Gelsenkirchen. Torsten Fröhling ist der neue Trainer der Schalker U23. Im Interview mit der WAZ erklärt er, wie er Schalkes Talente auf die Bundesliga vorbereiten will. Er glaubt, dass man sich auch in der Oberliga dafür empfehlen kann.

Wortspiele mit seinem Namen kennt Torsten Fröhling zur Genüge, eines könnte sich bei der Schalker U23 anbieten: Auf den sportlichen Winter folgt nun der fröhliche Fröhling. Der 51 Jahre alte Fußballlehrer ist auf Schalke angetreten, um die zweite Mannschaft, so etwas wie das Sorgenkind des Vereins, wieder auf Erfolgskurs zu bringen: Auch von hier sollen Spieler den Sprung in die Bundesliga packen. Fröhling bringt reichlich Erfahrung mit, aus dem Profigeschäft wie aus dem Nachwuchsbereich, und lacht beim Thema Wortspiel: „Nach den ersten Siegen wäre ich mit dem fröhlichen Fröhling sogar einverstanden.“

Herr Fröhling, waren Sie schon einmal in Gievenbeck, Schermbeck oder Erndtebrück?

Torsten Fröhling: Erndtebrück habe ich schon mal gehört, da gewesen bin ich aber noch nicht. Auch nicht in Gievenbeck oder Schermbeck. Ich werde mir bis zum Saisonstart aber einige Spiele anschauen, um den Fußball-Westen kennenzulernen und die Gegner einschätzen zu können. Obwohl wir unser Spiel durchbringen wollen, sollte man schon über die anderen Mannschaften Bescheid wissen. Bevor ich bei 1860 München Trainer wurde, gab es im Süden mindestens genauso viele Klubs, über die ich nicht allzu viel wusste. Über Schalding-Heining zum Beispiel.

Warum ist Ihre Entscheidung pro Schalke II gefallen?

Torsten Fröhling: Schalke ist ein toller Verein. Wenn ich zu meiner neuen Wohnung fahre, fahre ich immer über die Schalker Meile. Die Tradition des Klubs ist unheimlich interessant. Die Nachwuchsarbeit auf Schalke ist hervorragend und gerade den Übergangsbereich von der Jugend in den Seniorenfußball finde ich hochspannend. Von daher musste ich nicht lange überlegen, als sich die Chance bot, hier zu arbeiten.

Wer hat Sie angerufen? Peter Knäbel oder Gerald Asamoah? Wer ist Ihr Chef?

Torsten Fröhling: Ich habe Peter Knäbel selbst kontaktiert. Ich habe ihm gesagt, dass ich mir die Vorstellungen der Verantwortlichen sehr gerne anhören würde, falls Interesse besteht. Peter und ich haben beim FC St. Pauli zusammengespielt, der Kontakt ist nie abgerissen. Dann hat mich Gerald Asamoah angerufen, wir haben uns getroffen und waren uns schnell einig. Zwischen Gerald, der ja Manager der U23 und somit mein erster Ansprechpartner sowie direkter Vorgesetzter ist, und mir muss die Chemie stimmen.

Wie ist es nun, eine Mannschaft zu trainieren, deren Zukunft lange in Frage stand und bei der über eine Abmeldung nachgedacht wurde?

Torsten Fröhling: Das Thema Abmeldung einer U23 gibt es ja schon länger, Bayer Leverkusen hat bereits 2014 den Anfang gemacht. Ich bin ganz klar der Meinung, dass viele Vereine, die sich für diesen Schritt entschieden haben, es jetzt schon bereuen. Mein Beispiel ist immer Levin Öztunali. Den habe ich als jungen Spieler in der U17 beim Hamburger SV trainiert, dann ging er nach Leverkusen.

Und hat sich dort nicht durchsetzen können.

Torsten Fröhling: Richtig. Levin hat parallel zu seiner sportlichen Ausbildung sein Abitur gemacht - aber wie soll er sich sicher sein, dass er in dieser Zeit auch gleich den Sprung in die Bundesliga schafft? Für viele Spieler stellt sich die Frage, was nach der U19 ist: Muss man dann gleich wieder ausgeliehen werden, wenn es im eigenen Verein keine U23 gibt? Die Spieler, die direkt bei den Profis durchstarten, kann man an einer Hand abzählen. Deswegen ist dieser Übergangsbereich sehr wichtig - auch für Schalke. Das ist die Knappenschmiede, hier wird ausgebildet vom Feinsten. Und wir müssen alles versuchen, diese Talente hier in unserem Verein hochzubringen, aber manche schaffen es eben nicht im ersten Jahr, sondern erst im zweiten oder dritten.

Damit haben Sie den Stellenwert einer U23 aus Ihrer Sicht bereits beschrieben. Auf Schalke konnte man zuletzt aber den Eindruck bekommen: Die U23 ist ein Auffangbecken für die Talente, die nicht gut genug für die Profis sind.

Torsten Fröhling: Das Wort Auffangbecken mag ich gar nicht. Eine U23 ist die letzte Stufe der Ausbildung. Einige Talente brauchen ihre Zeit, um sich zu entwickeln. Es gibt nicht immer nur Jahrgänge mit Überfliegern, von denen es drei Spieler aus der U19 sofort zu den Profis schaffen.

Nun spielt Schalkes U23 in der Oberliga, das ist die fünfte Klasse. Glauben Sie wirklich, dass ein Spieler sich dort für die Bundesliga empfehlen kann?

Torsten Fröhling: Das kann er definitiv, die Scouts sind überall. Selbst wenn ein junger Spieler in der Verbandsliga überragende Leistungen bringt, ist er für große Klubs interessant. Wenn einer 21 Jahre alt ist und 30 Tore in einer Saison schießt, fällt der natürlich auf. Egal in welcher Liga. Hauptsache, er spielt gut oder schießt Tore. Es ist mein Traum, dass Jungs, die jetzt mit uns die Saison mit der U23 beginnen, irgendwann auch in der Arena spielen. Daran arbeiten wir alle in der Knappenschmiede.

Wenn es bei der U23 zuletzt nicht lief, haben Ihre Vorgänger immer darauf verwiesen, dass es selbst für gut ausgebildete U19-Talente enorm schwierig sei, sich dann zu behaupten, wenn es im oberen Amateurfußball rustikal zur Sache geht.

Torsten Fröhling: Ich sage: Wenn ein U19-Spieler die Ambitionen hat, Profi zu werden, dann muss er in der Oberliga oder in der Regionalliga auffallen, idealerweise bereits innerhalb des ersten halben Jahres. Und das auch über einen längeren Zeitraum und selbst dann, wenn es bei der Mannschaft mal nicht so gut läuft. Die Jungs, die nach oben wollen, müssen auch mit Druck umgehen können. Deshalb finde ich es gut, wenn viele Zuschauer in der Amateurliga da sind. Wenn die Leute ihnen aus einem Meter Abstand beim Eckball richtig die Meinung geigen, dann müssen sie das aushalten, denn irgendwann wollen sie vor 60000 Zuschauern spielen.

Ist der Aufstieg für Schalkes U23 nach der verkorksten vergangenen Saison Pflicht?

Torsten Fröhling: Nichts ist ein Selbstläufer. Ich verlange nicht, dass wir die Gegner überrennen. Priorität hat es, die Jungs für den Profibereich auszubilden. Wenn wir das ordentlich machen, kommen die Ergebnisse automatisch, dann werden wir auch Spiele gewinnen und Fahrt aufnehmen. Theoretisch müssten wir im technischen, im taktischen und im läuferischen Bereich ein bisschen weiter sein als die anderen. Jeder Spieler von uns trainiert mehr und hatte eine andere Ausbildung als die meisten anderen Oberligaspieler. Sie müssen sich aber im Seniorenbereich behaupten, wenn der nächste Gegenspieler mit Schaum vor dem Mund schon wieder angegrätscht kommt. Das ist ein Lernprozess. Die, die das ganz schnell lernen, die sich wehren und auffallen, die schaffen den Sprung nach oben eher als die anderen. So verstehe ich unsere Aufgabe. Wir sind nicht der KFC Uerdingen oder Viktoria Köln, die jedes Jahr eine Liga weiter nach oben klettern müssen.

Sie haben früher schon in Nachwuchsleistungszentren gearbeitet, etwa beim HSV in der U17 und bei 1860 München II. Sie waren aber auch Cheftrainer von Holstein Kiel, 1860 München und Wehen Wiesbaden. Sehen Sie sich mehr als Nachwuchstrainer oder im Profibereich?

Torsten Fröhling: Ich sehe mich mehr als Trainer im Übergangsbereich vom Jugendfußball zum Seniorenbereich. Ich will meinen Teil dazu beitragen, dass so viele Spieler wie möglich oben ankommen.

Ein Vorteil, dass Sie beide Seiten kennen?

Torsten Fröhling: Ich weiß zumindest, was im Profibereich gefragt ist. Ich möchte lieber den jungen Spieler, der frech ist und auffällt, als denjenigen, der im Training nur die Leibchen und die Tore trägt. Wenn wir ehrlich sind, wollen wir doch Individualisten. Die Spieler, die sich von der Masse abheben, eben Typen.

Hatten Sie bereits Kontakt zu Domenico Tedesco? Gab es schon einen Austausch über die U19-Spieler, die sich bei den Profis in China präsentiert haben?

Torsten Fröhling: Nein, bisher noch nicht, da wir terminlich aufgrund der China-Reise noch keine Gelegenheit dazu hatten.

Inwieweit haben Sie die Arbeit von Domenico Tedesco verfolgt?

Torsten Fröhling: Schon sehr intensiv, davor kann man nur den Hut ziehen. Er hat es ja auch schon bei Erzgebirge Aue richtig gut gemacht. Er hat seine Spielidee dort umgesetzt und die Mannschaft in der zweiten Liga zum Klassenerhalt geführt. Nicht umsonst ist Christian Heidel auf ihn gekommen. Es ist ganz wichtig, dass eine Mannschaft Erfolg hat. Dann glauben die Spieler dem Trainer mehr und folgen ihm. Die meisten guten Trainer haben ihre Wurzeln im Nachwuchsbereich. So auch Domenico, von dem ich hier auf Schalke auch noch einiges lernen möchte.

Hatten Sie Einfluss auf die Kaderplanung bei der U23?

Torsten Fröhling: Anfangs noch nicht. Das ist für mich aber kein Problem. Viele der Spieler sind auf Schalke ausgebildet worden - das heißt auf dem allerhöchsten Niveau. Die müssen jetzt im Seniorenbereich ankommen. Im Kader wird es sicher noch Bewegung geben, wir müssen ja abwarten, wer uns noch verlässt. Haji Wright stellt sich derzeit bei Union Berlin vor. Wir halten die Augen offen und ab jetzt bin ich natürlich auch in die Personalplanungen mit eingebunden.

Im Trainerteam haben Sie mit Co-Trainer Tomasz Waldoch, Scout Manni Dubski und Torwarttrainer Christian Wetklo erfahrene Assistenten. Ungewöhnlich, dass ein Cheftrainer keine eigenen Assistenten mitbringt?

Torsten Fröhling: Der U23-Bereich ist ein anderer als der Profibereich. Ich stehe als U23-Trainer nicht so im Fokus wie ein Profitrainer. Für mich ist es super, einen so erfahrenen Ex-Profi wie Tomasz Waldoch an meiner Seite zu haben. Meine Spieler schauen doch zu ihm auf. Wenn er ihnen etwas sagt, ist das ja noch was anderes, als wenn ich denen etwas sage (lacht). Ich muss mich ganz schnell an das Umfeld auf Schalke gewöhnen, Tomasz, Manni und Wetti kennen es schon lange. Das ist doch ideal.

Wir haben gelesen, dass Sie zu Ihrer aktiven Zeit beim FC St. Pauli die Kiez-Grätsche genannt wurden. Was hat es damit auf sich?

Torsten Fröhling: Ich bin in der DDR groß geworden, bin in Bützow in Mecklenburg aufgewachsen. Mit zwölf Jahren bin ich in die Sportschule nach Magdeburg gekommen, was mein großes Glück war. Ich hatte nie das Talent wie andere Spieler, die es letztlich nicht geschafft haben, Profi zu werden - mir ist das jedoch gelungen (schmunzelt). Denn ich habe einfach das gemacht, was der Trainer wollte. Wenn ich damit angefangen hätte, Fußball zu spielen, hätte ich wahrscheinlich kein einziges Spiel gemacht. Arbeiten am Limit – das war und ist meine Devise.