Gelsenkirchen. . Am 31. März 1973 spielte Schalke mit der jüngsten Startelf, die es jemals gegeben hat. Manni Dubski war der Jüngste und erinnert sich.
Es wäre unpassend, einen gestandenen Mann von 63 Jahren als Nesthäkchen zu bezeichnen – deswegen lassen wir das. Aber vor 45 Jahren wird dieser Begriff so ähnlich gefallen sein. Damals war Manni Dubski der jüngste Spieler einer Schalker Mannschaft, die seit dem 31. März 1973 einen Rekord für die gesamte Bundesliga hält: Niemals war eine Startelf in der Bundesliga jünger als Schalke auf den Tag genau vor 45 Jahren beim 1:1 gegen Hertha BSC Berlin. In der WAZ erinnert sich Manni Dubski, damals der Jüngste in der jüngsten Mannschaft aller Zeiten, wie es dazu gekommen ist.
Der Bundesliga-Skandal war wie ein Damoklesschwert
Es war von Anfang an eine schwierige Saison, denn über Schalke hing wie ein Damoklesschwert: Der Bundesliga-Skandal. Der Reihe nach wurden Stars wie Klaus Fischer, „Rolli” Rüssmann, „Tanne” Fichtel oder „Aki” Lütkebohmert gesperrt, und Manni Dubski weiß heute noch genau, was der legendäre Schalke-Präsident „Oskar” Siebert zu den verbliebenen Spielern gesagt hat: „Wir können Großes leisten, wenn wir die Klasse erhalten.” Nur darum ging es für Schalke in der Saison 1972/73, und so auch am 27. Spieltag gegen Hertha BSC.
Das war die Rekord-Elf: Nigbur mit 24 Jahren der Älteste
So spielte Schalke am 31. März 1973 gegen Hertha BSC:
Norbert Nigbur (damals 24 Jahre, bis 1976 und danach wieder ab 1979 auf Schalke): Der Torwart war der Zimmer-Kollege von Manni Dubski. Nigbur zeigte den jungen Spielern, was es heißt, Profi zu sein: „Er hat ganz besessen trainiert.”
Ulrich van den Berg (damals 23, bis 1976 auf Schalke): Der kantige Vorstopper rückte aus der zweiten Mannschaft zu den Profis auf. Er starb am 2. Dezember 2016 in Bonn.
Hartmut Huhse (damals 20, bis 1975 auf Schalke): Ein früherer Jugend-Nationalspieler und als rechter Verteidiger ein harter Hund.
Jürgen Klein (damals 23, bis 1974 auf Schalke): Der Defensivmann kam aus dem Oberbergischen nach Schalke, seine Schnelligkeit zeichnete ihn aus. Er starb am 29. Oktober 2006 in Wiehl.
Helmut Kremers (damals 24, bis 1980 auf Schalke): Der Kapitän der Truppe, Dubski erinnert sich: „Als junger Spieler hatte man gehörigen Respekt vor ihm und seinem Zwillingsbruder.”
Klaus Beverungen (damals 21, bis 1974 auf Schalke): Der Linksfuß aus Gelsenkirchen hat bei Heßler 06 das Fußballspielen erlernt. Wechselte später nach Frankfurt.
Paul Holz (damals 20, bis 1974 auf Schalke): Kam ebenso wie Dubski aus Bottrop, spielte dort aber für Rhenania und nicht für Fortuna. Spielte als Schüler-Nationalspieler mit Deutschland in Wembley, das imponierte dem zwei Jahre jüngeren Dubski. Holz verließ Schalke früh und starb im Vorjahr am 11. Dezember 2017.
Klaus Scheer (damals 22, bis 1975 auf Schalke): Kam aus Siegen, erzielte einmal fünf Tore in einem Spiel gegen Köln (6:1). Machte später in Kaiserslautern Karriere.
Manfred Dubski (damals 18, bis 1978 auf Schalke): Nach seiner Schalke-Zeit ging er zum MSV Duisburg – eigentlich wäre er lieber geblieben, aber auf Schalke wurde es für ihn schwieriger mit Einsätzen. Kehrte 1992 als Jugendtrainer nach Schalke zurück, wo er seit 26 Jahren jetzt für die Knappenschmiede Talente entdeckt.
Peter Ehmke (damals 19, bis 1974 auf Schalke): Der robuste Stürmer war auch ein Gelsenkirchener Junge, der aus der 2. Mannschaft aufrückte.
Erwin Kremers (damals 24, bis 1979 auf Schalke): Schalkes Linksaußen lernte Manni Dubski als Erster kennen: Bei einem Freundschaftsspiel zwischen der westfälischen Jugend-Auswahl (mit Dubski) und Schalkes Profis (mit Erwin Kremers) spielten beide gegeneinander – am nächsten Tag bekam Dubski das Angebot von Schalke.
Anmerkung: Die Altersangaben hier ergeben ein Durchschnittsalter von 21,63 Jahren. Das exakte Durchschnittsalter am 31. März 1973 betrug 22,09 Jahre
Als Manni Dubski den Zettel mit der Aufstellung sieht, sagt er: „Alles ganz erfahrene Spieler.” Er meint die Mannschaft von Hertha BSC mit Erich Beer, Lorenz Horr, Ludwig Müller oder Erwin Hermandung. Schalke setzt dagegen seinen Talentschuppen: Torwart Norbert Nigbur ist mit 24 Jahren der Älteste, Manni Dubski, am Spieltag genau 18 Jahre und 193 Tage alt, der Jüngste. Eigentlich darf er sogar noch in der Schalker A-Jugend spielen, aber Trainer Ivica Horvat braucht ihn schon in der Bundesliga. Dubski weiß: „Der Bundesliga-Skandal war mit ein Grund, dass man so früh dazu gekommen ist.”
Der Skandal war mit ein Grund – aber nicht der einzige.
Denn es ist Schalkes Weg in den 1970er-Jahren, konsequent auf die Jugend zu setzen. Ivica Horvat, den man auf Schalke „Papa” nennt, hat ein Händchen für junge Spieler, und „Oskar” Siebert ein „Diamantenauge”: Der Meisterspieler von 1958 hat als Schalke-Präsident einen untrüglichen Blick für Talente. Aus der Mannschaft, die am 31. März 1973 gegen Hertha aufläuft und die zur jüngsten Elf in der Geschichte der Bundesliga werden soll, haben bis auf drei Spieler alle zuvor die Jugend-Nationalmannschaften durchlaufen. Der Altersschnitt beträgt an diesem Tag 22,09 Jahre. „Oskar” Siebert hat diese Jungs alle nach Schalke geholt.
Damals kamen die Talente noch aus der Nachbarschaft
Es ist die Zeit, in der die Nachwuchstalente noch aus der Nachbarschaft kommen, und nicht aus Amerika. Manni Dubski kommt aus Bottrop, spielt für die Jugend von Fortuna Bottrop und für die Schüler-Nationalmannschaft. Als Knirps von elf Jahren hat ihn ein Nachbar mal mit in die Glückauf-Kampfbahn genommen zum Spiel zwischen Schalke und Bayern. Seitdem steht für ihn fest: „Ich will unbedingt nach Schalke.” Der große Hennes Weisweiler, der ihn zu Borussia Mönchengladbach holen will, kann sich den Anruf sparen – fünf, sechs andere Interessenten auch. Als Schalke anklopft, ist die Sache schnell klar. Nur Dubskis Vater hat noch einen Einwand: „Erst macht der Junge seine Lehre zu Ende.” Manni Dubski absolviert erst seine Ausbildung zum Dreher, dann die zum Fußball-Profi.
Dubski durfte sogar noch in der A-Jugend spielen
Im Sommer 1972 kommt er nach Schalke – zu einem Verein, der gerade den DFB-Pokal gewonnen hat, und er sagt sich: „Wahnsinn, ich wechsele zu so einer Mannschaft.” Vereinbart ist, dass er als A-Jugendlicher schon mit den berühmten Profis trainieren soll, mit Rüssmann und Fichtel, mit Nigbur und den Kremers-Zwillingen. Am 14. Oktober 1972 darf er dann auch das erste Mal mit ihnen in der Bundesliga spielen: Knapp einen Monat nach seinem 18. Geburtstag feiert Manni Dubski sein Bundesliga-Debüt, beim Spiel in Oberhausen wird er für ein paar Minuten eingewechselt.
Mit einem „Riesen-Herz“ zum Klassenerhalt
Ein halbes Jahr später häufen sich die Einsätze, und am 31. März 1973 steht Manni Dubski beim Spiel gegen Hertha BSC zum fünften Mal in der Startelf. Gerade einmal 13 Tage vorher waren mit Fichtel, Wittkamp, Rüssmann und Lütkebohmert vier weitere Spieler wegen des Bundesliga-Skandals gesperrt worden, so dass Schalke das 1:1 gegen die erfahrene Hertha wie einen Sieg feiert: Klaus Beverungen trifft zwei Minuten vor dem Ende zum Ausgleich für die jüngste Elf, die jemals in der Bundesliga gespielt hat.
Am Ende der Saison steht: Ein Rekord, der noch heute Bestand hat. Und der Klassenerhalt, nur drei Punkte vor dem ersten von zwei Abstiegsplätzen. „Wir hatten alle ein Riesen-Herz”, erinnert sich Manni Dubski: „Und das brauchten wir auch, um die Klasse zu halten.”