Gelsenkirchen. . Schalkes Kapitän Ralf Fährmann verspürt großen Appetit auf die Champions League. Im großen Bilanz-Interview schwärmt er von Trainer Domenico Tedesco.
Ralf Fährmann (29), der seinen Vertrag vor wenigen Tagen vorzeitig bis Juni 2022 verlängert hat, lebt Schalke 04 mit jeder Faser seines Körpers. Im Interview mit dieser Zeitung spricht der Kapitän des Vizemeisters über eine Begegnung im Supermarkt, die Wandlung der Mannschaft, die besondere Beziehung zu Trainer Domenico Tedesco und die Vorfreude auf die Champions League.
Herr Fährmann, haben Sie nach der erfolgreichen Saison viele Glückwünsche auf Ihr Handy bekommen?
Ralf Fährmann: Nicht nur auf das Handy, sondern auch im Alltag beim Gang zum Bäcker. Man wird ja ohnehin ab und zu mal erkannt als Profi, aber nach der Vizemeisterschaft hat mich fast jeder angesprochen, dem ich begegnet bin, und mich spontan beglückwünscht. Daran sieht man zum einen, wie viele Schalker Fans es gibt. Zum anderen sind die Leute einfach froh, dass wir erfolgreich waren, Vizemeister geworden sind und vor den Schwarz-Gelben stehen (lacht).
Können Sie mal verraten, wie so ein Glückwunsch in der Öffentlichkeit aussieht?
Ralf Fährmann: Ich war neulich im Supermarkt in meinem Wohnort Recklinghausen einkaufen und stand vor einem Regal. Da kam ein Mann zu mir, der seit 40 Jahren Schalke-Fan ist und schon früher im Parkstadion bei den Spielen war, und meinte: „Ich möchte einfach Danke sagen für diese geile Saison, danke für die letzten tollen Monate.“ Da weiß man, dass man jemandem eine echte Freude bereitet hat. Wenn ich das jetzt so erzähle, bekomme ich sofort eine Gänsehaut.
Befürchten Sie, dass Schalke Platz zwei als Rucksack mit in die kommende Spielzeit trägt?
Ralf Fährmann: Nein. Die Erwartungshaltung an uns kommt eher von außen. Wir tun uns einen Gefallen, wenn wir das sachlich betrachten, uns unserer eigenen Qualitäten bewusst sind. Wir sind auch in der vergangenen Saison cool geblieben, als es nicht lief. Und wir sind ehrlich damit umgegangen, wenn uns dreckige Siege gelungen sind.
Muss Schalke die Spielweise ändern, um es allen Kritikern recht zu machen?
Ralf Fährmann: Wir wollen erfolgreichen Fußball spielen, da muss man sich für keinen Sieg entschuldigen. Natürlich wollen wir unser Spiel auch verbessern. Da gehört es auch dazu, zielstrebiger zu sein. Wir werden unsere Art Fußball selbst definieren – mit den Spielern, die wir haben.
Die Mittelfeldspieler Max Meyer und Leon Goretzka suchen jetzt neue Herausforderungen. Was bedeutet das für Schalke 04?
Ralf Fährmann: Natürlich geht uns eine gewisse Qualität verloren, aber ich bin zuversichtlich, dass wir mit unseren Neuzugängen diese Lücken füllen. Vielleicht auf eine andere Art und Weise, denn Spieler eins-zu-eins zu ersetzen, ist immer schwierig.
Verspüren Sie schon großen Appetit auf die Champions League?
Ralf Fährmann: Wir haben mal drei Jahre in Folge in der Champions League gespielt. Zuletzt aber vor drei Jahren. Umso mehr wissen wir es jetzt wieder zu schätzen. Wir sind richtig hungrig auf die Champions League. Als ich in den vergangenen Monaten dienstags und mittwochs die Hymne gehört habe, saß ich mit sabberndem Mund vor dem Essteller. Und jetzt sind wir selbst wieder dran.
Können Sie sich Domenico Tedesco bei Champions League-Spielen mit Anzug und Krawatte vorstellen?
Ralf Fährmann: (lacht) Ja, aber ich glaube, der Anzug müsste ein bisschen breiter genäht werden, weil er bei den Spielen einfach etwas Bewegungsfreiheit benötigt.
Haben Sie bei Tedesco eine Veränderung registriert oder ist der Trainer seit seinem Amtsantritt im Sommer 2017 über die Wochen und Monate der gleiche Mensch geblieben?
Ralf Fährmann: Domenico Tedesco ist sich und seinem Stil treu geblieben. Er hat uns an seinem ersten Tag gesagt, wie sein Plan aussieht. Und diesen Plan hat der Trainer bis zum Schluss beibehalten. Fachlich ist er absolute Weltklasse. Psychologisch ist er spitze.
Können Sie das näher erläutern?
Ralf Fährmann: Jeder hat sich zum Team zugehörig gefühlt. Wir sind das Orchester. Tedesco ist der Dirigent, der den Takt vorgibt. Wir haben das gemacht, das er vorgegeben hat. Deswegen sind wir Zweiter geworden. Domenico Tedesco hat aus unserem Team, das anfangs viele belächelt haben, hungrige Tiger gemacht. Es ist für jeden Gegner mittlerweile äußerst unangenehm, gegen Schalke zu spielen.
Tedesco hat selbst gesagt, dass ein Trainer alleine machtlos ist, wenn die Mannschaft für ihn nicht durchs Feuer geht. Ist da was dran?
Ralf Fährmann: Tedesco lebt uns alles vor. Mit ganzem Herzen und voller Überzeugung. Wenn man spürt, dass es aus dem tiefsten Inneren kommt und nicht aufgesetzt ist, dann geht man für diesen Trainer durchs Feuer. Dann macht man das, was verlangt wird. Wenn es heißt: Laufe gegen die Wand, dann läufst du sogar gegen die Wand (lacht). Die meisten Trainer haben ihre Stärken entweder im psychologischen oder im fußballerischen Bereich. Tedesco verfügt über beide Qualitäten.
Zurück zu Ihnen: Hatten Sie eigentlich viel Arbeit als Kapitän?
Ralf Fährmann: Ich trage zwar am Wochenende die Spielführerbinde, aber die Arbeit findet unter der Woche statt. Natürlich habe ich mit dem einen oder anderen Spieler Gespräche geführt. Mal positiv, mal ernst. Das hätte ich aber unabhängig von der Kapitänsrolle sowieso gemacht. Jetzt hat mein Wort aber noch ein bisschen mehr Wirkung als vorher.
Würden Sie das Kapitänsamt auch in der Saison 2018/2019 ausüben?
Ralf Fährmann: Ja klar, weil es eine absolute Ehre ist, als Spielführer aufzulaufen. Mir hat das Amt riesige Freude bereitet und mit sehr großem Stolz erfüllt. Ich möchte Schalke gerne weiterhin als Kapitän auf das Feld führen.