkeit und schätze Ralf sehr, aber wir haben eine ganze Reihe von Spielern, die eine hohe Sozialkompetenz haben, die fußballerisch stabil sein können, die den Verein kennen, die Erfahrung mitbringen, die Anerkennung in der Mannschaft, im Klub und im Trainerteam haben. Da habe ich alleine fünf, sechs Namen im Kopf. Die Ernennung des neuen Kapitäns wird für mich keine schwierige Aufgabe sein. Bastian Oczipka und Benjamin Stambouli haben es neulich mal gesagt: Wir sind alle Kapitän. Und das ist für mich die große Überschrift über den ersten vier Wochen.

Also haben Sie eine Mannschaft übernommen, die anpacken will und lernbereit ist?

Wagner: Alles, was über Mentalität, Bereitschaft, Führung, Spirit über dieses Team in der letzten Saison gesagt wurde- kloppt das alles in die Tonne. Das ist, was meine Erfahrungen der ersten Wochen betrifft, schlichtweg nicht wahr. Dementsprechend ist das, was mir den allergrößten Push bisher gibt, die Mannschaft. Sie treibt an, sie schiebt an, sie hat die Bereitschaft. Sie macht noch viele Fehler, das hört auch mit der Vorbereitung nicht auf, aber diese Mentalität und die Bereitschaft, Dinge anzunehmen, sind zu jeder Sekunde zu 100 Prozent gegeben. Ich habe zu den Jungs gesagt: Wir können uns einiges vorwerfen lassen in Zukunft, aber diesen Drive, den ihr gezeigt habt, kann euch keiner nehmen.

Welche Schlagzeile würden Sie nach der Saison gerne in dieser Zeitung lesen? Wagner-Festspiele?

Wagner: (lacht) Nein, bitte, ganz sicher nicht. Die gibt es schon seit 25 Jahren. Schalke macht gemeinsam einen Schritt nach vorne. Es sollte auf jeden Fall das Wort gemeinsam und die Formulierung richtige Richtung drin vorkommen.