Essen. . Schalkes Ex-Profi Ingo Anderbrügge kritisiert Moral von streikenden Fußballern. Er fordert eine harte Linie und regt an, über das Transfersystem nachzudenken.

Die Androhung von Hans-Joachim Watzke waren unmissverständlich. Wenn ein Spieler abermals seinen Abgang erzwingen wolle, finde er sich auf der Tribüne wieder, sagte der BVB-Geschäftsführer. Geht man so mit Spielern um? Wir fragten Ingo Anderbrügge, früher Profi von Schalke 04 und Borussia Dortmund – und ein Vertreter der guten alten Zeit.

Herr Anderbrügge, Hans-Joachim Watzke hat angekündigt, hart gegen streikende Profis vorzugehen. Halten Sie das für nötig?

Ingo Anderbrügge: Das ist zwingend nötig. Ein Verein plant mit dem Spieler, finanziell sowie sportlich. Verträge sind sicherlich manchmal zu umgehen, aber schlechte Laune zu verbreiten, weil die Situation eine andere ist, das darf nicht passieren. Das, was zuletzt passierte, tut allen nicht gut. Es ist weder Vorbild für Jugendliche noch für Geschäftsbeziehungen. Das bringt auch den Fußball in ein schlechtes Licht.

Einige beklagen schon einen Sittenverfall. Sehen sie das auch so?

Ingo Anderbrügge: Ja. Da müssen knallharte Verträge und Sanktionen her. Jeder, der seinen Job schlecht macht, kann nicht beleidigt spielen und sagen: Ab nächster Woche, wenn ich woanders bin, bin ich wieder 100 prozentig da. Die schlechte Laune in der Kabine geht auch an den Mitspielern nicht spurlos vorbei. Auch der Trainer ist in so einer Situation dann gezwungen, Kompromisse zu machen. Das darf nicht die Entwicklung sein.

Wenn Sie das mit Ihrer Zeit vergleichen: Gab es das früher nicht?

Ingo Anderbrügge: Vielleicht gibt es auch da Beispiele, aber nicht in der Form. Ich glaube, das war noch eine Zeit, wo es mehr Respekt untereinander gab. Wo es nicht nur um den Vertrag ging. Man hat es sich auch einfach nicht getraut. Wenn ich so in meine Zeit schaue, wer sich da getraut hätte – Huub Stevens, Rudi Assauer als Manager – da so eine Show abzuziehen und einen Wechsel zu provozieren. Die hätten uns nicht nur die Ohren lang gezogen, die hätten uns fertig gemacht. Da hättest du keinen anderen Verein bekommen. Heute ist das anders.

Es gibt die Forderung, Vereine sollten sich mehr solidarisieren und so einen Spieler ablehnen. Ist das eine Möglichkeit?

Ingo Anderbrügge: Vielleicht ist das mal eine Möglichkeit, ein Zeichen zu setzen, aber es wird auch dann einen Verein geben, der wieder so einen Spieler nimmt, weil er ihn günstiger bekommt. Das ist die Macht der Spieler. Vielleicht muss man generell über die Wechselfristen nachdenken, vielleicht sollte man einen Winterwechsel verbieten. Es ist doch klar, dass man das System hinterfragen muss, wenn Spieler das ausnutzen können. Da ist doch etwas faul. Es darf nicht so sein, dass Spieler bestimmen, die Vereine müssen die Macht behalten. Das ist doch keine Art.

Sie können sich vorstellen, dass man das Transferfenster im Winter abschafft?

Ingo Anderbrügge: Man muss zumindest darüber nachdenken, wie man das System ändern kann.

Haben die Berater vielleicht auch zu viel Macht?

Ingo Anderbrügge: Die haben natürlich die Macht, weil der Spieler mächtig ist und das System ausnutzt. Ein Spieler, der nicht spielt, kann ja seinem Berater sagen, dass er einen anderen Verein suchen soll. Zu meiner Zeit haben wir uns noch reingekämpft, da hätte ich gleich gehen können, wenn ich da etwas gesagt hätte. Heute sind die Möglichkeiten zu einfach. Ein Berater sagt sicher nicht zum Spieler: Komm, jetzt gib mal Gas. Er will ja auch nicht seinen Job verlieren. Die Spieler – nicht alle – müssen lernen, mehr zu tun.