Gelsenkirchen. Schalke hat Regeln und Vorgaben für das Unternehmen aufgestellt und ist Vorreiter in der Liga. Finanzvorstand Peter Peters erklärt die Thematik.

Die Älteren werden sich erinnern, und den Jüngeren sei sie noch einmal erzählt: Die Geschichte vom Jagdgewehr, mit der Schalke vor einem Vierteljahrhundert unter den Verdacht von Korruption und Bestechung geriet.

Der damalige Präsident Günter Eichberg hatte einem Schiedsrichter namens Manfred Neuner anlässlich dessen 100. Bundesligaspiel ein hübsches Geschenk überreicht, mit dem der passionierte Jäger seinem Hobby frönen sollte. Dumm nur, dass das Nachrichtenmagazin „Der Spiegel” Wind von der Geschichte bekam und den Wert des Jagdgewehrs mit 30 000 Mark angab. Am Ende ging’s zwar aus wie das Hornberger Schießen, aber Eichberg stand ganz schön belämmert da. So war Schalke vor einem Vierteljahrhundert.

Das bedeutet der Begriff "Compliance"

Der Begriff Compliance wird aus dem Englischen abgeleitet: To be compliant with rules bedeutet in der Übersetzung regelkonform. Mit dem Wort Compliance ist also regelkonformes Verhalten gemeint.

Aus Sicht des Unternehmens wird damit den Mitarbeitern die Möglichkeit gegeben, sich an Regeln halten zu können. Der Zweck ist der Schutz des einzelnen Mitarbeiters und damit der Schutz des Unternehmens.

Heute ist Schalke 04 ein höchst seriös aufgestellter Verein, und die Mitgliederversammlung am Sonntag (3. Juni) in der Arena wird Puristen eher an das Treffen eines DAX-Konzerns erinnern. Schalke achtet sehr auf eine seriöse Wahrnehmung und hat eigene Compliance-Vorgaben für das Unternehmen aufgestellt - damit ist Schalke ein Vorreiter in der Bundesliga und ein Geschenk wie das Jagdgewehr wäre heute undenkbar. Vorstand Peter Peters (55) erklärt im WAZ-Interview, was es mit den Regeln auf sich hat, die sich Schalke selbst gegeben hat.

Herr Peters, warum hat Schalke 04 für sich Compliance-Regeln festgeschrieben?

Peter Peters: Die Grundidee ist, unseren Mitarbeitern in ihren diversen Tätigkeitsbereichen mehr Sicherheit zu geben in dem, was sie tun dürfen und was nicht. Schalke versteht unter Compliance nicht nur, dass Regeln eingehalten werden müssen, sondern diese Regeln zeigen Möglichkeiten auf, wie sich die Mitarbeiter im Zweifelsfall verhalten können. Dazu bieten wir auch Ansprechpartner an.

Das heißt, es gibt Personen im Verein, an die man sich wenden kann, wenn die Frage aufkommt, ob man zum Beispiel ein Geschenk oder eine Vergünstigung annehmen darf?

Peters: Ja, wir haben in unserem Verein Compliance-Beauftragte und als externen Ansprechpartner bieten wir zudem einen Anwalt an. Gemeinsam mit ihm haben wir auch einen Verhaltenskodex als Leitfaden für die Mitarbeiter erstellt, dem sämtliche Gremien des Vereins zugestimmt haben. So vermitteln wir Sicherheit und Vertrauen und leben damit die Werte, für die Schalke 04 steht.

Schalke 04 hat doch bereits ein Leitbild, in dem die Werte zusammengefasst sind - wozu braucht es dann noch Compliance-Richtlinien?

Peters: Compliance geht darüber hinaus - hier geht es auch um gesetzliche Vorgaben, bei denen wir das Regelwerk zu definieren haben. Etwa in Bereichen wie Arbeitsschutz oder Korruption. Das machen auch große Unternehmen wie Siemens oder die Deutsche Bank. Schalke hat aber nicht einfach ein Compliance-Programm von anderen Unternehmen übernommen, sondern sich sportspezifisch aufgestellt - wir haben zum Beispiel verankert, dass wir nicht kommerziell wetten dürfen.

Das heißt, Schalke-Mitarbeiter dürfen nicht auf Schalker Spiele wetten?

Peters: In den Statuten von DFL und DFB beispielsweise betrifft das Wettverbot Spieler, Trainer und Clubverantwortliche. Wir gehen einen Schritt weiter und verpflichten alle Mitarbeiter, sich ebenfalls an das Wettverbot zu halten, weil man sonst Insiderwissen missbrauchen könnte. Auch andere sportspezifische Aspekte wie Hospitality-Regeln und der Umgang mit Beratern sind berücksichtigt.

Hat es in der Vergangenheit Vorfälle gegeben, die Schalke bewogen haben, Compliance-Richtlinien aufzustellen? Die eingangs erwähnte Geschichte mit dem Jagdgewehr von Günter Eichberg wäre ja ein klassischer Fall...

Peters: Nein, aktuelle Vorfälle hat es nicht gegeben. Dass wir das aufgestellt haben, entsteht aus der Verpflichtung des Vorstandes, organisatorische Vorkehrungen zu treffen, um Gesetzesverstöße zu vermeiden. Wir sind ja auch ein Wirtschaftsunternehmen. Im Kern geht es uns aber um das Einhalten von einfachen Spielregeln. Ein Beispiel: Wir sind alle Schalker, manchmal spielen wir ja vielleicht auch mal nicht ganz so erfolgreich Fußball wie in der gerade abgelaufenen Saison. Dann ist es nicht hilfreich, wenn man sich über seinen eigenen Verein negativ äußert.

Negative Äußerungen wären vereinsschädigendes Verhalten?

Peters: Ja, das würde ich so sehen, wenn es über sachliche Kritik hinausgeht.

Manager Christian Heidel darf nach einem miesen Spiel aber schon noch sagen: Wir haben heute richtig schlecht gespielt?

Peters: Natürlich, er ist ja auch dafür verantwortlich, das zu bewerten. Aber ein Mitarbeiter darf sich nicht auf die Tribüne setzen und in Gegenwart eines wichtigen Geschäftspartners von Schalke 04 sagen: Das ist alles nur Mist, was die da unten auf dem Rasen spielen. Man sollte sich schon mit seinem Arbeitgeber identifizieren. Und es ist auch wichtig, wie man sich etwa auf Facebook verhält - was man postet, und was man lieber sein lassen sollte.

Betreffen die Compliance-Regeln vor allem den alltäglichen Umgang?

Peters: Da liegt zumindest ein Schwerpunkt. Nehmen wir das Vermeiden von Interessenkonflikten: Gerade in einer beratungsintensiven Branche ist es unerlässlich, private und geschäftliche Interessen klar zu trennen. Das hört sich selbstverständlich an, kann aber in Graubereichen schwierig zu erkennen sein: Ab wann darf man sagen, es war kein gutes Spiel von Schalke? Wann darf man eine Flasche Wein annehmen, und wann nicht? Und wann darf man jemanden zum Spiel einladen? Die Compliance-Regeln vermittelt die dafür notwendige Sensibilität.

Sie verstehen Compliance also eher als Ratgeber?

Peters: Es geht nicht um Verbote, sondern darum, vertretbare Lösungen zu finden. Compliance ist auf Schalke nicht der Regelhüter oder die Polizei.

Haben die Richtlinien auch für den Vorstand Gültigkeit?

Peters: Natürlich. Die Verhaltensregeln gelten vom Grundsatz her für alle Angestellten des Vereins, aber sie gelten auch für die Gremien mit Aufsichtsrat, Wahlausschuss, Ehrenpräsidium, Ehrenrat und Sportbeirat.