Gelsenkirchen. . Thomas Kirschner lässt die abgelaufene Saison Revue passieren. Mit Blick auf die nächste Spielzeit freut er sich auch auf die Reisen durch Europa.
Als Chef der Abteilung Fanbelange ist Thomas Kirschner erster Ansprechpartner für alle Fans des FC Schalke 04. Der 38-Jährige spricht sowohl der Mannschaft von Domenico Tedesco als auch den Fans ein großes Kompliment für die vergangene Saison aus. Im WAZ-Interview spricht Thomas Kirschner außerdem über die neue Einheit, die Mannschaft und Fans bilden, eine ganz besondere Choreographie und seine Gefühlswelt im Hinspiel des Revierderbys.
Die Mannschaft hat sich für die Champions League qualifiziert. Waren auch die Fans in der vergangenen Saison Champions-League-würdig?
Thomas Kirschner: Würde ich absolut unterstreichen. Ich habe zwei Bilder vor Augen. Einmal das Bild am letzten Spieltag der Saison 2016/17, als die Mannschaft nach Platz zehn vor ihren Fans stand und die Ultras das Plakat mit der Aufschrift „Wir danken der Mannschaft, dass sie uns auch in dieser Saison so zahlreich hinterher gereist ist“ präsentiert haben. Im völligen Gegensatz dazu steht das Bild nach dem letzten Auswärtsspiel in der abgelaufenen Saison in Augsburg, in dem wir uns für die Champions League qualifiziert haben. Es gab die große Vize-Meister-Party. In zwölf Monaten hat sich alles verändert. Zwischen der Mannschaft und den Fans hat sich etwas entwickelt. Das zeigt sich auch daran, dass das verlorene Halbfinale im Pokal dieser besonderen Beziehung keinen Knacks gegeben hat. Es wurde honoriert, dass sich die Mannschaft in dieses Spiel reingekniet hat.
Ist Ihre Arbeit als Fanbeauftragter angenehmer, wenn es sportlich läuft?
Thomas Kirschner: Das macht es in einigen Bereichen definitiv leichter für uns. Die Gemütslage ist deutlich positiver. Auch da kann ich einen Vergleich heranziehen. Ich nehme mal die beiden Wintertrainingslager in Benidorm. Die Stimmung in diesem Jahr war viel besser, die Fans waren deutlich entspannter und haben auch mal über Dinge hinwegsehen können, über die sie sich im vergangenen Jahr vielleicht noch geärgert hätten. Als Beispiel: Es wird schon einen Sinn haben, dass der Trainer einige wenige Einheiten unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfinden lässt, für Übungen den gesamten Platz benötigt und die Fans daher nicht an gewohnter Stelle das Training verfolgen können. Oder die Blau-Weiße Nacht auf den Anfang gelegt wurde, um anschließend den Fokus aufs Sportliche zu richten.
Und dann steht der Trainer mitten bei den Fans. Was haben Sie gedacht, als Domenico Tedesco nach dem Derbysieg im April auf das Podest der Ultras geklettert ist?
Thomas Kirschner: Wir haben damit gerechnet, dass es so kommen wird und haben es als verdienten Lohn für ein Jahr wirklich gute Arbeit angesehen. Domenico Tedesco war der erste Trainer, der das gemacht hat. Damit hat er einen Platz in der Historie sicher. Ich fand es gut und es ist auch eines der Beispiele, wie gut das Verhältnis ist. Für ihn war Schalke Neuland. Da braucht es ein bisschen Zeit, egal in welcher Position, um das kennenzulernen. Er hat das sehr gut gemacht, ist von Anfang an sehr offen und freundlich auf die Leute zugegangen.
Was war der Höhepunkt der Saison?
Thomas Kirschner: Das 4:4 im Auswärtsderby gehört sicherlich dazu. So ein Spiel habe ich noch nie erlebt. In der Halbzeit habe ich zu meinem Chef gesagt, dass ich auf dem Weg nach Hause wäre, wenn ich nur als Fan hier gewesen wäre. Er sagte dann noch aus Spaß, dass wir überlegen sollten, ob wir nicht alle Feierabend machen. Zum Glück haben wir das nicht getan. Das Spiel in Augsburg fand ich auch besonders schön. Auf der Hinfahrt haben wir im Auto über die verschiedensten Konstellationen gesprochen. Wir sind aber nicht darauf gekommen, dass der vorletzte Spieltag so verlaufen könnte. Es war die Besonderheit des Moments, mit dem Vizemeister-Lied, das dort geboren wurde. Für unsere Arbeit sind die Trainingslager auch immer sehr wichtig und schön. Dort ist man ein paar Tage mit den Fans zusammen und kann sie besser kennenlernen. Und mir fällt noch etwas sehr Positives zum Thema Fan-Choreos ein.
Die Choreographie zu Ehren des verstorbenen UGE-Mitglieds Fabian vor dem Heimspiel gegen Mainz?
Thomas Kirschner: Richtig. In Absprache mit der Polizei und der Feuerwehr haben die Ultras ja sogar einen Bengalo gezündet. Das ganze Stadion hat reagiert, ist aufgestanden und hat applaudiert. Das war beeindruckend.
Was hat Ihnen nicht gefallen?
Thomas Kirschner: Nicht gefallen hat mir, dass wir in der letzten Saison nicht international gespielt haben. Einen ganzen Tag oder gleich mehrere Tage mit unseren Fans in einer tollen Stadt irgendwo in Europa zu verbringen, bestenfalls in einer, die wir noch nicht kennengelernt haben, ist schon besonders schön. Ansonsten fällt mir auf Anhieb nichts ein.
Was ist mit den Ausschreitungen nach dem Pokalspiel?
Thomas Kirschner: Wir analysieren die Situation, sind in einem engen Austausch mit der Polizei und werden darüber informiert, welche Strafverfahren eingeleitet werden, sodass wir als Klub abseits des juristischen Aspekts bewerten, ob Stadionverbote ausgesprochen werden. Wir haben ein etabliertes Gremium, das sich zusammensetzt und entscheidet.
Auf was freuen Sie sich in der nächsten Saison besonders?
Thomas Kirschner: Nürnberg war seit 2014 nicht in der Bundesliga und ist wieder erstklassig. In Nürnberg zu spielen, ist aufgrund der Fanfreundschaft immer entspannt. Ich mag Augsburg aber auch sehr gerne. Das „Augsburg Calling“- Programm, das Fans für Fans planen, hebt sich deutlich von Fantreffen in anderen Städten ab.
Was wünschen Sie sich für die nächste Saison?
Thomas Kirschner: Wenn wir in zwölf Monaten wieder Vizemeister sind, wäre ich sehr zufrieden. Ich wünsche mir außerdem, dass uns eine interessante Champions-League-Gruppe zugelost wird. Bestenfalls spielen wir natürlich auch zu Beginn des Jahres 2019 auch noch in Europa. Außerdem wünsche ich mir, dass das Verhältnis zwischen den Fans und der Mannschaft und Klub weiterhin so entspannt und konstruktiv bleibt. Und den Tabellenplatz vor Dortmund würde ich auch in der nächsten Saison nehmen.