Gelsenkirchen. . Unter der Leitung von Peter Knäbel hat Schalke im Nachwuchsbereich „Großes“ vor. Der neue Chef präsentiert das Konzept. Talente aus der Umgebung.
Es war der Tag, an dem der deutsche Fußball scheinbar darnieder lag, und das war sogar auf Schalke zu spüren. Manager Christian Heidel wachte am Morgen nach dem WM-Aus zu Hause auf und fühlte sich wie in einer unwirklichen Welt: „War das wirklich gestern so, oder habe ich das geträumt?“ Ein netter Zufall, dass Schalke genau an diesem Tag den Blick nach vorne richten wollte und sein Konzept präsentierte, wie man sich effiziente Nachwuchsarbeit am Berger Feld künftig vorstellt.
Der Termin war von langer Hand geplant, und die zentrale Figur war: Peter Knäbel, Schalkes Technischer Direktor Entwicklung. „Vielleicht“, murmelte Heidel mit Blick auf den zeitlichen Zufall, „passt es ganz gut, dass wir uns jetzt über Entwicklung unterhalten.“
Knäbel ist seit dem 15. April auf Schalke im Amt – jetzt hat er seine Bestandsaufnahme abgeschlossen und mehrere Punkte vorgelegt, die für ihn von zentraler Bedeutung sind. Im Kern geht es darum, sich auf dem verschärften Markt des Scoutings zu behaupten, die größten Talente frühzeitig zu erkennen und ihnen einen besseren Übergang in den Seniorenbereich zu ermöglichen. Sein Auftrag von oben ist auch sein Ziel: „Es muss etwas dabei herauskommen“, sagt Knäbel – nämlich Spieler, die auf Schalke den Sprung in die Bundesliga schaffen.
Talente aus der Umgebung
Das Scouting: In den vergangenen Jahren war ein Trend zu beobachten, dass junge Spieler schon sehr früh aus aller Herren Länder in die Nachwuchsleistungszentren (NLZ) der Bundesligaklubs geholt werden – auch auf Schalke. Das Scouting gehe „schon sehr, sehr früh über die regionalen Grenzen hinaus“, sagt Knäbel und schiebt nach: „Die Frage ist, wie wir uns da positionieren.“ Die Antwort gibt er mit einem Hinweis selbst: „Sehr, sehr viele Top-Stars, die Schalke hervorgebracht hat, kommen hier aus der Umgebung.“ Manuel Neuer und Mesut Özil aus Gelsenkirchen, Julian Draxler aus Gladbeck, Leroy Sané aus Wattenscheid, Benedikt Höwedes aus Haltern, Joel Matip aus Bochum. Da will Knäbel wieder ansetzen: „Gelsenkirchen und Umgebung ist ein wahnsinnig schöner Talentpool. Ich sage gar nicht, dass da nicht wieder solche Spieler dabei sind.“ Fast alle dieser genannten Spieler sind schon im Kindesalter in die Knappenschmiede gewechselt.
Das Problem ist: Zuletzt hatte Schalke große Konkurrenz auch hier im Revier, solche Talente auch für die Knappenschmiede zu gewinnen. Das Trainingsgelände, das umfangreich modernisiert wird, kann da künftig aber wieder ein Faustpfand werden. „Wir haben Großes vor im Bereich der Jugend“, sagt Heidel: „Die Bagger baggern nicht nur für unsere Profis, sondern noch mehr für die Jugend.“
Sieben U19-Spieler gehen mit nach China
Die Talentförderung: Schalke hat mit Norbert Elgert den besten Talentschmied – das sieht auch Knäbel so: „Wir haben ein großes gemeinsames Thema: Die Leistungsmotivation. Norbert Elgert bringt einen Spieler dazu, sich selbst besser zu machen.“ Als Mannschaft hat Schalkes U19 in den vergangenen rund 15 Jahren Maßstäbe gesetzt.
Sieht man von Weston McKennie ab (der nur ein Jahr in der Knappenschmiede ausgebildet wurde), waren aber Leroy Sané und Thilo Kehrer die letzten U19-Spieler, die sich nachhaltig in der Bundesliga durchgesetzt haben – beide kamen 2015 zu den Profis. Knäbels Beobachtung: „Norbert Elgert hat es vor allem übers Kollektiv gelöst.“ Seine Hoffnung: Vielleicht schafft genau deswegen jetzt mal einer den Sprung in die Bundesliga „von dem man es nicht sofort erwartet.“
Sieben Spieler aus der U19 machen auf jeden Fall ab der kommenden Woche die China-Reise mit den Profis mit: Lennart Czyborra, Niklas Wiemann (beide Abwehr), Jannis Kübler, Nassim Boujellab, Benjamin Goller (alle Mittelfeld), Florian Krüger und Ahmed Kutucu (beide Angriff). Für Knäbel ist von zentraler Bedeutung, dass die Talente in ihren jeweiligen Mannschaften Fürsprecher bei den Trainern haben, die sich für sie einsetzen. Mit Profi-Chef Domenico Tedesco gibt es da kein Problem.
Einen Punkt für großes Verbesserungspotenzial hat Knäbel bei seiner Bestandsaufnahme aber schon ausgemacht – er nennt es „Talentprognose“ und erklärt: „Wir müssen früher wissen, bei welchen Spieler sich die Investitionen lohnen.“
Den Übergangsbereich optimieren
Der Übergang von der Jugend in den Seniorenbereich: „Da gibt es etwas zu tun, ganz klar“, sagt der neue Chef der Knappenschmiede. Ihm geht es um die Gestaltung des Übergangsbereichs, der „sicher zu optimieren“ sei. Die U23 spielt dabei eine zentrale Rolle, ihr Fortbestand soll auf Schalke künftig nicht mehr Jahr für Jahr in Frage gestellt werden.
Dass sich zuletzt viele U19-Spieler selbst beim Sprung in die U23 schwer getan hatten, hängt laut Knäbel aber auch manchmal von einem guten oder schwächeren Jahrgang ab. Der 51-Jährige verweist auf sein früheres Aufgabengebiet in der Schweiz, wo er beim FC Basel und beim Schweizer Verband verantwortlich für die Nachwuchsarbeit war: „In Basel hatten wir einmal das Extrem-Beispiel, dass aus dem 1988-er Jahrgang fünf Schweizer A-Nationalspieler hervorgegangen sind.“ Knäbel ist es wichtig, dass der Schnitt über mehrere Jahre stimmt: „Über drei Jahrgänge hinweg sollte etwas dabei herauskommen.“
Die Arbeit von Knäbel in der Schweiz zeigt Manager Heidel übrigens, dass er mit seinem Wunsch für die Chefrolle der Knappenschmiede („Ich will den Besten haben“) ganz gut gelegen hat. Die Schweiz steht im Achtelfinale der WM, und die Erfolge der Schweiz wurden in den vergangenen Jahren oft mit dem Namen Knäbel in Verbindung gebracht. Der Tag war doch ganz gut, um sich über Schalkes Nachwuchsarbeit zu unterhalten.